Was Gerinnungstests unter NOAK-Therapie besagen
Natürlich braucht man eine NOAK-Therapie nicht zu monitoren. Dies gilt ja neben der oralen Einnahme in Fixdosis und den verringerten Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten als einer der wesentlichen Vorteile gegenüber der herkömmlichen Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten.
Dennoch gibt es Situationen, in denen man auch bei Patienten unter Apixaban-, Dabigatran– oder Rivaroxaban-Einnahme gern genau wüsste, was „im Gerinnungshaushalt Sache ist“, etwa:
- vor Notfall-Operationen
- bei Blutungen und Unklarkeiten über die stattgehabte Einnahme des Antikoagulans
- bei Verdacht auf versehentliche oder suizidal intendierte Überdosierung
- bei Verdacht auf Akkumulation im Rahmen einer Niereninsuffizienz oder
- bei schwerer Krankheit/Multimedikation
Da die Wirkstoffspiegel der neuen Antikoagulanzien große interindividuelle Unterschiede zeigen, nehmen sie auch in unterschiedlicher Weise Einfluss auf übliche Gerinnungstests. Darüber hinaus können die Gerinnungstests je nach Labor erheblich voneinander abweichen, erklären Professor Dr. Dr. Walter A. Wuillemin vom Luzerner Kantonsspital und Kollegen.1
Aus unter NOAK ermittelten Laborwerten darf man nicht die gleichen Schlüsse auf die Gerinnungssituation ziehen, wie man es gewohnt ist, warnen die Experten: Schon ein leicht erniedrigter Quick-Wert kann z.B. auf eine deutlich erhöhte Blutungsneigung hinweisen! Zu den Tests im Einzelnen:
Thromboplastinzeit
Die Thromboplastinzeit – auch Quick-Test genannt – erfasst die extrinsische Gerinnungskaskade (Faktoren VII, X, V, II, s. Schema). Sie wird von den Faktor-Xa-Hemmern (aktuell verfügbar Apixaban und Rivaroxaban) deutlich beeinflusst.
In einer Studie senkte Rivaroxaban den ca. 2–3 Stunden nach Einnahme gemessenen Quickprozentwert um 20–30 %. Zwölf Stunden nach einmaliger Einnahme fand sich allerdings kein relevanter Effekt mehr auf den Test. Dabigatran als direkter Thrombinhemmer hat ebenfalls Einfluss und kann im Spitzenspiegelbereich die INR über 2 anheben, informieren die Kollegen.
Quick-Wert eignet sich nicht zum Monitoring von NOAK
Konsequenz für die Praxis: Mäßig bis moderat veränderte Werte der Thromboplastinzeit wenige Stunden nach NOAK-Einnahme müssen keine Abklärung nach sich ziehen. Bei auffälligen Werten nach längerem Intervall bzw. bei extremer Abweichung muss man aber nach weiteren Einflussfaktoren forschen: Hat der Patient versehentlich Vitamin-K- Antagonisten dazugenommen? Liegen Hemmkörper vor? Herrscht Vitamin-K-Mangel?
Hinzu kommen laborspezifische Faktoren: „Quickwerte unter NOAK hängen stark vom eingesetzten Quickreagenz ab, jedes Labor sollte den entsprechenden Einfluss kennen“, fordern die Experten. Quick und INR, betonen sie, eignen sich nur zum Monitoring von Vitamin-K-Antagonisten, nicht von NOAK.
Aktivierte partielle Thromboplastinzeit
Die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) fragt die intrinsische Gerinnungskaskade ab (XII, XI, IX, VII, X, V, II). Faktor-Xa-Hemmer verlängern die aPTT. Eine Einmaldosis von 20 mg Rivaroxaban steigert sie 1,5- bis 1,8-fach, nach zwölf Stunden besteht kein Effekt mehr. Dabigatran als direkter Thrombinhemmer übt einen stärkeren Einfluss aus. Nehmen Patienten 2 x 150 mg, verlängert dies die aPTT etwa zweifach, zwölf Stunden nach der letzten Einnahme resultiert immer noch eine 1,5-fache Verlängerung.
Auffällige aPTT durch Überdosierung
Eine auffällige aPTT kann auf eine Überdosierung bzw. Akkumulation von NOAK hinweisen. Allerdings darf auch die aPTT nicht als Kontrollparameter für NOAK-Effekte genutzt werden und bei einer Verlängerung muss man differenzialdiagnostisch andere Ursachen erwägen.
Thrombinzeit
Die Thrombinzeit (TZ) wird von Faktor-Xa-Inhibitoren nicht beeinflusst. Der Thrombininhibitor Dabigatran verlängert die TZ dagegen dosisabhängig linear. Daher schließt ein normaler Wert die Anwesenheit von Dabigatran im Wesentlichen aus. Die TZ eignet sich zur Bestimmung von Dabigatran-Wirkstoffspiegeln.
Fibrinogen
Fibrinogen wird ebenfalls durch Faktor-Xa-Inhibitoren nicht verändert. Der Einfluss von Dabigatran kann dagegen falsch niedrige Fibrinogenwerte vortäuschen, das sollte in jedem Labor bekannt sein, schreiben die Kollegen. Niedrige Fibrinogenspiegel unter Dabigatran gilt es nach zwölfstündiger Einnahmepause zu kontrollieren.
Anti-Faktor Xa
Der Test mit Anti-Faktor Xa lässt sich direkt zur Messung der Plasmakonzentration von Apixaban und Rivaroxaban heranziehen. Da der Test für jedes Medikament angepasst werden muss, hat der Kollege, der die Messung beauftragt, genau anzugeben, welches Medikament (Apixaban, Rivaroxaban, Fondaparinux) sein Patient einnimmt.
Weitere Tests
Eine wichtige Botschaft betrifft den D-Dimer-Test: Ihn beeinflusst keiner der drei bislang verfügbaren NOAK. Sehr wohl dagegen können andere Laboruntersuchungen verfälscht werden. So ermittelt man mit dem Lupus-Antikoagulans-Test, der zirkulierende Antiphospholipid-Antikörper misst, sowohl unter Xa-Hemmern als auch unter Dabigatran eventuell falsch positive Werte. Auch koagulometrische Tests der Protein-C- und Protein-S-Aktivität werden unter NOAK-Einnahme als zu hoch bewertet.
Quelle:
1. L. Simeon et al., Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 94-98