Diabetiker öfter von Ohrenerkrankungen betroffen
Eine der häufigsten Ohrenerkrankungen ist die Otitis externa, die sich typischerweise durch eine Rötung und schmerzhafte Schwellung im Bereich des äußeren Gehörgangs bemerkbar macht. Solange der Knorpel nicht mitbefallen ist, genügt eine Lokalbehandlung mit Ohrentropfen und z.B. antibiotikagetränkten Salbenstreifen. Mangelndes Ansprechen auf diese Therapie signalisiert Gefahr: Vor allem ältere, schlecht eingestellte Diabetiker entwickeln nicht selten eine lebensgefährliche Osteomyelitis des Felsenbeins.
Diese auch beidseitig auftretende, maligne Form der Otitis externa wird meist durch Pseudomonas aeruginosa ausgelöst und kann sich bis in das periaurikuläre Gewebe und die Glandula parotidea ausbreiten, schreiben Dr. Nina Avetisyan und Professor Dr. Jürgen Lautermann, HNO-Klinik am Krankenhaus Martha-Maria, Halle.
Betroffene Patienten klagen häufig über Lokalsymptome wie Otalgie, fötide Otorrhö, Hörminderung, Schwindel, Kieferklemme und retroaurikuläre Schwellung. Charakteristisch für den malignen Verlauf ist der frühe Ausfall von Hirnnerven, v.a. von Fazialis und Trigeminus, seltener Glossopharyngeus, Vagus und Akzessorius mit entsprechenden Symptomen (s. Kasten).
Otitis externa: Protrahiert bis zur Osteomyelithis
Der Nachweis von Knochenerrosionen im CT erhärtet den klinischen Verdacht auf eine Osteomyelitis der Otobasis. Bei unklaren Befunden empfehlen die Autoren eine Knochenszintigraphie. Differenzialdiagnostisch ist ein Karzinom bzw. Cholesteatom des Gehörgangs auszuschließen (Biopsie).
Therapeutisch steht neben der optimierten Blutzuckereinstellung eine gegen Pseudomonas wirksame systemische Therapie an erster Stelle (anfangs hochdosiert i.v., Umstellung nach Antibiogramm). Wird die Erkrankung erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt, steigt die Letalität auf bis zu 70 % (Sinusthrombose, Meningitis, Sepsis). Daher sollte jeder Patient mit therapieresistenter Otitis externa einem HNO-Arzt vorgestellt werden (Ausschluss Schädelbasis-Osteomyelitis).
Otitis media: Nasentropfen und Analgetika
Gesichtsnerv betroffen?
Folgende Symptome sprechen für eine Beteiligung der Hirnnerven:
- Lähmungen und Gefühlsstörungen im Gesicht (N. facialis, N. trigeminus)
- Heiserkeit, Probleme beim Schlucken (N. vagus)
- Verschiebung der Rachenhinterwand (N. glossopharyngeus)
- Armheberschwäche (N. accessorius)
Im Gegensatz zur malignen Otitis externa tritt die Otitis media unter Diabetikern nicht vermehrt auf. Wie bei Stoffwechselgesunden wird diese Infektion meist über die Tuba eustachii aus dem Nasenrachenraum fortgeleitet. Verlaufen Otitiden blande (meist virale Genese), genügen Nasentropfen und Analgetika. Treten stärkere Beschwerden auf, sollte antibiotisch behandelt werden.
Der Hörsturz dagegen manifestiert sich bei Diabetikern eindeutig häufiger als bei Stoffwechselgesunden. Neben einer schlechten Stoffwechseleinstellung spielt ursächlich möglicherweise eine cochleäre Mikroangiopathie eine Rolle, evtl. auch eine Degeneration der für den Elektrolytausgleich zuständigen Stria vascularis im Innenohr. Hörsturz-Patienten berichten typischerweise von einer plötzlich aufgetretenen einseitigen Hörminderung bis hin zur Taubheit (gelegentlich auch bilateral). Manche leiden zusätzlich unter Schwindel oder Tinnitus (Trommelfell o.B.).
Hörminderung immer abklären
Schon aus juristischen Gründen empfehlen die Autoren, jede Hörminderung mittels Otoskopie und Hörtest abzuklären. Zudem lassen sich damit die wichtigsten Differenzialdiagnosen (Cerumen obturans, Schallleitungsschwerhörigkeit) ausschließen. Besteht tatsächlich ein akuter idiopathischer, sensorineuraler Hörverlust, wird der Ton im Stimmgabeltest nach Rinne in das gesunde Ohr lateralisiert und der Weber-Versuch bleibt positiv.
Die Prognose des Hörsturzes hängt von der Ausprägung ab, vestibuläre Begleitsymptome gelten als ungünstiges Zeichen. Obwohl sich vor allem leichte Befunde oft von selbst zurückbilden, empfehlen die Autoren eine Behandlung mit Rheologika (oral oder als Infusion) bzw. hoch dosierten Glukokortikoiden. Intratympanale Steroid-Injektionen bleiben Fällen mit hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit oder erfolgloser systemischer Therapie vorbehalten. Während der Behandlung müssen Blutdruck- und Blutzuckertagesprofile täglich kontrolliert werden.
Diabetiker leiden zudem häufiger an Altersschwerhörigkeit und entwickeln einen stärkeren Hörverlust als Stoffwechselgesunde. Einer Metaanalyse zufolge weisen 44-70 % der Typ-2-Diabetiker eine Innenohrschwerhörigkeit > 25 dB auf. Die Hörgeräteversorgung erfolgt wie bei Nichtdiabetikern. Liegt eine hochgradige Hypakusis bzw. Ertaubung vor, kann auch Cochlea-Implant erwogen werden.
Quelle: Nina Avetisyan et al., HNO 2014; 62: 823-832; DOI 10.1007/s11428-014-1214-8