19. Sept. 2014

Zecken beherbergen auch exotische Fracht

Bei Zeckenstichen denkt jeder an Frühsommer-Meningoenzephalitis und Borreliose. Doch die lästigen Blutsauger können noch einiges mehr an Viren und Bakterien mit sich im Gepäck führen. Unter den Arbovirusinfektionen nimmt die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zweifellos den ersten Platz ein, schreiben Dr. Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München und Kollegen.

Vor allem in den Endemiegebieten Bayern, Baden-Württemberg, Teile Hessens, Sachsens und Thüringens werden jährlich 200 bis 500 Erkrankungen registriert. Die Infektionserkrankungen verlaufen mit zunehmendem Alter schwerer, erläuterte der Experte. 10 % der Patienten behalten bleibende neurologische Schäden zurück und 1–2 % versterben an den neurologischen Folgeerkrankungen.

Uukuniemi-Virus zunächst in Finnland isoliert

Aber auch andere Viren wurden im Rahmen von FSME-Untersuchungen im „Gemeinen Holzbock“ (Ixodes Ricinus) entdeckt. Dazu gehört das erstmals in der ehemaligen Tschechoslowakei nachgewiesene Tribec-Virus, das aus Baden-Württemberg stammende Eyach-Virus und das zunächst in Finnland isolierte Uukuniemi-Virus.

Ob diese Viren Menschen etwas anhaben können, ist noch ungewiss. Geografisch begrenzt findet man im Saarland auch die aus Frankreich stammenden Erve-Viren, die mit einer hämorrhagischen Enzephalitis mit Mikroblutungen und starken Kopfschmerzen in Zusammenhang gebracht werden.

Bei den Bakterien steht Borrelia burgdorferiganz vorn

Etwa 1 % der Larven, 10 % der Nymphen und 20 % der adulten Zecken tragen in Deutschland Borrelien in sich. Die Inzidenz der Lyme-Borreliose liegt nach einer Untersuchung im Raum Würzburg bei 111/100 000 Einwohner und Jahr – das entspricht 90 000 Neuerkrankungen in der Bundesrepublik pro Jahr.

Die allermeisten Patienten entwickeln lediglich ein Erythema migrans, das sich nach Tagen bis Wochen um den Zeckenstich ausbreitet. Bei 3 % wurde eine Neuroborreliose, bei 2 % ein Lymphozytom, bei weniger als einem Prozent eine Karditis und bei 5 % eine Lyme-Arthritis festgestellt. Bisher gilt die Borreliose – mit Antibiotika für zwei bis drei Wochen – als gut behandelbar.

Grippeähnliche Symptome: an seltene Erreger denken

Borrelia miyamotoi heißt eine weitere Borrelienart, die durch Zecken übertragen werden kann. Infizierten Patienten droht das „humane Rückfallfieber“, das klinisch ähnliche Symptome wie eine Influenza verursacht. Aus Italien und Holland sind einzelne Erkrankungsfälle bekannt – in Deutschland fehlen Untersuchungen zur Ausbreitung und Inzidenz.

Bei grippeähnlichen Erkrankungen nach Zeckenstich sollte man aber daran denken, schreiben die Experten. Die Übertragung von Francisella tularensis als Erreger der Tularämie erfolgt vor allem durch Haut- und Schleimhautkontakt mit infektiösem Tiermaterial, Genuss von kontaminiertem, nicht ausreichend erhitztem Fleisch (vor allem von Hasen), Wasser oder Inhalation von kontaminierten Stäuben.

Anderes Spektrum bei Zecken im Ausland

In Skandinavien geben auch blutsaugende Stechmücken die Erkrankung weiter, was in Deutschland noch nicht beobachtet wurde. In Zecken ließen sich die Bakterien ebenfalls isolieren – für eine Übertragung über diesen Weg fehlen aber bislang Beweise. Manche Zecken können Coxiella burnetti, den Erreger des Q-Fiebers, weitergeben – allerdings eher nicht der vor allem bei uns heimische Gemeine Holzbock.

Auch beim Q-Fieber zeigen sich grippeartige Symptome mit Kopfschmerzen und Lungenentzündung. Das Hauptreservoir bilden erkrankte Schafe und Ziegen. Rickettsien können die Zecken ebenfalls im Gepäck haben.

Ein Zeckenbissfieber durch Rickettsia helvetica wurde in Schweden, Frankreich, der Schweiz und Italien registriert. Die Symptome variieren stark – im Vordergrund stehen Perimyokarditis und Fieber mit oder ohne Ausschlag. Auch Fazialisparesen und plötzliche Taubheit werden als mögliche Symptome genannt.

Schiefes Gesicht und Taubheit vom Rickettsien-Infekt

Eine Übertragung von Anaplasma phagocytophilum wurde schon häufiger in Mitteleuropa einschließlich Österreich beobachtet – aber bisher noch nie in Deutschland. Es kommt zu einer humanen granulozytären Anaplasmose mit Fieber, Krankheitsgefühl, Muskel- und Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Husten. Mehr als ein Drittel der Betroffenen hat zusätzlich ein makulopapulöses Exanthem, häufig tritt ein Rigor auf.

Candidatus Neoehrlichia mikurensis
, der Erreger der Neoehrlichiose, fand sich in mehreren europäischen Ländern einschließlich Deutschland in Zecken. Die fieberhafte Erkrankung scheint vor allem bei immunsupprimierten Patienten von Bedeutung sein. Zecken stellen auch ein Reservoir für Babesien dar. Eine symptomatische Babesiose findet man ebenfalls meist nur bei Immunsuppression. Bei den Betroffenen kann es durch die Infektion zu Pneumonie oder Hämolyse mit Anämie und Ikterus kommen.

Gerhard Dobler et al., Bundesgesundheitsbl 2014; 57: 541-548