Häufig Ketoazidose: Ess-Störung suchen!
Essstörungen sind bei jungen Frauen ohnehin weit verbreitet, treten bei jungen Typ-1-Diabetikerinnen aber noch einmal häufiger auf, berichtete Professor Dr. Ricardo V. García-Mayor aus dem spanischen Vigo. „Die Diagnose Typ-1-Diabetes ist eine schwierige Erfahrung. Wenn es nicht gelingt, sie gut zu verarbeiten, besteht ein erhöhtes Risiko für psychische Probleme.“
Langfristig drohen Gefäßschäden
Mit der Diagnose sei eine Reihe von Ernährungseinschränkungen verbunden, außerdem nähmen die Betroffenen mit Beginn der Insulintherapie meist an Gewicht zu. „Beides belastet die Patientinnen, insbesondere die Pubertät ist ein kritischer Zeitraum“, sagte Prof. García-Mayor. Fehle dann auch noch der familiäre Rückhalt, komme es leicht zu Essstörungen wie Anorexia nervosa, Bulimia nervosa oder Binge Eating.
Typisch für alle Formen diabetischer Essstörungen ist, dass entweder nicht ausreichend Insulin für die Mahlzeiten gespritzt oder sogar gänzlich auf Insulininjektionen verzichtet wird. „Infolge der schlechten Stoffwechseleinstellung kommt es häufiger zu Ketoazidosen, langfristig auch zu mikro- und makrovaskulären Gefäßschäden“, warnte Prof. García-Mayor. „Die Mortalität ist deutlich erhöht.“
Zur Diabetestherapie auch Ernährungsberatung und Psychotherapie anbieten
Die Therapie erfordere einen interdisziplinären Ansatz. „Diese Patientinnen benötigen neben ihrer Diabetestherapie auch Ernährungsberatung, Psychotherapie und gegebenenfalls Familientherapie.“ Bulimie und Binge Eating seien erfahrungsgemäß schwieriger zu behandeln als Anorexie.
Beim Diabetesmanagement habe es sich bewährt, auf neue Insulinanaloga einzustellen, die sich weniger stark auf das Körpergewicht auswirken. Außerdem sei es sinnvoll, zunächst weniger strikte Stoffwechselziele zu vereinbaren. „Um bei den Mädchen Stress zu vermeiden, steigern wir die Zahl der Insulininjektionen nur langsam“, berichtete der Kollege.
Außerdem benötigten die jungen Frauen Schulungen, in denen sie lernen, den Diabetes in ihr Leben zu integrieren. Leider würden Essstörungen in der Praxis häufig zu spät erkannt. Dabei könne man Risikopatientinnen mit einem einfachen, knapp zehnminütigen Screening leicht identifizieren.
Screening bei Risikopatientinnen für Essstörungen
Prof. García-Mayor riet dazu, alle Patientinnen, die häufig mit einer Ketoazidose stationär aufgenommen werden, dem Screening zu unterziehen. Der Fragebogen umfasse Aussagen wie „Ich fühle mich dick, wenn ich mein Insulin korrekt dosiere“, „Ich lasse regelmäßig Mahlzeiten aus“, „Wenn ich zu viel esse, spritze ich kein Insulin für das Essen“ oder „Abnehmen ist ein wichtiges Ziel für mich“, welche als zutreffend oder weniger zutreffend gewichtet werden können.
Risikokandidatinnen sollten von vorneherein ein weniger striktes Insulin-Regime sowie Schulungsangebote erhalten, die geeignete Bewältigungsstrategien vermitteln, schloss der Experte.
Quelle: 49. EASD-Kongress Barcelona