19. Juni 2014Lokalisation eines Angioödems

Angioödem – wann wird’s kritisch?

Ein Patient, der plötzlich Schluckstörungen oder Stimmveränderungen hat, kann rasend schnell zum Notfall werden. Wegen des Erstickungsrisikos erfordern akute Schwellungen im Bereich der Zunge mit Beteiligung von Rachen und Kehlkopf eine sofortige Intubation, möglicherweise auch eine Tracheotomie.

Generell lassen sich aus der Lokalisation eines Angioödems Rückschlüsse auf den Schweregrad ziehen. Falls nur der Gesichtsbereich und die Lippen stark angeschwollen sind (Grad A), wirkt dies zwar bedrohlich, es liegt aber kein akuter Notfall vor, erläuterte Privatdozent Dr. Murat Bas von der HNO-Klinik des Klinikums Rechts der Isar der TU München.

Henkersschlinge
Angiooedem_think_133831225

Allergisches Ödem meist mit Juckreiz

Ist das Ödem im Bereich des Oropharynx – Weichgaumen und Uvula – lokalisiert (Grad B), empfindet der Patient dies als sehr störend und das Schlucken kann schmerzhaft sein. Aber auch in diesen Fällen sind die Atemwege nicht akut gefährdet und die Überwachung reicht aus. Treten Angioödeme hingegen im Bereich von Zunge und Mundboden oder am Zungengrund, Hypolarynx und Larynx auf (Grad C bzw. D), muss sofort ein Notfallmanagement erfolgen – insbesondere die Sicherung der Atemwege.

Als Auslöser von akuten Angioödemen kommen verschiedene Mediatoren in Betracht. Dies sei entscheidend für die Therapie und müsse klinisch stärker beachtet werden, betonte Dr. Jens Greve von der HNO-Universitätsklinik Ulm. Allergische Ödeme sind meist histamininduziert und gehen typischerweise mit Juckreiz und geröteter Haut einher. Die „obere Atem-Schluckstraße“ ist eher selten betroffen. Zur kausalen Pharmakotherapie eignen sich in diesen Fällen Antihistaminika, Glukokortikoide und ggf. Adrenalin.

Arzneibedingte Formen werden unterschätzt

Liegt hingegen ein bradykininvermitteltes, nicht allergisches Angio­ödem vor, helfen diese Medikamente nicht, betonte der Experte. Als wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen beiden Ödemtypen gilt die Urtikaria. Sie tritt bei durch Bradykinin vermittelten Formen nicht auf.

Unterschätzt werden nach Meinung der beiden Kollegen arzneimittelinduzierte Angioödeme, z.B. unter ACE-Hemmern. Sie beruhen auf einer Bradykinin-Abbaustörung. Im Durchschnitt manifestiere sich diese Komplikation erstmals nach knapp dreijähriger ACE-Hemmer-Einnahme, erklärte Dr. Bas.

Bei Verdacht auf erbliche Störung C1-INH bestimmen

Die erbliche Manifestationsform HAE (hereditäres Angioödem) geht dagegen auf eine Bradykinin-Bildungsstörung zurück, die auf dem Mangel oder der Funktionsstörung des C1-Esterase-Inhibitors (C1-INH) basiert. Bei HAE-Verdacht sollten daher die Konzentration und die Aktivität von C1-INH bestimmt werden.

Für die Akuttherapie von erwachsenen HAE-Patienten mit C1-Esterase-Inhibitor-Mangel stehen Fertigspritzen zur subkutanen Applikation des Wirkstoffs Icatibant (Firazyr®) zur Verfügung. Die klinische Wirksamkeit dieses selektiven, kompetitiven Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonisten bei HAE-Patienten wurde in drei randomisierten Studien (FAST* 1–3) nachgewiesen. Nach Daten weiterer Untersuchungen** führt die Selbstinjektion des Wirkstoffs Icatibant zudem zu einer frühzeitigeren Therapie; die Dauer und die Schwere der Attacken nehmen dadurch ab.

* For Angioedema Subcutaneous Treatment
** Icatibant Outcome Survey (IOS)

Quelle: Satellitensymposium „Notfall akutes Angioödem: Der Auslöser bestimmt die Therapie“ beim Deutschen Interdisziplinären Notfallmedizin-Kongress, Veranstalter: Shire