15. Apr. 2014

Weltgesundheitstag: Im Kampf gegen vektorübertragene Erkrankungen

BASEL – Mit dem Weltgesundheitstag am 7. April weist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich auf ein Gesundheitsthema von globaler Relevanz hin: 2014 stehen vektorübertragene Erkrankungen im Fokus der weltweiten Aktivitäten. Medical Tribune hat Experten zu diesem Thema befragt.

Insbesondere in tropischen Gebieten stellen vektorübertragene Krankheiten ein bedeutendes Public Health Problem dar. Schätzungen gehen davon aus, dass in Afrika im Jahr 2010 etwa 660 000 Todesfälle auf Malaria zurückzuführen waren. Faktoren wie die fortschreitende Globalisierung, internationaler Tourismus sowie der Klimawandel nehmen Einfluss auf eine entsprechende Verbreitung und sorgen dafür, dass diese weltweit an Bedeutung gewinnt. Viele bisher vorgegebene Themen widmeten sich den teilweise dramatischen gesundheitlichen Verhältnissen in Entwicklungsländern. Hiermit war auch der Appell an die Industrieländer verbunden, den ärmeren Gebieten in personeller und finanzieller Hinsicht tatkräftig unter die Arme zu greifen. Mit dem diesjährigen Weltgesundheitstag, der 1948 gegründet wurde, thematisiert die WHO einige der bekanntesten Vektoren wie Zecken oder Stechmücken. Ziel dabei ist es, besagtes Gesundheitsproblem ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit zu rücken. Ein Einschleppen lebensbedrohender und hochansteckender Infektionskrankheiten ist nicht nur durch den Menschen selbst, sondern vor allem auch durch tierische Primärwirte möglich.
Die asiatische Tigermücke beispielsweise, die aufgrund der Klimaverschiebung häufiger entlang der Nord-Süd-Achse entdeckt wird und vorwiegend durch den globalisierten Handel mit Altreifen und Glücksbambus aus Südostasien in die USA, nach Lateinamerika, Afrika und Europa gelangt, beschäftigt seit einiger Zeit insbesondere das Tessin. Noch ist die weitere Entwicklung unklar. «Die Angst vor einer landesweiten Verbreitung scheint mir derzeit übertrieben. Vor allem die Medien stürzen sich auf den gefährlich klingenden Namen und schüchtern die Bevölkerung ein», sagt Professor Dr. Hansjakob Furrer, Chefarzt a. I., Universitätsklinik für Infektiologie am Inselspital Bern.

Zeckenprophylaxe im Fokus
Weitaus mehr zu denken geben ihm die zeckenübertragenen Krankheiten in der Schweiz, die tendenziell zunehmen. Vor allem in Bezug auf die Lyme-Borreliose führe man nach wie vor zu viele Befindlichkeitsstörungen wie Depressionen und Müdigkeit auf besagte Infektionskrankheit zurück. Die grosse Herausforderung besteht demnach darin, wissenschaftlich stringent zu bleiben. Dr. Norbert Satz, Facharzt für Innere Medizin und Spezialist für Zeckenerkrankungen in Zürich, diagnostiziert zahlreiche Borreliose-Fälle, kann jedoch trotz Häufigkeit keine komplexere Diagnosestellung bestätigen. Vielmehr beobachtet er eine allgemeine Verunsicherung, was die zahlreichen ungeprüften Therapieschemen betrifft. «Das führt auch dazu, dass Antibiotikatherapien in diversen Variationen durchgeführt werden, deren Nutzen mehr als fraglich ist. Nicht selten stehen auch Hausärzte diesbezüglich vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe – auch aufgrund der nichtschulmedizinischen Kreise, die allzu oft Verwirrung stiften.» Dr. Satz würde sich noch mehr Gespräche mit Hausärzten wünschen sowie eine gegenseitige Rücksprache, nicht zuletzt auch deshalb, weil viele mutmassliche Borreliose-Patienten in der Vergangenheit bereits über Monate hinweg Antibiotika eingenommen haben und demzufolge ein ausreichender Dialog Licht ins Dunkel bringen würde. Klinische Befunde und Symptome mit den Laborbefunden in Übereinstimmung zu bringen, wird hin und wieder zur Knacknuss. Dass überdies vermehrte Massnahmen gegen Zecken-Risiken gewünscht werden, zeigt auch die kürzlich eingereichte Interpellation von CVP-Nationalrätin Kathy Riklin. Daraus lässt sich schliessen, dass die Bevölkerung noch immer ungenügend sensibilisiert ist, was Infektionskrankheiten betrifft. Hinzu kommt: Nicht wenige Bürgerinnen und Bürger stehen FSME-Impfungen nach wie vor eher skeptisch gegenüber und befürchten unerwünschte Nebenwirkungen, die mittlerweile jedoch als gering eingestuft werden.

