26. Mai 2014 Welche Therapiestrategien gibt es dafür heute?

Modernes Management des Typ-1-Diabetes

Zwar kann der Typ-1-Diabetes in jeder Altersgruppe auftreten, doch zählt er zu den häufigsten chronischen Erkrankungen des Kindesalters. Sehr häufig manifestiert sich die Erkrankung bei 5- bis 7-Jährigen oder um die Pubertät herum; Jungen und Männer sind etwas häufiger betroffen als Mädchen und Frauen.

Seit Jahren nimmt die Häufigkeit des Typ-1-Diabetes weltweit zu, schreiben Professor Dr. Mark A. Atkinson von der University of Florida, Gainesville, und seine Kollegen. In Deutschland steigt die Inzidenz jährlich um 2,6 % an. Zahlreiche Umweltfaktoren sollen die Epidemiologie des Typ-1-Diabetes beeinflussen.

Bei den meisten Patienten mit Typ-1- Diabetes lassen sich Immunphänomene nachweisen. 70 bis 90 % der Patienten haben einen autoimmun bedingten Typ-1-Diabetes (Typ 1a), bei den übrigen liegt ein idiopathischer Typ-1-Diabetes unklarer Genese vor (Typ 1b).

Typ-1-Diabetes: 15% in Wirklichkeit Typ-2-Diabetiker

Vor allem bei Erwachsenen ist es manchmal schwierig, einen Typ-1- von einem Typ-2-Diabetes abzugrenzen. Die Autoren schätzen, dass etwa 5 bis 15 % der Erwachsenen mit der Diagnose „Diabetes mellitus Typ 2“ in Wirklichkeit einen Typ-1-Diabetes mit entsprechenden Autoantikörpern gegen Inselzellen haben.

Typ-1-Diabetiker benötigen eine lebenslange Insulintherapie, wobei die Stoffwechseleinstellung so erfolgen sollte, dass Komplikationen wie Hypoglykämie, kardiovaskuläre Erkrankungen, Retinopathie oder Neuropathie möglichst vermieden werden. Dazu gibt es verschiedene Strategien:

Bei der intensivierten Insulintherapie liefert ein lang wirksames Insulinanalogon den basalen Insulinbedarf, zusätzlich wird vor den Mahlzeiten je nach Menge der verzehrten Kohlenhydrate ein rasch wirksames Insulin gespritzt. Zunehmend genutzt wird die Insulinpumpentherapie (kontinuierliche subkutane Insulininfusion, CSII).

Pumpentherapie oder Einzelinjektionen

Studien mit erwachsenen Patienten zeigen, dass die HbA1c-Werte unter Pumpentherapie bei vergleichbarem Hypoglykämierisiko niedriger liegen als bei mehrfacher täglicher Insulininjektion. Außerdem erreichen mehr Patienten das HbA1c-Ziel.

Ob die Insulinpumpentherapie bei Typ-1- Diabetes insgesamt besser ist als die Applikation von mehreren Insulininjektionen täglich, wird dennoch kontrovers diskutiert. Dazu durchgeführte Studien kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Verbesserte Insulinpräparate und -applikationssysteme tragen zu einer effektiveren glykämischen Kontrolle bei und reduzieren die Hypoglykämiegefahr. Ein weiterer Fortschritt in der Diabetestherapie sind patientennahe Labormethoden wie Point-of-care-Tests zur HbA1c-Messung, Blutzucker-Selbstmessung durch den Patienten und das kontinuierliche Glukosemonitoring. Durch kontinuierliche Glukosemessung können Hypoglykämiezeiten verkürzt und die HbA1c-Werte effektiver gesenkt werden.

Studien zeigen zudem, dass sich nächtliche Hypoglykämien bei Kindern und Jugendlichen durch kontinuierliches Glukosemonitoring eher vermeiden lassen als durch Blutzucker-Selbstmessung. Auch die kontinuierliche Glukosemessung wird in der Diabetestherapie zunehmend genutzt.

Inkretinmimetika gegen postprandialen Blutzuckeranstieg 

Derzeit arbeiten Entwickler an einem „künstlichen Pankreas“ – einer Kombination aus einer weitgehend patientenunabhängigen computergesteuerten Insulinpumpe und einem Glukosesensor, der kontinuierlich den Blutzucker misst. Die bisher getesteten Systeme lieferten positive Ergebnisse.

Aktuell ebenfalls geprüft wird, ob sich die Therapie des Typ-1-Dia­betes durch neue Substanzen und Hormone verbessern lässt. Eine auch für Typ-1-Diabetiker potenziell interessante Substanzklasse sind GLP-1- Agonisten, denn Studien ergaben, dass diese Inkretinmimetika den postprandialen Blutzuckeranstieg um 45 % senken – unabhängig von einer möglichen residuellen Betazellfunktion.

Pramlintid senkt Gewicht, HbA1c und Insulinbedarf

Das Hormon Pramlintid senkt nachweislich die postprandiale Hyperglykämie, die HbA1c-Werte, das Körpergewicht und den Insulinbedarf. Darüber hinaus reduziert Pramlintid die postprandiale Gluk­agonsekretion und verzögert die Magenentleerung. Auch Leptin, das Fettzellen-Hormon, ist möglicherweise für die Therapie des Typ-1- Diabetes interessant, da es durch die Suppression der Hyperglukagon­ämie zum Ausgleich kataboler Stoffwechselsituationen beitragen kann. Bei allem Optimismus bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese Substanzen in Langzeitstudien als sicher erweisen.

Immuninterventionen bei Typ-1-Diabetes?

  • Im Gegensatz zum Typ-2-Diabetes weisen die meisten Patienten mit Typ-1-Diabetes Autoantikörper gegen Betazellen auf. Oft sind diese Autoantikörper schon Monate bis Jahre vor der klinischen Manifestation des Typ-1-Diabetes nachweisbar und signalisieren dann ein erhöhtes Erkrankungsrisiko.
  • Möglicherweise könnte es mithilfe bestimmter Immuninterventionen gelingen, die Zerstörung der Betazellen zu unterbinden bzw. die Betazellfunktion zu erhalten. Dies wird in aktuellen Studien untersucht.

Quelle: Mark A. Atkinson et al., Lancet 2014; 383: 69-82