18. Jan. 2014Koronarer Herzkrankheit

Leitlinie stabile KHK endlich aktualisiert

Überdiagnostik und Übertherapie bei koronarer Herzkrankheit (KHK), so heißt ein aktuelles Problem. Zu viele Patienten erhalten Stents, obwohl nicht einmal 10 % ihres Myo­kards unter Ischämie leiden.

Arzt hält ein rotes Herz aus Filz in der Hand

Wildwuchs in Sachen Diagnostik eindämmen

Zwar benötigt jeder Patient mit stabiler koronarer Herzerkrankung eine medikamentöse Therapie, aber nicht unbedingt eine Intervention, erläuterte Professor Dr. Stephan Achenbach von der Universitätsklinik Erlangen.Wie aktuelle Daten belegen, sind PCI und Stenting nur dann sinnvoll, wenn die Mangeldurchblutung > 10 % des Herzmuskels betrifft.

Um Übertherapie bei weniger ausgeprägter, stabiler KHK zu vermeiden, muss man den „Wildwuchs“ auch bei der Diagnostik stoppen. Dem tragen die ESC-Experten Rechnung, indem sie mehr Gewicht auf die Prätestwahrscheinlichkeit legen. Abhängig von Alter und Symptomatik lässt sich jedem Angina-pectoris-Patienten eine klinische KHK-Wahrscheinlichkeit zuordnen.

Mittlere Wahrscheinlichkeit bedeutet: weiterforschen!

Ermittelt man eine besonders hohe oder niedrige KHK-Wahrscheinlichkeit, beeinflusst dies das weitere dia-gnostische Vorgehen erheblich. Bei einem Wert < 15 % darf man den Patienten guten Gewissens in Ruhe lassen, bei > 85 % muss man dagegen direkt die medikamentöse Therapie einleiten.

In den übrigen Fällen – mit einer KHK-Wahrscheinlichkeit von 15 bis 85 % – muss man weiterforschen. Um das Ausmaß der Myo­kardischämie genauer zu erfassen, bedarf es abgestufter Diagnostik:

  • Ruhe-EKG,
  • Echokardiographie,
  • Belastungs-EKG,
  • bildgebende Stresstests (z.B. mit Echo, MRT, SPECT) zur funktionellen Ischämiediagnostik,
  • Koronar-CT zur anatomischen Diagnostik und
  • bei entsprechenden Befunden die Koronarangiographie.

Je nach Resultat dieser Untersuchungen überspringt man u.U. einzelne Verfahren. Weist ein Patient im Echo eine reduzierte Ejektionsfrak­tion < 50 % zusammen mit typischer Angina auf, kann man direkt die Koronarangiographie anbieten.

Allgemein hat jedoch die nicht invasive Diagnostik Vorrang. Schon das Belastungs-EKG erlaubt prognostische Aussagen. Bei hochpathologischem Ischämiebefund beträgt die kardiovaskuläre Mortalität mehr als 3 %/Jahr. Auch andere bildgebende Stresstests (Echo, Kernspin, SPECT, PET) liefern wichtige Informationen. Betreffen die Ischämiezonen > 10 % des Myokards, trägt der Patient ein sehr hohes Risiko.

Kardio-CT: Indikation berücksichtigt patientenspezifische Faktoren

Eine weitere wichtige Neuerung der Leitlinie: Man berücksichtigt patientenspezifische Faktoren wesentlich stärker als zuvor. Die Empfehlung zur nicht invasiven Koronardarstellung per Kardio-CT bei „niedrig-mittlerer“ Prätestwahrscheinlichkeit (15–50 %) beschränkt sich z.B. auf geeignete Kandidaten, die weder adipös sind, noch Arrhythmien aufweisen.

Was Stresstests angeht, so hat bei einer Ejektionsfraktion ≥ 50 % und Prätestwahrscheinlichkeit von 15–65 % das Belastungs-EKG Vorfahrt – es sei denn, der Patient kann nicht strampeln oder weist EKG-Veränderungen auf, die das Auswerten der Belastungs-Kurven unmöglich machen (z.B. Schenkelblock).

Patienten mit einer KHK-Wahrscheinlichkeit von 66–85 % oder mit einer LVEF < 50 % ohne typische Angina sollen dagegen möglichst gleich mit Echo, Kernspin, PET oder SPECT untersucht werden.

Medikamentöse Therapie bei niedrigem Herzinfarktrisiko

Steht die KHK-Diagnose fest, gilt es, die individuell passende Therapie­entscheidung in Abhängigkeit vom prognostischen Risiko zu treffen. Bei eher niedrigem Risiko für einen Herzinfarkt in der nahen Zukunft folgt die optimale medikamentöse Therapie.

Um unnötige Invasivdiagnostik bei Patienten mit uneindeutigem Belastungs-EKG zu umgehen, kann man evtl. das Koronar-CT zu Rate ziehen. Bei Patienten mit einer Prätestwahrscheinlichkeit > 85 % und sehr schwerer Symptomatik folgt dagegen gleich der Herzkatheter.

Auch wenn eine Angina pectoris konservativ nicht zu beherrschen ist, raten die Experten zur angiographischen Diagnostik – womöglich mit Dilatation und Stent. Für diese Maßnahmen sprechen neben der Ischämie-Zone über 10 % das hochpathologische Belastungs-EKG und ein KHK-Mortalitätsrisiko > 3 % im nächsten Jahr.

KHK-Patienten nach sechs Monaten zur Kontrolle!

Nach Einleitung einer Pharmakotherapie sollen sich KHK-Patienten spätestens nach vier bis sechs Monaten zur Kontrolle vorstellen. Zudem soll der Hausarzt dafür sorgen, dass „im Normalfall“ einmal pro Jahr ein Ruhe-EKG angefertigt wird. Ändert die Angina pectoris den Charakter oder lässt sich ein Crescendo-Muster erkennen, muss man die Diagnostik neu aufziehen.

Nicht zuletzt gab es auch terminologische Neuerungen: Berücksichtigt in den neuen KHK-Leitlinien werden seit 2013 auch Patienten mit Brustschmerzen ohne angiographisch fassbare Stenosen, sprich mikrovaskuläre und vasospastische Anginaformen, da diese die Patienten erwiesenermaßen durch ernst zu nehmende Ischämien bedrohen können. Mit Provokationstests wird der angiographische Beweis erbracht. Therapeutisch sieht die Leitlinie klare, abgestufte Behandlungskonzepte vor.

Quelle: ESC-Kongress 2013 in Amsterdam

Guidelines im Detail unter: www.escardio.org/guidelines