Mediziner sind in der Verantwortung
«Wir Ärzte müssen viel Überzeugungsarbeit leisten, und deshalb wünschte ich mir ein grösseres Engagement seitens der öffentlichen Hand. Die Österreicher zeigen sich in dieser Hinsicht weitaus sicherheitsbewusster, indem sie punkto Zecken Tafeln im Wald aufstellen und in Form von Plakaten für genügend Aufklärung sorgen», so Dr. Danielle Gyurech, Reisemedizinerin an der Travel Clinic Zürich. Ob es hingegen sinnvoll ist, nicht zeckengeimpften Schulkindern die Teilnahme am Klassenlager zu verbieten, ist fraglich. Noch hält sich unser Land in dieser Hinsicht zurück und schliesst eine Bevormundung nach österreichischem Vorbild aus. Ob mit oder ohne Bundesmassnahmen: Laut der Reisemedizinerin muss auch künftig viel Zeit in die Prävention investiert werden. In diesem Jahr sei das Dengue-Fieber in ihrer Praxis zudem öfter diagnostiziert worden, was auch damit zu tun habe, dass verschiedene Virustypen in Drittweltländern kursieren würden. «Allerdings registriere ich deutliche Standardverbesserungen im Bereich der Hotellerie in den jeweiligen Gastländern.» Die vektorübertragenen Krankheiten in Afrika und in den tropischen Gebieten sind zweifelsohne auch hierzulande von erheblicher Relevanz. Schätzungsweise eine Million Schweizerinnen und Schweizer peilen pro Jahr ein solches Reiseziel an, und deshalb sind eine reisemedizinische Beratung sowie entsprechende Vorsichtsmassnahmen mit der dazugehörigen Impfung, Prophylaxe oder Notfalltherapie von entscheidender Bedeutung. «In der Schweiz trifft sich die Expertengruppe für Reisemedizin in regelmässigen Abständen, um die epidemiologische Situation eingehend zu analysieren und einheitliche Empfehlungen zu publizieren. Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, weshalb das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die daraus resultierende Webseite www.safetravel.ch, die mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat, nicht angemessen unterstützt. Der damit verbundene Nutzen wird offensichtlich unterschätzt», bemerkte Prof. Furrer.

Fragwürdige  Kompetenzzentren
Ein weiterer Diskussionspunkt ist, ob der Weltgesundheitstag tatsächlich dazu beitragen kann, die Bevölkerung zu sensibilisieren. Dr. Gyurech: «Die vektorübertragenen Krankheiten können nur kontrolliert werden, wenn man sie auch sachgerecht bekämpfen kann. Zahlreiche Hausärzte kennen sich in diesem Bereich gut aus, doch manchmal scheinen gewisse Hemmungen zu bestehen, Verdachtspatienten an Spezialisten zu verweisen.» Die Fachärztin unterstützt die Aussage ihres Berufskollegen Dr. Satz und erklärt die Zurückhaltung mancher Grundversorger darin, dass diese oft die Meinung vertreten, so viele Dienstleistungen wie möglich erbringen zu müssen. In Europa wurde die Einschleppungsgefahr sowie die Kontrolle von lebensbedrohenden Infektionskrankheiten umfassend diskutiert mit dem Ziel, die Patienten, die mit Erregern infiziert worden sind, noch effizienter zu versorgen. «Wir verfügen in der Schweiz bereits über solide medizinische Einrichtungen. Aber zahlreiche Anbieter versuchen, sich im Markt zu positionieren. Künftig wird es darum gehen, bestehende Strukturen weiterhin zu stärken», so Prof. Furrer. Unabhängig davon wird sich die Epidemiologie aufgrund der Klimaveränderungen und der zunehmenden Reisetätigkeit weiter verändern.  Medizinerinnen und Mediziner werden auch in dieser Hinsicht mehr denn je gefordert sein.

 Nathalie Zeindler