18. Mai 2015

Behalten Sie die Nieren-Noxen im Auge!

BASEL – Um die Nieren eines zuckerkranken Patienten nach besten Kräften funktionstüchtig zu halten, stehen Ihnen etliche Massnahmen zur Verfügung. Sie reichen von Lebensstilberatung über Ausschaltung kardiovaskulärer Risikofaktoren bis hin zur GFR-adaptierten Diabetestherapie.

Bei aller Aufmerksamkeit auf Blutzucker- und HbA1c-Werte darf man die kardiovaskulären Risikofaktoren als Nieren-Noxen keinesfalls aus den Augen verlieren. Bleiben Sie dran, um Ihre Diabetiker zu regelmässiger körperlicher Aktivität (ideal ≥ 150 Minuten pro Woche) und Gewichtsreduktion (5–10 %) zu motivieren, betonen Dr. Bettina Winzeler von der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus am Universitätsspital Basel und Kollegen. Da man im Rahmen einer Bluthochdrucktherapie gleichzeitig die Albumin­urie günstig beeinflussen kann, gelten unter den Antihypertensiva ACE-Hemmer und Sartane als erste Wahl. Um einer diabetischen Nephropathie Einhalt zu gebieten, bedarf es vor allem einer guten Blutzuckerkontrolle.

HbA1c-Ziele gestalten sich risikoabhängig variabel

Wie umfangreiche Daten belegen, lässt sich dadurch das Risiko einer Albuminurie ≥ 300 mg/Tag um fast 50 % reduzieren. Da mit dem Alter, Begleiterkrankungen und zunehmender Niereninsuffizienz auch das Risiko für Hypoglykämien steigt, gestalten sich die HbA1c-Ziele variabel. Für die antidiabetische Medikation selbst gibt es inzwischen kein Stufenschema mehr – sie wird fliessend an die aktuelle Nierenfunktion angepasst.
Im Falle einer Behandlung mit Metformin sollte bei einer GFR < 60 ml/min/1,73 m2 eine Dosis­anpassung erfolgen, ab Werten < 45 ml/min/1,73 m2 muss das renal eliminierte Pharmakon abgesetzt werden. Metformin-Behandelte mit GFR < 60 ml/min/1,73 m2 sind mehrmals pro Jahr zur Nierenfunktionskontrolle einzubestellen. Dies gilt ebenso bei interkurrenten Erkrankungen, z. B. mit Erbrechen und Durchfall, oder wenn eine Diagnostik mit Kontrastmitteln erfolgt.

Glinide auch bei Dialyse-Patienten

Die Sulfonylharnstoffe Gliben­clamid und Glimepirid darf man wegen der Gefahr einer Akkumulation – und konsekutiver prolongierter Hypoglykämien – ab einer GFR < 60 ml/min/1,73 m2 nicht mehr einsetzen. Gliclazid wird in der Leber zu inaktiven Metaboliten umgewandelt, die zu 80 % im Urin ausgeschieden werden. Ab einer GFR < 40 ml/min/1,73 m2 ist von einer Therapie mit Gliclazid abzusehen.
Anders sieht es aus bei Gliniden. Repaglinid wird über die Leber metabolisiert und darf sogar bei Dialysepatienten zur Anwendung kommen. Und wie steht es um den Einsatz von Nateglinid? Bei einer GFR < 30 ml/min/1,73 m2 erhält dieses Glinid von den Experten noch ein «Ja, mit Dosisreduktion», nicht jedoch bei Dialyse. Acarbose dagegen ist wegen der Akkumulationsgefahr bei Niereninsuffizienz tabu, so die Kollegen. Pioglitazon soll wegen der Gefahr von Salz- und Wasserretention bei GFR < 60 ml/min/1,73 m2 nur mit Vorsicht verabreicht werden.
Was Inkretinmimetika betrifft, so gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Vertretern der Klasse. DPP-4-Hemmer bergen im Vergleich zu anderen oralen Antidiabetika ein geringeres Hypoglyk­ämie-Risiko. Je nach Substanz gestaltet sich die Dosisreduktion bei verringerter GFR unterschiedlich (s. Tabelle). Das enteral ausgeschiedene Linagliptin kommt sogar für Dialysepatienten infrage. Für die GLP-1-Rezeptor-Agonisten Exenatid und Liraglutid gelten Einschränkungen ab einer GFR < 50 ml/min/1,73 m2. Schliesslich wären da noch die SGLT2-Hemmer, die der Glukoserückresorption im Nierentubulus entgegenwirken. Diese müssen bei abnehmender Nierenfunktion «herunterdosiert» werden (s. Tabelle) und verlieren bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz ihre Wirkung. Für Insulin gilt die Faustregel, dass man die Dosis bei GFR < 50 ml/min/1,73 m2 um 25 % verringert. Bei GFR < 10 ml/min/1,73 m2 ist eine 50%ige Reduktion notwendig.

Dr. Carola Gessner


Winzeler B et al. Ther Umsch 2015; 72: 149–155 .