Schützt Linolsäure die Gefäße doch nicht?
Ältere Daten zum Zusammenhang zwischen Ernährung und vaskulären Erkrankungen wurden neu aufgearbeitet – mit überraschendem Ergebnis: Ein hoher Linolsäure-Anteil an den Nahrungsfetten konnte die Gefäßgefahr nicht mindern, sondern ging sogar mit mehr Todesfällen einher.
US-Forscher haben Studiendaten neu analysiert, die zwischen 1966 und 1973 von 458 australischen Männern nach einem akuten koronaren Ereignis (Herzinfarkt, Koronarsyndrom oder Angina pectoris) erhoben worden waren. Die Teilnehmer der Sydney Heart Study waren zwischen 30 und 59 Jahre alt und wurden in zwei Gruppen eingeteilt.
Mehr KHK-Todesfälle in der Distelöl-Gruppe
Eine bekam keine Ratschläge zur Ernährung, der anderen trug man auf, ihre Nahrungsfette größtenteils in Form von Distelöl und -margarine zu sich zu nehmen. Die benötigten Öle und Fette wurden zur Verfügung gestellt.
Distelöl enthält zu 75 % die Omega-6-Fettsäure Linolsäure. Andere ungesättigte Fettsäuren finden sich nicht darin, schreibt die Arbeitsgruppe um Dr. Christopher E. Ramsden vom National Institute of Health in Bethesda.
Die neue Analyse der Daten zeigt nun, dass nach einem mittleren Follow-up von 39 Monaten die Linolsäure-Esser ein höheres Gesamtmortalitätsrisiko trugen als die Kontrollen (Hazard Ratio HR 1,62). Und auch die Gefahr eines kardiovaskulären oder KHK-bedingten Todes (HR 1,70 bzw. 1,74) war unter der vermehrten Linolsäure-Aufnahme signifikant gesteigert.
Die Autoren nahmen diese neu aufbereiteten Daten zudem in das Update einer Metaanalyse auf, in das noch zwei weitere Studien eingingen. Unter der linolsäurereichen Ernährung errechneten die Forscher einen – allerdings nicht signifikanten – Trend zu einem erhöhten Sterberisiko durch KHK und kardiovaskuläre Erkrankungen.
Nicht verwechseln: Linolsäure ≠ Linolensäure
Linolsäure ist eine zweifach ungesättigte Fettsäure, kurz (C18:2) die zu den Omega-6-Fettsäuren gehört. In der westlichen Ernährung ist sie der Hauptvertreter dieser Fettsäuren. Sie kommt vor allem in pflanzlichen Ölen und Margarinen aus Sonnenblumen, Färberdistel und Sojabohnen vor.
Linolensäure (Alpha-Linolensäure, ALA, C18:3) ist eine dreifach ungesättigte Fettsäure, die zu den Omega-3-Fettsäuren gehört. Sie ist Bestandteil vieler Triglyzeride in natürlichen Fetten und Ölen. Pflanzliche Öle mit hohem Gehalt an Linolensäure sind z.B. Leinöl, Hanföl, Walnussöl, Rapsöl und Sojaöl.
Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den derzeitigen Ernährungsempfehlungen der meisten Fachgesellschaften. So heißt es in einem DGE-Positionspapier aus dem Jahr 2011, dass „ein Ersatz von gesättigten Fettsäuren durch mehrfach ungesättigte Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren das Risiko für die koronare Herzkrankheit senkt“.
Omega-3-Fettsäuren viel gesünder?
Auch die Vertreter der American Heart Association halten einen mehr als 10%igen Anteil an Omega-6- Fettsäuren in der Ernährung für sicher und möglicherweise vorteilhaft, schreibt Professor Dr. Philip C. Calder von der Universität Southampton in seinem Kommentar.
Die britischen Experten dagegen seien vorsichtiger: „Es gibt Gründe, mit einer hohen Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren vorsichtig zu sein“, heißt es Prof. Calder zufolge in den dortigen Empfehlungen. Möglicherweise spielen nicht die Omega-6-Fettsäuren, sondern die Omega-3-Fettsäuren und die Trans-Fettsäuren die entscheidenden Rolle beim Thema Gefäßschutz, spekuliert der Experte.
- Christopher E. Ramsden et al., BMJ 2013; 346: e8707;
- Philip Calder, a.a.O. f493