Muskel verletzt? Rasch wieder zum Sport
Der Tennis- oder Fußballspieler kommt in Ihre Praxis gehumpelt. Nun müssen Sie zunächst den genauen Verletzungsablauf erfragen – meist handelt es sich um eine exzentrische Krafteinwirkung. Um eine funktionelle Störung von einer strukturellen Verletzung abzugrenzen, müssen die Gliedmaßen anschließend sorgfältig untersucht werden.
Meist klassifiziert man klinisch in drei Schweregrade, schreiben Dr. Frieder Mauch und Kollegen von der Sportklinik Stuttgart. Bei einer Grad-I-Verletzung besteht nur ein geringer struktureller Schaden mit wenig Schwellung, Schmerz und Kraftverlust. Die Bewegungseinschränkung hält sich ebenfalls in Grenzen.
Differentialdiagnosen durch MRT klären
Ein größerer Stukturschaden nach mittelschwerer Grad-II-Verletzung führt zu deutlichem Funktionsverlust. Die komplette Ruptur wird schließlich als Grad-III-Verletzung klassifiziert. Da sich diese Zuordnungen nicht rein klinisch treffen lassen, empfehlen die Sportmediziner als nächsten diagnostischen Schritt eine Sonographie.
Noch exakter lässt sich das Ausmaß der Verletzung per MRT abbilden mit genauer Darstellung von Ödem und Strukturschaden. Auch Differenzialdiagnosen (Stressfraktur, Labrumverletzung) können per MRT geklärt werden.
Die konservative Therapie orientiert sich an den verschiedenen Phasen des Muskelheilungsprozesses (s. Kasten). In der Akutphase wird der verletzte Muskel – eventuell unter Verwendung von Gehhilfen – entlastet, damit sich eine erste Narbe in der entstandenen Lücke bilden kann.
Vorsichtige Massagen und lokale Infiltrationen (z.B. mit Lokalanästhetika) können hilfreich sein. NSAR werden allenfalls kurzzeitig gegeben.
Verletzung im Zeitverlauf
- Verletzungsphase: Erster bis fünfter Tag nach der Ruptur von Muskelzellen, Hämatomausbildung, entzündliche Reaktion.
- Reparationsphase: 5.–14. Tag, Phagozytose, Beginn der Ausbildung von Narbengewebe und Regeneration der Muskelzellen.
- Remodeling-Phase: 14.–21. Tag, Narbenbildung, komplette Regeneration, Erreichen der funktionellen Leistungsfähigkeit.
Rest, Ice, Compression, Evaluation bei Freizeitsportlern
In vielen Fällen, insbesondere bei Freizeitsportlern, reicht den Experten zufolge ein konservatives Vorgehen nach dem RICE-Prinzip aus. Die vier Maßnahmen umfassen: Rest, Ice, Compression, Evaluation. So lassen sich Schmerz, Hämatom und Entzündung reduzieren.
Mit Eis kühlen sollte der Patient jeweils für 15 bis 20 Minuten, dazwischen sollten 30- bis 60-minütige Pausen liegen. Empfohlen werden oft auch Tauchbäder – ohne Bewegung bei einer Wassertemperatur von 25 °C, zweimal am Tag für je zehn Minuten. Den Effekt erklärt man sich durch den hydrostatischen Druck.
Weitere passive Maßnahmen umfassen unter anderem Elektrotherapie, Iontophorese und Lymphdrainage. Krankengymnastik sollte nach dem PNF-Prinzip (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) erfolgen, raten die Autoren.
Nach drei Tagen nicht besser: Schweregrad überprüfen
Falls sich die Beschwerden nach drei bis fünf Tagen nicht deutlich gebessert haben, muss eine sog. Reevaluation der Verletzungsschwere erfolgen. Gegebenenfalls ist während der Regenerationsphase ein aktiveres Konzept vonnöten, u.a. mit isometrischen (submaximalen) Übungen unterhalb der Schmerzgrenze, Fahrradfahren und Aquajogging.
Angestrebt wird das Zurückgewinnen der Kraft, was sich z.B. bei Hamstringverletzung (hintere Oberschenkelmuskulatur) in Bauchlage und 15 ° Beugung im Kniegelenk im Seitenvergleich leicht prüfen lässt. Funktionelle Dehnübungen und PNF-Therapie zielen darauf ab, die Flexibilität der betroffenen Muskulatur wiederherzustellen.
In der funktionalen Phase – am Beispiel Hamstring erläutert – heißen die Ziele unter anderem optimale Länge des Muskels und Beinsymmetrie erreichen, Rumpftorsionsfähigkeit verbessern. Exzentrisches Krafttraining hilft dabei, die optimale Länge des Muskels zu erzielen – so entfaltet er die meiste Kraft.
Nach vorsichtigem Laufbandtraining und Koordinationsschulung darf der Sportler wieder auf den Rasen/Platz und sich peu à peu ins Training wieder eingliedern.
Konzentrierte Thrombozyten für die Regeneration
Zunehmend häufig wird die Infiltration mit autologem Platelet-Rich-Plasma (PRP) eingesetzt, das seit 2011 nicht mehr als Doping gilt. Die hoch konzentrierten Thrombozyten-Seren sollen die Muskelregeneration beschleunigen. Randomisierte prospektive Studien gibt es dazu allerdings noch nicht.
Gleiches gilt den Autoren zufolge für die Infiltrationstherapie nach Müller-Wohlfahrt mit einer Kombination aus Lokalanästhetikum, Actovegin und Traumeel S. Nur sehr selten muss bei Muskelverletzungen operiert werden.
Als Indikation gilt z.B. die komplette/subtotale Ruptur oder ein sehr ausgedehntes Hämatom. Auch wenn sich nach großer Blutung eine schmerzhafte Myositis ossificans entwickelt hat, muss der Chirurg ans Werk.
Quelle: Frieder Mauch et al., Unfallchirurg 2013; 116: 488–496