28. Nov. 2014Das Schilddrüsenkarzinom

Schilddrüsenkrebs effektiv behandeln

Malignome der Schilddrüse sind die häufigste endokrine Neoplasie. Zum Glück handelt es sich bei der Mehrzahl um differenzierte Karzinome. Die meisten Betroffenen sterben daher nicht an, sondern mit ihrem Karzinom.

Das Schilddrüsenkarzinom (thyroid carcinoma, TC) macht zwar weniger als 1 % aller bösartigen Tumoren beim Menschen aus, es ist aber die häufigste endokrine Neoplasie. In den letzten Jahren ist die Inzidenz deutlich angestiegen, was an verbesserten Diagnosemöglichkeiten und einer dadurch höheren Entdeckungsrate liegt.

Schilddrüsenkarzinom: Inzidenz steigt stetig

Die meisten TC – etwa 60 bis 80 % – sind papilläre Mikrokarzinome mit ausgezeichneter Langzeitprognose, schreiben Dr. Roger Schneiter und Kollegen vom Stadtspital Triemli, Zürich. Die Gesamtmortalität liegt unter 10 %. Die Prognose hängt von verschiedenen Faktoren wie Tumorgröße, Invasivität, Metastasierung und Alter ab.

Den besten Verlauf zeigen junge Patienten, die bei der Entdeckung des Tumors zwischen 20 und 45 Jahre alt waren. Das papilläre Schilddrüsenkarzinom (PTC) zählt wie das follikuläre (FTC) zu den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen (DTC). In drei bis 10 % der Fälle besteht eine familiäre Disposition, weitere Risikofaktoren sind eine Bestrahlung in der Kindheit oder die Exposition in einem radioaktiv kontaminierten Gebiet.

Nur fünf von hundert Knoten bösartig

Manche Schilddrüsenkarzinome „outen“ sich durch Heiserkeit, Lymphknotenschwellung oder einen sich zunehmend vergrößernden Knoten. Häufig werden die Tumoren aber zufällig im Rahmen einer aus anderen Gründen durchgeführten Sonographie entdeckt.

Von 100 nachgewiesenen Schilddrüsenknoten sind nur fünf bösartig. Doch jeden Knoten über 1,5 cm sollte man punktieren. Wenn eine positive Familienanamnese oder eine Strahlentherapie in der Vorgeschichte bekannt ist, gilt das auch für kleinere Knoten. Eine TSH-Messung gehört routinemäßig dazu.

Bringt die Feinnadelpunktion genügend Material, kann ein PTC mit einer Sensitivität und Spezifität von > 95 % diagnostiziert werden. Für die Diagnose eines FTC reicht die Zytologie nicht aus, hier ist eine histologische Untersuchung erforderlich. Bei zytologischem Verdacht auf ein differenziertes Karzinom muss als präoperative Staging-Untersuchung lediglich eine Hals-Sonographie erfolgen.

Keine subtotale Thyroidektomie: Rezidiv-Gefahr

Wichtigster Schritt der initialen Therapie: die Opera­tion, die als totale Thyreoidektomie, Hemi-Thyreoidektomie oder subtotale Thyreoidektomie durchgeführt werden kann. Von einer subtotalen Thyreoidektomie raten die Autoren wegen des damit verbundenen potenziellen Rezidivrisikos eher ab.

Lymphknotenmetastasen machen neben der Thyreoidektomie die laterale „neck dissection“ erforderlich. Therapie der Wahl beim papillären Schilddrüsenkarzinom ist die totale Thyreoidektomie, um bei Bedarf eine postoperative Radiojodtherapie und eine adäquate Tumornachsorge durchführen zu können. Wie umfangreich die Resektion eines follikulären Tumors gestaltet werden muss, hängt vom Ausmaß der Gefäß- invasion ab.

Die Radiojodtherapie mit Iod-131 stellt beim DTC die effektivste adjuvante Therapie dar, um das Rezidivrisiko zu senken und das Gesamtüberleben zu verbessern. Eine adjuvante Radiojodtherapie kommt bei Patienten mit einer Tumorgröße > 4 cm, Fernmetastasen oder extrathyreoidalem Wachstum zum Einsatz. Patienten mit kleineren Tumoren, die aber einen aggressiveren Verlauf vermuten lassen, profitieren ebenfalls davon.

Bei großen oder aggressiven Tumoren: Radiojodtherapie

Da Patienten nach Thyreoidektomie in eine hypothyreote Stoffwechsellage geraten, setzt unmittelbar postoperativ die T4-Therapie ein. Durch höhere T4-Dosen erreicht man auch, dass TSH supprimiert wird und auf diese Weise ein Wachstumsstimulus auf eventuell noch vorhandene Tumorzellen ausbleibt.

In den ersten fünf Jahren treten die meisten Rezidive auf, deshalb ist in diesem Zeitraum ein engmaschiges Follow-up besonders wichtig. Die Schweizer Kollegen empfehlen, nach zwei Monaten die Schilddrüsenparameter TSH und T4 zu bestimmen, um die gewünschte TSH-Suppression zu kontrollieren.

Nach sechs Monaten erfolgt die Kontrolle auf Tumorfreiheit. Dazu gehören neben der Anamnese und Palpa­tion des Halses auch eine zervikale Sonographie und die Messung des Thyreoglobulins (Tg). Tg bildet das Grundgerüst für die Produktion von T3 und T4 und wird nur von der Schilddrüse synthetisiert, weshalb es sich als Tumormarker eignet.

Thyreoglobulin als Verlaufsmarker

Bei den meisten Patienten sinkt das Tg innerhalb der ersten Jahre unter die Nachweisgrenze. Mit unauffälliger Hals-Sonographie und Tg-Werten unter 0,1 ng/ml gelten Patienten als krankheitsfrei. Bei basalen Tg-Werten zwischen 0,1 und 1,0 ng/ml raten die Autoren dazu, die Thyreoglobulin-Messung nach Stimulation mit rhTSH zu wiederholen. Das weitere Prozedere richtet sich dann nach stimuliertem Tg-Wert und individuellem Kontext.

Ein Tg-Wert ≥ 2 ng/ml spricht für eine persistierende Erkrankung oder ein Rezidiv. Fällt auch die Bildgebung entsprechend aus, kann nach einer individuellen Nutzen-Risiko-Analyse eine weitere Operation, gefolgt von einer Radiojodtherapie, zum Einsatz kommen.

Mehrere neue Medikamente zur Behandlung des Differenzierten Schilddrüsen-Karzinoms wurden bereits in klinischen Studien getestet. Für radiojodresistente Patienten bieten eventuell Tyrosinkinaseinhibitoren eine Alternative. Diese wirken zwar nicht tumorizid, aber immerhin tumorstatisch mit Ansprechraten zwischen 14 und 50 %.

Quelle: Roger Schneiter et al., Schweiz Med Forum 2014; 14: 171-176