Phenprocoumon plus Antibiotikum? Achtung Interaktionen!
Vitamin-K-Antagonisten interagieren mit einer Vielzahl anderer Arzneimittel. So können laut Fachinformation z.B. Azathioprin, Metformin und Johanniskraut-Präparate den gerinnungshemmenden Effekt von Phenprocoumon abschwächen. Andere Pharmaka, darunter bestimmte NSAR, Fibrate, Trizyklika und Antibiotika, sind in der Lage, die Wirkung des Cumarins zu verstärken.
Doch wie riskant ist die Komedikation mit Antiinfektiva wirklich? Eine Arbeitsgruppe um den Epidemiologen Dr. Sascha Abbas von der Universität Köln hat dies nun untersucht.1 Basis ihrer Analyse waren die Daten von 513 338 mit Phenprocoumon behandelten AOK-Versicherten. 13 785 von ihnen hatten Blutungen erlitten. Die Daten von 55 140 „gematchten“ Patienten wurden zum Vergleich herangezogen.
Unter Antibiotika engmaschig die INR-Werte überwachen
Nach Berechnung der Wissenschaftler ist das Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Therapie mit Phenprocoumon und Antibiotika knapp 2,4-fach erhöht. Dabei treten häufiger gastrointestinale als zerebrale Blutungen auf (Odds Ratio 2,09 vs. 1,34). Für andere bzw. unspezifische Hämorrhagien wurde eine OR von 2,92 ermittelt.
Einige Antibiotika bzw. Substanzklassen steigerten die Blutungsgefahr besonders stark, darunter Cotrimoxazol (3,86-fach) und Fluorchinolone (3,13-fach). In der letztgenannten Substanzgruppe nimmt Ofloxacin nach dem Resultat der Kohortenstudie mit einem fünffach erhöhten Blutungsrisiko den Spitzenplatz ein.
Die Autoren raten, die entsprechenden Antibiotika bei Patienten, die mit Phenprocoumon behandelt werden, nur nach sorgfältiger Überlegung einzusetzen und ggf. engmaschig die INR-Werte zu überwachen.
In einer ähnlichen Studie untersuchte eine amerikanische Krankenversicherung retrospektiv Antibiotika-Interaktionen mit Warfarin.2 Dabei zeigte sich, dass Patienten, die diesen Vitamin-K-
Antagonisten er-
hielten, bei einer gleichzeitigen Therapie mit Antibiotika ein 2,46-fach erhöhtes Risiko für INR-Werte ≥ 5 aufwiesen.
Infekt-Patienten essen zu wenig Vitamin K
Überraschenderweise war dieses Risiko auch bei Patienten mit oberem Atemwegsinfekt, die keine Antibiotika erhielten, verdoppelt. Möglicherweise, so die Studienautoren, essen akut Atemwegskranke weniger und damit auch weniger Vitamin-K-
reiche Lebensmittel. Auch gebe es evtl. Wechselwirkungen mit frei verkäuflichen Erkältungsmitteln, die Betroffene gleichzeitig einnehmen.
Schließlich könne die INR-Erhöhung vielleicht auch darauf zurückzuführen sein, dass bei Fieber vermehrt Gerinnungsfaktoren abgebaut werden. Patienten mit einer Körpertemperatur über 38 °C hätten jedenfalls doppelt so oft einen INR-Wert ≥ 5 gezeigt wie solche mit geringerer Temperatur.
Quelle:
1. Sascha Abbas et.al., Thromb Haemost 2014; 111: online first;
2. Nathan P. Clark et al., JAMA Intern Med 2014; online first