Immuntherapie gegen Allergie: subkutan oder sublingual?
Bei der spezifischen Immuntherapie (SIT) stehen in vielen Fällen heute zwei Methoden zur Wahl: Der Patient kann sich Allergene entweder subkutan spritzen lassen (SCIT) oder sublingual einnehmen (SLIT). Mit beiden Applikationsformen gelingt es, die überschießende Immunantwort auf bestimmte Umwelt-Antigene (z.B. Pollen) zu modulieren, bis schließlich eine Immuntoleranz entsteht.
Schleimhautreaktionen,
aber kein Schock
Nach drei- bis vierjähriger Immuntherapie kommt es zu einer deutlichen Reduktion der Symptome, die auch ohne weitere Allergenzufuhr jahrelang anhält. Für Patienten mit allergischer Rhinitis wurde zudem gezeigt, dass eine Immuntherapie den „Etagenwechsel“ zum Asthma verhindert und der Entwicklung weiterer Sensibilisierungen vorbeugt.
Unterschiede zwischen den beiden Methoden zeigen sich bei der Verträglichkeit: Bei sublingualer Applikation kommt es häufig zu Schleimhautreaktionen in Mund und Rachen, die meist leichter Natur sind und ein bis zwei Wochen nach Therapiebeginn verschwinden. Systemische Nebenwirkungen (z.B. Blutdruckabfall, Synkope) treten nach SLIT deutlich seltener auf als unter der subkutanen Variante, (beinahe) tödliche Zwischenfälle wurden bisher nicht registriert.
Bei der subkutanen Immuntherapie ist die Zahl tödlicher Anaphylaxien deutlich zurückgegangen, so die Autoren, sie rechnen mit einer schweren systemischen Reaktion pro 25 000 Injektions-Sitzungen. Für die meisten Patienten beschränken sich die Nebenwirkungen auf Lokalreaktionen an der Einstichstelle.
Und wie steht es um die Wirksamkeit der beiden Applikationsformen? Während bezüglich der subkutanen Immuntherapie bereits für die meisten relevanten Allergene effektive Dosen festgelegt wurden, ist man bei der SLIT gerade dabei, solche zu finden. Unklar ist derzeit noch, ob die SLIT auch mit multiplen Allergenen funktioniert.
Was die Datenlage betrifft, existieren zwar zahlreiche Studien und Metaanalysen, in denen SCIT und SLIT bei allergischer Rhinitis bzw. allergischem Asthma gegen Placebo getestet wurden. Aber es gibt bisher nur wenige randomisierte
Studien, die die beiden Verfahren direkt miteinander vergleichen.
SCIT im direkten
Vergleich überlegen
Im indirekten Vergleich scheint die subkutane Immuntherapie insgesamt effektiver als die sublinguale Variante zu sein, auch in den wenigen Head-to-Head-Studien zeigt die SCIT häufiger bessere klinische und immunologische Resultate. Allerdings variieren die Studienergebnisse von Präparat zu Präparat, was z.B. an den unterschiedlichen Allergendosierungen liegen kann.
Ist die grundsätzliche Entscheidung für eine systemische Immuntherapie gefallen, sollten Arzt und Patient gemeinsam die Vorteile einer möglichen besseren Wirksamkeit der SCIT gegen das leicht erhöhte Risiko von schweren systemischen Nebenwirkungen wie Bronchospasmen bzw. Asthmaanfällen, Hypotension und anaphylaktischen Reaktionen im Vergleich zur SLIT besprechen.
H. S. Nelson, J Allergy Clin Immunol Pract 2014; 2: 144-149