11. Feb. 2013Tumormarker schlägt Alarm

Krebs-Vorsorge: Sind Tumormarker nutzlos?

Ein idealer Tumormarker wäre der, der sich nur bei Krebskranken und keinem Gesunden findet. Doch den gibt es nicht. Die Konzentrationen von Serum-Biomarkern wie PSA oder CA-125 überlappen sich bei Kranken und Gesunden. Dies beschwört die Gefahr herauf, dass man Gesunde bei erhöhten Werten unnötig beunruhigt, sie durch diagnostische Maßnahmen eventuell gefährdet und obendrein viel Geld „verheizt“.

Umgekehrt wiegen sich Malignomkranke mit Normalwerten in falscher Sicherheit. Professor Dr. Günther J. Wiedemann von der Oberschwabenklinik St. Elisabeth in Ravensburg skizziert die aktuelle Lage bezüglich beliebter, gängiger Tumormarker1.

• Prostataspezifisches Antigen

Immer wieder reden sich Experten die Köpfe heiß über das prostataspezifische Antigen (PSA). Ein Referenzbereich für sicher Gesunde ist ebenso wenig bekannt wie ein Schwellenwert für die Indikation zur Prostatabiopsie, informiert Prof. Wiedemann. Der allgemein akzeptierte Schwellenwert von 4,0 ng/ml stellt ein relativ willkürliches Signal zur Krebsdiagnostik dar, ein Spiegel von 2 ng/ml schließt den Vorsteherdrüsenkrebs keineswegs aus.

Kein längeres Leben, aber impotent und inkontinent

Studien zum Effekt eines PSA-gestützten Prostatakrebs-Screenings lieferten widersprüchliche Resultate. Eine Analyse der Daten von über 180 000 Männern – davon knapp 73 000 mit PSA-Messung – ergab bei insgesamt geringer Gesamtsterblichkeit eine identische durchschnittliche Lebenserwartung von getesteten und nicht getesteten Männern.

Seit Einführung des PSA-Tests hat sich zwar die Rate der Prostatakrebs-Diagnosen deutlich erhöht. Aber die meisten Betroffenen sterben nach einem verhältnismäßig langen Leben an einer anderen Ursache, so Prof. Wiedemann. Nach den Ergebnissen einer neuen Studie2 wiege jedoch der Vorwurf PSA-bedingter Überdiagnose und Übertherapie schwer: Eine radikale Prostatektomie senkte bei Patienten mit lokalisiertem Malignom keinewegs die Mortalität. Aber die chirurgisch Behandelten litten an z.T. schweren Op.-Folgen wie Infektionen, Blutungen, Inkontinenz und Impotenz.

Die Idee, das PSA-Screening abzuschaffen, ist nach Meinung des Ravensburger Kollegen aber illusorisch. Die Patienten verlangen den Test, und wenn ihn ein Doktor verweigert, gehen sie halt zum nächsten. Ärzte fürchten auch juris­tische Konsequenzen: „Was wäre, wenn ich den Test verweigere und ein anderer Kollege findet Krebs?“ Patienten zu einem Spezialisten zu schicken, der sie bei einem positiven Test ehrlich und kompetent berät – das scheint vielen die vernünftigste Lösung zu sein.

• CA-125

Bei einem so rasch progredienten und mit hoher Letalität behafteten Tumor wie dem Ovarialkarzinom wäre ein früh anschlagendes Warnsignal wünschenswert. Leider ist der Marker CA-125 dafür nicht spezifisch und sensibel genug.

In einer Studie an annähernd 80 000 Frauen bewirkte er im Beobachtungszeitraum von 13 Jahren keine Reduktion der Ovarialkrebs bedingten Mortalität. Falsch positive CA-125-Resultate erzeugten aber Angst und zogen kostspielige Operationen nach sich.

• CA-15-3

Auch dieser Marker, in den man Hoffnung bei der Brustkrebsfrüherkennung setzte, enttäuschte. Da auch Lebererkrankungen und Entzündungen das CA-15-3 in die Höhe treiben, reicht die Spezifität nicht aus. Nach Empfehlung der Fachgesellschaften setzt man den Marker nur zur Kontrolle des Therapieansprechens bei fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs ein.

• Alpha-Fetoprotein

Die Frühdiagnose des Leberzellkarzinoms ermöglicht kurative ablative Verfahren und Resektionen. Lässt sich dabei das Alpha-Fetoprotein (AFP) sinnvoll einsetzen? Auch diese Hoffnung wird durch die hohe Rate falsch positiver Befunde zerstört.

Gut für Verlaufskontrolle und Differenzialdiagose

So zieht Prof. Wiedemann die klare Konsequenz: Nach aktuellem Wissensstand haben die Biomarker nur für Verlaufskontrollen und Differentialdiagnose Bedeutung. Die routinemäßige Bestimmung von Tumormarkern bei symptomfreien Personen empfiehlt sich nicht. US-Experten haben das Bio-/Tumormarker-Screening gar in die Top Five der nutzlosesten Interventionen gewählt.

1.Günther Wiedemann, Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 43–45;
2. Timothy J. Wilt et al., N Engl J Med 2012; 367: 203–213