23. März 2013Mit welcher Methode man den Diabetes mellitus nachweist

Bei der HbA1c-Diagnostik gibt es einiges zu beachten

Glukose- oder HbA1c-Kriterien? Mit welcher Methode man den Diabetes mellitus nachweist, ist keineswegs völlig egal. Sich allein auf den Wert des glykosylierten Hämoglobins zu verlassen, birgt durchaus Tücken.

Die amerikanische Diabetesgesellschaft hat ihre Kriterien für die Diagnose eines Diabetes mellitus erneut bestätigt. Die US-Kollegen gehen von der Erkrankung aus, wenn

  • das HbA1c ≥ 6,5 % oder
  • die Nüchternglukose ≥ 126 mg/dl oder
  • der 2-Stunden-Blutzuckerwert im oralen Glukosetoleranztest mit 75 g Glukose ≥ 200 mg/dl oder
  • bei Patienten mit klassischen Symptomen einer Hyperglykämie oder einer hyperglykämischen Krise der Zufallsglukosewert ≥ 200 mg/dl liegt.

Erstaunlicherweise werden von den US-Kollegen HbA1c- und Glukosewerte immer noch als gleichwertig angesehen, obwohl man es seit mindestens zwei Jahren besser weiß, erklärte Privatdozent Dr. Wolfgang Rathmann vom Deutschen Diabeteszentrum in Düsseldorf. Mit den beiden Parametern werden unterschiedliche Populationen von Diabetikern entdeckt, die Kongruenz ist relativ begrenzt, betonte der Kollege.

Er konnte in einer eigenen Studie zeigen, dass nur bei 25 von 125 neu diagnostizierten Diabetikern sowohl der orale Glukosetoleranztest (oGTT) als auch das HbA1c pathologisch ausfielen. Bei 87 Patienten (70 %) wurde die Diabetesdiagnose allein anhand des oGTT und bei 13 ausschließlich via HbA1c-Wert gestellt. Welche Relevanz diese Beobachtung im Hinblick auf die Prognose der Patienten hat, ist unklar.

Ein weiterer möglicher Pferdefuß der HbA1c-Diagnostik: Eine in Singapore durchgeführte Querschnittsstudie deutet darauf hin, dass die Sensitivität des Tests – verglichen mit dem oGTT – mit höherem Lebensalter (> 65 Jahre) deutlich abnimmt. Die Autoren plädieren daher für eine altersspezifische Diabetesdiagnostik.

HbA1c-Grenze von 6,3 % für Asiaten passender?

Dr. Rathmann hält diese Forderung allerdings für verfrüht. Die möglicherweise glukoseunabhängigen Alterseffekte beim HbA1c müssten erst weiter erforscht werden. Auch ethnische Differenzen sind bei der Diabetesdiagnostik mittels HbA1c zu beachten. So weisen Afroamerikaner bei gleichen mittleren Glukosespiegeln höhere HbA1c-Werte auf als Kaukasier. Bei Asiaten scheint es ebenfalls Unterschiede zu geben, wie zwei Studien aus dem letzten Jahr zeigen. Danach ist der in Deutschland propagierte Grenzwert von 6,5 % möglicherweise zu hoch, 6,3 % scheinen für diese Populationen geeigneter zu sein.

Dr. Rathmann: „Ob es pragmatisch ist, weltweit unterschiedliche Grenzwerte zu nehmen, wage ich zu bezweifeln.“ Insgesamt gibt es bei der HbA1c-basierten Diabetesdiagnostik noch zahlreiche ungeklärte Aspekte. So hinterfragten im letzten Jahr Kollegen aus Glasgow zu Recht, welche Diagnosekriterien denn nun am aussagefähigsten im Hinblick auf die Prognose mikrovaskulärer Komplikationen seien. Der jetzige HbA1c-Grenzwert von 6,5 % beruht auf der in Querschnittsstudien beobachteten Assoziation mit der diabetischen Retinopathie, über die Assoziation mit Nephropathie und Neuropathie weiß man dagegen wenig, erklärte Dr. Rathmann.

Möglicherweise spielen die Glukoseparameter hier eine wesentlich größere Rolle. Auch weiß man nicht, ob durch die HbA1c-Bestimmung diabetische Patienten früher erkannt und damit ihre kardiovaskuläre Prognose gebessert werden kann. Wäre das der Fall, würden sich die durch die primäre HbA1c-Diagnostik zweifellos entstehenden Mehrkosten auf lange Sicht amortisieren.

Wann HbA1c und Blutzucker bestimmen?

Bei welchen Patienten sollten die Messung von Nüchternglukose und HbA1c kombiniert werden? International ist diese Frage noch nicht beantwortet. In Deutschland hat die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) dagegen klar Stellung bezogen:

  • Ab einem HbA1c-Wert von 6,5 % kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Diabetes mellitus ausgehen und den Patienten entsprechend behandeln.
  • Liegt der Wert unter 5,7 % ist die Erkrankung unwahrscheinlich.
  • In dem Bereich zwischen 5,7 % und < 6,5 % empfiehlt die DDG, den Nüchternblutzucker des Patienten zu messen oder einen oralen Glukosetoleranztest durchzuführen und aus den Ergebnissen die therapeutischen Empfehlungen abzuleiten.

Quelle: 8. Diabetologie-Update-Seminar