Zufallsbefund erhöhtes TSH – was jetzt?
Nun haben Sie also die 50-jährige Patientin vor sich sitzen, die zur Besprechung der jüngst abgenommenen Blutwerte gekommen ist. Das TSH erwies sich – möglicherweise zu Ihrer eigenen Überraschung – als erhöht. Wie Sie in einer solchen Situation eine rationelle Abklärung gestalten, erläutern Dr. Michael Faust und Professor Dr. Wilhelm Krone vom Zentrum für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin der Uniklinik Köln.
Zunächst einmal die TSH-Messung wiederholen
Unterfunktions-Symptome
- Müdigkeit
- Gewichtszunahme
- trockene Haut
- Kälteintoleranz
- struppige Haare, Haarausfall
- Periodenunregelmäßigkeiten, Infertilität
- Muskelschwäche, Myalgien, Krämpfe, verzögerte Muskeleigenreflexe
- periorbitale Ödeme
- Heiserkeit, Struman Obstipation
- Hyperlipidämie
- Bradykardie
- Gedächtnis-/Konzentrationsstörungen
Bei asymptomatischen Patienten bzw. nur gering erhöhtem TSH ist es ratsam, zunächst den Test zu wiederholen, bevor man eine große Sache aus dem Befund macht. Auf jeden Fall empfiehlt es sich dann, zusätzlich die freien Hormone (fT3 und fT4) zu bestimmen, um latente und manifeste Hypothyreose voneinander abzugrenzen.
Anamnestisch fragen Sie Hypothyreose-Symptome (s. Kasten) ab – die der Patient möglicherweise nicht spontan geschildert hat. Ebenso erkundigen Sie sich nach stattgehabten Schilddrüsenoperationen oder Bestrahlungen als Kausalfaktoren. Seltener steckt eine medikamentöse Therapie (Lithium, Amiodaron) dahinter, wenn die Drüse „schlapp macht“.
Ergibt nun der zweite Labortest erneut einen erhöhten TSH-Spiegel, gilt es nach der häufigsten Ursache für eine Hypothyreose, der Autoimmunerkrankung zu forschen. Hierzu dient die Bestimmung von Autoantikörpern gegen Thyroxinperoxidase (TPO) und Thyreoglobulin (Tg). Eine wichtige Rolle in der Diagnostik spielt ferner die Sonographie: Für Autoimmunprozesse sprechen eine echoarme, unruhige Binnenstruktur und verminderte Perfusion (Duplexsonographie). Auf eine Szintigraphie können Sie in der Regel verzichten, betonen die Autoren.
1,6 µg Levothyroxin/kg KG als Substitutionsdosis
Ermitteln Sie bei der zweiten Laboruntersuchung eine manifeste Schilddrüsenunterfunktion mit erniedrigten peripheren Hormonwerten, liegt ebenfalls meist eine destruierende Autoimmunthyreopathie zugrunde. In diesem Fall benötigen Ihre Patienten eine lebenslange Hormonsubstitution. Allgemein beträgt die Dosis 1,6 µg Levothyroxin/kg KG. Das Präparat soll 30 Minuten vor dem Frühstück mit einem Glas Wasser ohne weitere Medikamente eingenommen werden, um eine optimale Resorption zu gewährleisten.
Eine latente oder subklinische Hypothyreose ohne fT3/fT4-Auffälligkeiten wird von manchen Autoren noch in milde und schwere Formen unterteilt. Von letzterer sprechen sie bei TSH-Werten > 10 mU/l. Bei Werten darunter raten Dr. Faust und Prof. Krone zur Hormonsubstitution wenn
- eine Schwangerschaft geplant ist,
- das Sonogramm für einen Autoimmunprozess spricht (geht meist in manifeste Hypothyreose über),
- der Patient unter deutlichen klinischen Beschwerden leidet.
Eine besondere Situation liegt vor, wenn der TSH-Anstieg mit erhöhten peripheren Hormonwerten einhergeht: Dann kann zum einen eine sekundäre Hyperthyreose durch die autonome Produktion in der Hypophyse (Adenom) vorliegen. Zum anderen kommt die (seltene, genetisch bedingte) Schilddrüsenhormonresistenz in Betracht: Die Zielgewebe dieser Patienten sprechen auf normale fT3/fT4-Werte nicht an, sodass kompensatorisch mehr Schilddrüsenhormone gebildet werden. In beiden Fällen konsultieren Sie am besten den Endokrinologen.
Und wenn der TSH-Wert Ihrer Patientin unter der von Ihnen eingeleiteten Hormonsubstitution immer noch im pathologischen Bereich liegt? Dann genügt womöglich die angesetzte Hormondosis nicht: Erhöhen Sie das Levothyroxin um 25 µg/Tag und kontrollieren Sie den TSH-Spiegel erneut nach vier bis sechs Wochen, lautet die Empfehlung.
Welcher Normwert gilt?
Die Diskussion schwelt seit Jahren: Soll man sich an die Ergebnisse großer Populationsstudien halten, die bei 95 % aller mutmaßlich Schilddrüsengesunden TSH-Werte zwischen 0,45 und 4,12 mU/l fanden? Oder eher an die Daten einer Erhebung aus Mecklenburg-Vorpommern, die auf einen schmäleren Normbereich (0,25–2,12 mU/l) hinweisen? Dazu finden sich selbst in Leitlinien divergierende Angaben. Dies kann daran liegen, dass der Normbereich – abhängig von individuellen Faktoren – stärker variiert als gedacht. So weisen Übergewichtige physiologisch höhere TSH-Werte auf, und ebenso ältere Personen: ab 40 scheint sich der Sollwert im Schilddrüsenregelkreis nach oben zu verschieben. Auch andere Faktoren wie Schwangerschaft, interkurrente Erkrankungen oder die Jodversorgung nehmen Einfluss auf den TSH-Wert.
Quelle: Michael Faust, Wilhelm Krone, Internist 2014; 55: 1149-1156