Spezielle Thromboembolie-Therapie bei Tumorkranken
Onkologische Patienten sind von venösen Thromboembolien (VTE) besonders häufig betroffen: Jeder fünfte erleidet zu Lebzeiten ein entsprechendes klinisches Ereignis. Und längst nicht alle werden erkannt. Autopsiebefunde besagen, dass sogar jeder zweite Tumorkranke VTE aufweist, wie Professor Dr. Thomas Gary von der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz berichtet.
Jeder fünfte Tumor-Patient erleidet eine VTE
Hat sich eine tumorassoziierte venöse Thromboembolie ereignet, setzt man als Goldstandard niedermolekulares Heparin für drei Monate ein. Dieses verhindert Rezidivereignisse bei paraneoplastischer Thrombose besser als Vitamin-K-Antagonisten. Verlängert wird die Prophylaxe, z.B. wenn das Malignom nach dieser Zeit noch aktiv ist oder bei zusätzlichen gerinnungsfördernden Faktoren (wie eine laufende Polychemotherapie). Alternativ kommen Fondaparinux und unfraktioniertes Heparin in Betracht – sowie nach drei Monaten auch Vitamin-K-Antagonisten, da die Heparin-Überlegenheit vor allem das erste Vierteljahr nach dem Indexereignis betrifft.
Neuere Antikoagulantien vom Nicht-Vitamin-K-Typ (NOAK) erhielten bislang noch keine Empfehlung für diese spezielle Patientengruppe, da in den Zulassungsstudien nur wenige Tumorkranke eingeschlossen waren. Untersuchungen, die NOAK- und Heparin-Therapie bei onkologischen Patienten direkt vergleichen, befinden sich in Planung.
Gerinnungshemmung trotz Thrombozytopenie
Leider kommt es bei Tumorkranken wegen der malignombedingten Thrombophilie trotz Antikoagulation immer wieder zu Rezidiven. Nach der neuen ISTH*-Leitlinie geht man in solchen Fällen folgendermaßen vor:
- Rezidiv unter Vitamin-K-Antagonisten: Umstellung auf NMH
- Rezidiv unter NMH: Dosiseskalation um 25 %, klinische Kontrolle nach fünf bis sieben Tagen. Bei klinischem Erfolg (z. B. Reduktion der Beinschwellung) Dosis beibehalten, bei fehlender Besserung weitere Eskalation unter Kontrolle des Anti-Faktor-Xa-Spiegels
Eine ganz besonders große Herausforderung stellt die Behandlung der Thromboseneigung bei gleichzeitiger Thrombozytopenie und erhöhtem Blutungsrisiko dar. Letztere tritt als Begleiterscheinung einer Polychemotherapie nicht selten auf. Bei Plättchenzahlen > 50 x 109/l kann eine therapeutische Antikoagulation erfolgen. Bei Werten < 50 x 109/l und venöser Thromboembolie müssen gleichzeitig Thrombozytenkonzentrate gegeben werden.
Liegt das Thromboembolie-Ereignis mehr als einen Monat zurück, empfehlen die Experten bei Plättchenzahlen < 50 x 109/l eine NMH-Reduktion auf halbtherapeutische oder prophylaktische Dosis. Abgesetzt wird bei Thrombozytenwerten < 25 x 109/l. Offen bleibt die Frage nach einem Schutz für ambulante Patienten unter Polychemotherapie. Routinemäßig wird dies derzeit von den Fachgesellschaften nicht empfohlen. Allerdings tragen in diesem heterogenen Kollektiv bestimmte Patienten ein besonders hohes Thromboembolie-Risiko – abhängig u.a. von Tumorlokalisation, Hämoglobinwert, Thrombo- und Leukozytenzahl. Laut aktuellem Konsensuspapier sollte man bei hohem VTE-Risiko – metastasiertes Bronchial- oder Pankreas-Karzinom – und niedrigem Blutungsrisiko auch im ambulanten Setting eine Prohylaxe mit niedermolekularem Heparin erwägen.
*International Society on Thrombosis and Hemostasis
Quelle: Thomas Gary, Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 466-468