ESC 2013: KHK-Diagnostik im Drei-Stufen-Protokoll
Jeder Patient mit stabiler koronarer Herzerkrankung braucht medikamentöse Therapie, aber nicht jeder eine Intervention: Aufgrund neuer Daten stellt man die Revaskularisations-Indikation heute zurückhaltender als noch vor wenigen Jahren.
„Nichttesten kann besser sein als Testen“
Nur, wenn mehr als 10 % des Herzmuskels unter Ischämie leiden, sind PCI und Stenting sinnvoll. Wie stark man sich in diagnostische Aktivitäten stürzen sollte, hängt maßgeblich von der klinischen KHK-Wahrscheinlichkeit ab, erläuterte Professor Dr. Stephan Achenbach von der Universitätsklinik Erlangen.
Schritt 1 – Diagnostik:
Abhängig von seinem Alter und seiner thorakalen Symptomatik kann jedem Patienten eine klinische KHK-Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden (s. Tab. 1). Liegt diese besonders hoch oder besonders niedrig, kann „Nichttesten besser sein als Testen“, so Prof. Achenbach.
Bei Wahrscheinlichkeit unter 15 % darf man den Patienten guten Gewissens in Ruhe lassen, und bei > 85 % (z.B. männlicher Patient über 70 Jahre mit typischer Angina pectoris) kann man direkt die medikamentöse Therapie einleiten.
Mehr diagnostischen Aufwandes bedarf es bei Patienten mit einer KHK-Wahrscheinlichkeit zwischen 15 und 85 %: Bei ihnen gilt es jetzt den Beweis für die Myokardischämie zu liefern und ggf. die Kranzgefäßstenosen zu visualisieren. Die Abklärung umfasst neben Labor:
- Ruhe-EKG
- Echokardiographie
- Belastungs-EKG
- Bildgebende Stresstests (z.B. mit Echo, MRT, SPECT) zur funktionellen Ischämiediagnostik
- Koronar-CT zur anatomischen Diagnostik
- und bei entsprechenden Befunden die Koronarangiographie.
Ruhe-EKG und Herzschall generell empfohlen
Welche Informationen zieht man aus diesen Tests? Ebenso wie das Ruhe-EKG wird generell für alle Patienten ein Herzschall empfohlen, um nach regionalen Wandbewegungsstörungen zu forschen und die Ventrikelfunktion zu prüfen.
Weist ein Patient eine eingeschränkte Pumpfunktion < 50 % zusammen mit typischer Angina auf, kann man direkt die Koronarangiographie anbieten. Ansonsten wird weiter nichtinvasive Diagnostik bevorzugt. Schon das Belastungs-EKG erlaubt wichtige prognostische Feststellungen, bei hochpathologischem Ischämiebefund liegt die kardiovaskuläre Mortalität > 3 %/Jahr.
Hochrisikopatienten: über 10% der Myokardzellen ischämisch
Die übrigen bildgebenden Stresstests liefern ebenfalls gute Entscheidungshilfen. Ermitteln sie Ischämiezonen von insgesamt über 10 %, trägt der Patient ein sehr hohes Risiko, bei Durchblutungsmangel in 1–10 % der Myokardzellen ein mittleres Risiko.
Bei allen diagnostischen Erwägungen legt die Leitlinie neuerdings mehr Gewicht auf patientenspezifische Faktoren, betonte der Erlanger Kardiologe. So empfiehlt das Guideline-Komittee zwar die nichtinvasive Koronardarstellung per Kardio-CT für Patienten mit „niedrig-mittlerer“ Prätestwahrscheinlichkeit von 15–50 % – doch nur bei geeigneten Kandidaten, die weder adipös sind, noch Arrhythmien aufweisen, und wenn es in der Region ausreichend versierte Anbieter gibt.
Belastungs-EKG bei Ejektionsfraktion größer 50%
Was Stresstests angeht, so wird bei Ejektionsfraktion ≥ 50 % und Prätestwahrscheinlichkeit von 15–65 % das Belastungs-EKG als erstes zu Rate gezogen – es sei denn, der Patient kann nicht strampeln oder weist EKG-Veränderungen auf, die das Auswerten des Belastungs-Kurven unmöglich machen (z-B. Schenkelblock).
Patienten mit KHK-Wahrscheinlichkeit von 66–85 % oder mit einer LVEF < 50 % ohne typische Angina führt man dagegen vorzugsweise direkt dem Echo, Kernspin, PET oder SPECT zu – immer vorausgesetzt, dass die Methoden einschließlich exzellenter Expertise am jeweiligen Ort verfügbar sind.
Schritt 2 – optimale medikamentöse Therapie:
Sobald die Diagnose stabile KHK bestätigt ist folgt Stufe 2 des Algorithmus die Therapieentscheidung in Abhängigkeit vom prognostischen Risiko (Tab. 2). Optimale medikamentöse Therapie lautet die bevorzugte Gangart, wenn die Untersuchungen ein eher niedriges Risiko für einen Herzinfarkt in der nahen Zukunft ergeben haben.
Uneindeutiges Belastungs-EKG: Koronar-CT!
Unnötige Invasivdiagnostik versucht man – auch für Kontrolluntersuchungen unter Pharmakotherapie – nach besten Kräften zu vermeiden. Will man bei Patienten mit uneindeutigem Belastungs-EKG den Katheter zunächst umgehen, kann man wiederum erwägen, ein Koronar-CT zur anatomischen Diagnostik zwischenzuschalten. Bei Patienten mit Prätestwahrscheinlichkeit > 85 % und sehr schwerer klinischer Symptomatik wird der Schritt 2 ausgelassen und direkt kathetert.
Schritt 3 - invasive Diagnostik und ggf. Revaskularisation:
Wenn mit nichtinvasiven Methoden nicht weiter kommt oder die Angina-Symptomatik der konservativen Therapie trotzt, wird man sich aber schließlich doch zur angiographischen Diagnostik entschließen und gegebenenfalls Dilatation und Stent empfehlen. Für die invasive Therapie spricht neben einem hochpathologischen Belastungs-EKG und einem KHK-Mortalitätsrisiko > 3 % im nächsten Jahr wie erwähnt die Ischämie-Zone über 10 %.
KHK-Patienten einmal im Jahr zum Ruhe-EKG
Hausärzte sollten ihre KHK-Patienten nach Einleitung einer Pharmakotherapie spätestens nach vier bis sechs Monaten erneut einbestellen, um den Erfolg zu kontrollieren, betonte Prof. Achenbach. Darüberhinaus empfehlen die Leitlinien, mindestens einmal jährlich ein Ruhe-EKG abzuleiten, bei Änderung der Symptomatik sogar öfter. Wechselt die KHK-Symptomatik den Charakter, oder nimmt sie an Stärke zu, sollen auch die Belastungstests erneut durchgeführt werden.
Quelle: ESC-Kongress 2013 Amsterdam