15. Jan. 2015

Wie Sie eine HIV-Infektion früh erkennen

Die akute HIV-Infektion, Primärinfektion oder schweizerisch Primoinfektion, wird zeitlich sehr unterschiedlich definiert. Das Team um Dr. Dominique Braun von der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich legt in seiner Übersicht die ersten sechs Monate nach Ansteckung zugrunde. In der Schweiz lässt sich annehmen, dass etwa ein Viertel der neu diagnostizierten HIV-Infektionen in diese Kategorie gehören. Einer Züricher Studie zufolge beträgt der Anteil von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), dabei 75 %. Phylogenetische Analysen haben ergeben, dass sich in Städten 50 % der neu Erkrankten bei Menschen mit akuter HIV-Infektion angesteckt haben.

Bei bis zu 90 % der Patienten äußert sich die akute HIV-Infektion als akutes retrovirales Syndrom (ARS). Das ARS umfasst einen sehr heterogenen Symptomenkomplex mit Symptomen wie Fieber (am häufigsten), Abgeschlagenheit, Durchfall oder diversen Schmerzen, die sich meist in den ersten Wochen nach Virusübertragung entwickeln.

Frühe Therapie verzögert Lauf der Infektion

Die Manifestationen variieren aber erheblich, manchmal liegt nur ein Symptom vor, Dauer und Intensität der Beschwerden schwanken stark und darüber hinaus sind asymptomatische Verläufe keine Seltenheit. Genauso gut können aber auch schon zum Zeitpunkt der Serokonversion opportunistische Infektionen wie Candida-Stomatitis-/Ösophagitis oder Zytomegalie-Kolitis auftreten. Ursachen sind ein starker Abfall der CD4-Helferzellen während der akuten Infektion sowie eine Schädigung der zellulären Immunität in dieser Phase. Das Virus kann auch direkt zytotoxisch wirken.

Klinisch lässt sich die Ansteckung nicht sicher feststellen. Um sie früh zu entdecken, raten die Autoren dazu, bei Risikogruppen (MSM, wechselnde Sexualkontakte) und/oder entsprechender Anamnese rasch einen HIV-Test zu veranlassen – auch wenn jegliche Symptome fehlen. Im Labor gelingt der Virusnachweis mittels PCR, seines Antigens (p24-Antigen) und der Antikörpersuche über den HIV-Immunoblot.

Positive PCR und p24-Antigen bei negativem Immunoblot

Als charakteristisch für die akute HIV-Infektion gilt die positive PCR und/oder ein positives p24-Antigen bei (noch) negativem oder grenzwertigem Immunoblot, da die humorale Immunantwort erst später einsetzt. Eine dokumentierte Serokonversion innerhalb der letzten 90 Tage beweist die akute Infektion.

Nach der Ansteckung fällt häufig zunächst eine hohe Virämie (RNA) mit mehr als 106 Kopien pro ml Plasma auf, gelegentlich fallen zu diesem Zeitpunkt auch die CD4-Lymphos dramatisch ab (< 200/µl). Im Basislabor finden sich oft Thrombo- und Lymphopenie (atypische Lymphos!) sowie erhöhte Transaminasen.

Mononukleose ist eine wichtige Differentialdiagnose

Die RNA taucht frühestens sieben bis zehn Tage nach der Übertragung auf, das p24-Antigen folgt etwa eine Woche später, nach weiteren ein bis zwei Wochen lassen sich in der Regel die Antikörper nachweisen. Der PCR-Test eignet sich wegen der hohen Kosten in der Praxis nicht, der aktuelle HIV-Combo-Suchtest der 4. Generation beschränkt sich daher auf die Suche nach p24-Antigen und Antikörpern. Mit einem positiven Ergebnis lässt sich etwa nach zwei bis drei Wochen rechnen, für die Bestätigung braucht es dann noch den Westernblot. Zum Ausschluss muss formal eine Wiederholung des Suchtests drei Monate nach der potenziellen Ansteckung erfolgen.

Fällt der Combotest trotz klinischer Symptome negativ aus, raten die Kollegen zur Wiederholung nach zwei bis drei Wochen oder dann doch zur PCR. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen zählen die Mononucleosis infectiosa durch das Ebstein Barr-Virus und die Zytomegalie-Erstinfektion. Eine Pharyngitis durch Streptokokken A, virale Gastroenteritiden, Influenza, Syphilis, aseptische Meningitis, Malaria oder Dengue-Fieber müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden. Liegen Zeichen einer Geschlechtskrankheit vor, sollte das auch an eine akute HIV-Infektion denken lassen.

Therapiestopp nicht mehr empfohlen

Eine frühe Therapie trägt dazu bei, die Funktion der CD4-Lymphos zu erhalten, lässt sie schneller und höher ansteigen und verzögert das Fortschreiten der Infektion. Außerdem senkt die Behandlung nachhaltig die Transmission. Es herrscht daher inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, so rasch wie möglich mit der Behandlung zu beginnen, wobei sie sich in der Regel nicht wesentlich von der sonst üblichen Langzeitmedikation unterscheidet. Ein Stoppen der Therapie etwa nach mehreren Jahren wird heute nicht mehr empfohlen, da der günstige Effekt nur etwa ein bis zwei Jahre anhält.

Quelle: Dominique L. Braun et al., Therapeutische Umschau 2014; 71: 469-474