Radionuklid i.v. gegen Prostatakrebs
Um Missverständnisse gleich vorweg auszuräumen, die Rede ist nicht von dem zerstörerischen Radium-226, welches Madame Curie das Leben kostete. Die kurzlebige, radioaktive Variante des Erdalkali-Metalls Radium-223 ist es, in die Onkologen große Hoffnungen setzen.
Radium-223 wird sich als Standardtherapie für Patienten mit Prostatakarzinom und Knochenmetastasen etablieren, prophezeit Professor Dr. Norbert Frickhofen von der Klinik Innere Medizin III der Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. Die Behandlung mit dem Radionuklid verlängert die Überlebenszeit signifikant, wie Daten aktueller Untersuchungen belegen.1
Prinzipiell steht bei Knochenmetastasen die systematische antineoplastische Behandlung an erster Stelle. Zur symptomatischen Therapie gegen Schmerzen, pathologische Frakturen und Knochenmarkinsuffizienz wurden bislang eingesetzt:
• Bestrahlung von Filiae
• operative Stabilisierung von Frakturen
• Hemmung des Knochenumbaus (Bisphosphonate, Denosumab)
Hinzu kommt jetzt die Radionuklid-Therapie. Diese ist nicht ganz neu, informierte Prof. Frickhofen, seit Langem setzt man schon Betastrahler wie beispielsweise Strontium-89 ein. Erstmals wurde aber jetzt in einer Studie ein Alphastrahler mit sehr kurzer Reichweite untersucht. Es handelt sich um Radium-223, das als Kalzimimetikum nach Applikation in neu entstehenden Knochen eingebaut wird.
Kurze Halbwertszeit, keine Schäden am Nachbargewebe
Aufgrund des geringen Wirkradius des Alphastrahlers (< 100 µm) erleidet das Nachbargewebe keine Schäden und die kurze Halbwertszeit (11,4 Tage gegenüber 1602 Jahren bei Marie Curies Radium-226) gewährleistet einen einfachen Umgang mit dem Medikament, erklärte der Referent.
Der Patient erhält sechsmal eine ambulante Injektion im Abstand von je vier Wochen, Strahlenschutzmaßnahmen muss er nicht einhalten. Das Radionuklid zerfällt in ungefährliche Produkte und die Ausscheidung erfolgt durch den Darm.
Studienabbruch wegen Überlebensvorteil
In die doppelblinde, randomisierte Phase-III-Studie ALSYMPCA (Alpharadin in Symptomatic Prostate Cancer Patients) wurden 921 Patienten mit kastrationsresistentem, symptomatischem Prostatakarzinom und Knochenmetastasen aufgenommen. Sie erhielten das radioaktive Nuklid Radium-223 (50 kBq/kg i.v.) oder Placebo. Der primäre Endpunkt hieß Überlebenszeit.
Nach der ersten Zwischenanalyse der klinischen Outcomes wurde die Studie vorzeitig beendet, da die Patienten im Radium-223-Arm erkennbar im Vorteil waren.
Weniger Frakturen, mehr Lebensqualität
Das mediane Gesamtüberleben betrug 11,3 Monate in der Placebogruppe und 14,9 Monate in der Verumgruppe, der Benefit betraf alle Subgruppen. So spielte es z.B. keine Rolle, ob die Patienten mit Docetaxel und Bisphosphonaten vorbehandelt waren. Die eindeutigen Vorteile erstreckten sich auch auf sekundäre Endpunkte wie die Parameter „Zeit bis zum Auftreten symptomatischer Frakturen“ oder „Lebensqualität“.
Der Anstieg der alkalischen Phosphatase wurde gebremst und die Zeit bis zum PSA-Progress verlängert. Im Hinblick auf Knochenmarktoxizität oder Radium-223-spezifische Nebenwirkungen ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen, berichtete der Onkologe.
Diese Resultate bedeuten einen erheblichen Fortschritt in der Behandlung von Patienten mit Prostatakarzinom und Knochenmetastasen, resümierte Prof. Frickhofen. Die gut verträgliche neue Therapieoption soll nun auch in weiteren Studien bei anderen Tumorerkrankungen sowie in Kombination mit Chemo- und Hormon-Therapie getestet werden.
1. Christopher Parker et al., N Engl J Med 2013; 369: 213-223
Quelle: DGIM-Internisten-Update-Seminar, Wiesbaden, 2013