Chronisch herzkrank: Wer darf fliegen?
Chronische Herzerkrankungen sind meist kein Grund, einem Patienten eine Flugreise zu verwehren – vorausgesetzt, die Erkrankung ist nicht weit fortgeschritten und klinisch stabil. Eine Ausnahme bildet die Rechtsherzinsuffizienz, bei der schon eine milde Hypoxie ins akute Herzversagen führen kann. Im Zweifelsfall sollte ein Hypoxietest erfolgen.
Flugreisen sind Volkssport und selbst Hochbetagte planen Trips, um die Enkel am anderen Ende des Erdballs zu besuchen. Typische Anfragen, die Professor Dr. Dirk-Matthias Rose vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Mainz erreichen, sehen dann so aus: Patient, 68 Jahre, nach Infarkt vor zwei Jahren mit vier Stents versorgt, jetzt akute Herzschwäche und ein Gerinnsel im Herzen, möchte Ende April nach China fliegen …
Stents sind meist kein Problem
„Die Stents würden mir da keine Probleme machen“, so der Flugmediziner. „Aber was ist mit der aktuellen Herzinsuffizienz und dem Blutgerinnsel?“ Ohne nähere Informationen ist eine solche Anfrage nicht zu beantworten.
Aber es gibt ein paar Grundregeln, die beachtet werden sollten, erklärte Prof. Rose, der auch das Flymed aeromedical Center in Frankfurt leitet.
Reise-Checkliste für Herzpatienten
- Ausreichende Menge der Dauermedikation und anfallskupierender Medikamente für die gesamte Reisedauer im Handgepäck mitnehmen
- Arzneimittelliste (Inhaltsstoffe, Dosierungen, Einnahmehinweise) getrennt vom Medikamentenvorrat verwahren
- Antibiotika, Elektrolytlösungen, Antidiarrhoika ins Reisegepäck, um Durchfallerkrankungen rasch behandeln zu können
- Mehrsprachiges ärztliches Attest über Diagnosen und Behandlungen (z.B. Stents, Bypass) mitnehmen
- Kopie des letzten EKG nicht vergessen n Schrittmacherausweis einpacken
- Auslandsreisekrankenversicherung auch für den Fall einer Exazerbation der Grunderkrankung abschließen (durch normale Reisekrankenversicherung nicht abgedeckt!)
Was bei Herzkranken im Flugzeug Probleme machen kann, sind vor allem der geringe Kabinendruck (er entspricht etwa einer Höhe von 1800 bis 2400 Metern) und die Abnahme des O2-Partialdruckes um ein Viertel. Sinkt bei einem Gesunden die arterielle O2-Sättigung in Flughöhe von normalerweise 98 auf etwa 90 %, ist das unproblematisch. Startet der Patient aber mit niedrigeren Ausgangswerten, fällt die Sättigung steiler ab. Als Grenze für die Flugreisetauglichkeit gilt, dass der arterielle pO2 oberhalb von 50 mmHg bleiben muss.
Das Belastungs-EKG hilft nicht weiter, aber ein Hypoxie-Test
Akute oder instabile Formen von koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz machen absolut fluguntauglich. Ansonsten gibt es Faustregeln: Flugtauglich ist ein Koronarpatient, sofern er nicht bereits bei leichter körperlicher Belastung oder gar in Ruhe pektanginöse Beschwerden bekommt. Einen Patienten mit Herzinsuffizienz der NYHA-Klassen I und II dürfen Sie ebenfalls ohne Bedenken in den Flieger steigen lassen.
Grenzwertig wird es in beiden Fällen, wenn der Patient bereits bei geringer Belastung Symptome zeigt. Dann sollte man versuchen einzuschätzen, wie der Patient die Höhe verträgt. „Das Belastungs-EKG hilft Ihnen da leider nicht weiter“, betonte Prof. Rose. Das Beste wäre, den Patienten in eine Unterdruckkammer zu stecken – aber wer hat die schon zur Verfügung? Alternativ kann man ihn ein hypoxisches Luftgemisch atmen lassen und sehen, ob er Beschwerden bekommt. ßßßß Auch bei Patienten mit stabilen chronischen Herzrhythmusstörungen kann ein Hypoxie-Test sinnvoll sein. Patienten mit tachykarder Arrhythmie sollten für den Flug auf jeden Fall eine anfallskupierende Medikation erhalten, um sie im Handgepäck mitzunehmen
Chronische Arrhythmien sind per se kein Grund, auf Flugreisen zu verzichten, sofern nicht eine Herzerkrankung zugrunde liegt, die das Fliegen verbietet.
Bei Rechtsherzinsuffizienz besonders aufpassen
Besondere Vorsicht geboten ist bei Patienten mit Rechtsherzinsuffizienz, sagte der Flugmediziner. Bereits unter milder Hypoxie kann der Druck in der Pulmonalarterie so massiv ansteigen, dass das Herz dekompensiert. Das Gleiche gilt natürlich für alle Erkrankungen, die mit einem Lungenhochdruck einhergehen.
Quelle: 3. MSD Forum „Die Hausarztpraxis im Fokus“