27. Feb. 2013Chronic Fatigue Syndrom

Chronisches Erschöpfungs-Syndrom: 
So stellen Sie die Diagnose

Das „chronische Erschöpfungssyndrom“ geht über ein wenig Müdigkeit und Erschöpfung weit hinaus. Es gibt genau festgelegte Kriterien und vieles muss ausgeschlossen sein, damit man dieses chronische Syndrom diagnostizieren kann.

Die Ätiologie liegt im Dunkeln. Ständige Müdigkeit, schnelle Erschöpfbarkeit bei geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung und keine Besserung durch Ruhe und Schonung: Wenn solch ein Zustand über mehrere Monate anhält und keine offensichtliche Ursache vorliegt, kann ein Chronic Fatigue Syndrom (CFS) vorliegen.

CFS: Vier von acht Symptomen müssen erfüllt sein

Schon die zahlreichen Namen wie Neurasthenie, myalgische Enzephalomyelitis, postvirales Fatigue-Syndrom lassen erkennen, dass die Ursache noch nicht geklärt ist.  Allerdings gibt es heute klare Diagnosekriterien. Nach der Definition der US-Centers for Disease Control muss das Leitsymptomunerklärte persistierende Erschöpfung“ seit mindestens sechs Monaten bestehen, ohne dass eine aktuelle starke Beanspruchung dafür verantwortlich gemacht werden kann. Außerdem wird ein klarer Beginn der Beschwerden und eine fehlende Besserung durch Ruhe gefordert.

Zusätzlich müssen vier der folgenden Symptome vorhanden sein:

  • Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme
  • Halsschmerzen
  • druckempfindliche zervikale oder axilläre Lymphknoten
  • Myalgie
  • Arthralgie an verschiedenen Gelenken
  • neuartige Kopfschmerzen
  • nicht erholsamer Schlaf
  • unverhältnismäßige Erschöpfung nach Anstrengung (> 24 Stunden)

Außerdem müssen verschiedene Befunde ausgeschlossen werden. Zu diesen zählen andere internistische oder psychische Erkrankungen (Major Depression, bipolare Störung Schizophrenie, Demenz, Essstörung), Alkohol- und Substanzmissbrauch sowie eine ausgeprägte Adipositas mit Body-Mass-Index ≥ 45. Auf bestimmte Warnzeichen („red flags“ – siehe Kasten) ist dabei besonders zu achten.

„Red Flags“ wecken Zweifel an der Diagnose CFS

  • fokale neurologische Defizite
  • Zeichen für Arthritiden und Bindegewebserkrankungen
  • Zeichen für Herz-Kreislauf-Leiden
  • signifikanter Gewichtsverlust
  • signifikante Lymphadenopathie
  • Schlafapnoe

Bei der diagnostischen Abklärung eines möglichen CFS muss man viel Feingefühl beweisen. Zwar gilt es, organische Erkrankungen durch entsprechende Laboruntersuchungen (s. Kasten) auszuschließen – dem Patienten sollte aber von Anfang an signalisiert werden, dass man seine Beschwerden auch ohne fassbaren organischen Befund ernst nimmt.

Sinnvolle Labordiagnostik bei CFS-Verdacht

  • Blutbild, Entzündungsparameter
    Leber- und Nierenwerte
  • Schilddrüsenfunktionswerte
  • Blutzucker
  • Kreatininkinase
  • Screening auf Glutensensitivität
  • Kalziumspiegel
  • Serumferritinspiegel (Kinder und Jugendliche; bei Erwachsenen mit Hinweisen auf Eisenmangel)

Übertriebene Diagnostik gilt es zu vermeiden, um einer Somatisierung vorzubeugen. Dem Patienten sollte vermittelt werden, dass körperliche und psychische Faktoren oft zusammenspielen. Sobald der Patient die Diagnose CFS hört, wird er sie wahrscheinlich googeln – und auf eine z.T. sehr emotional geführte Diskussion möglicher Ursachen stoßen.

Frühkindliches Trauma als Auslöser?

Betroffene und Selbsthilfegruppen drängen oft darauf, dass es sich um eine organische „richtige“ Erkrankung handelt. Bisher gibt es jedoch keine eindeutigen Hinweise auf virale, immunologische oder andere somatische Ursachen – man findet aber in vielen Fällen Veränderungen der Stressachse mit Hypokortisolismus. Eine frühkindliche Traumatisierung scheint das Risiko zu erhöhen – das gilt aber auch für zahlreiche andere funktionelle und organische Erkrankungen.

Was kann man den Patienten therapeutisch anbieten? Am besten ist die Wirksamkeit einer kognitiven Verhaltenstherapie mit gestufter körperlicher Aktivierung belegt. Für eine Wirksamkeit immunologischer oder infektiologischer Therapien fehlt jede Evidenz.

Quelle: Peter Henningsen et al., Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 33-38