6. März 2013Die Gastroparese

Gastroparese: Wie der Magen wieder in Schwung kommt

Verzögerte Magenentleerung ohne nachweisbare Obstruktion oder Ulzeration verbunden mit typischen Leitsymptomen – so lautet die Definition der Gastroparese. Als Leitsymptome gelten frühes Sättigungs- sowie Völlegefühl, Würgen, Erbrechen und Oberbauchschmerzen. Mit 36 Prozent der Fälle am häufigsten ist die idiopathische Gastroparese, gefolgt von der diabetischen Form (29%). Auf einen Anteil von 13 Prozent kommen Gastroparesen infolge operativer Eingriffe.

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Magenlähmungen nach viralen Infekten bessern sich meist innerhalb eines Jahres. Als weitere Ursachen kommen Hypothyreose, neurologische und Autoimmunleiden sowie die Refluxkrankheit infrage. Aber auch Medikamente wie Opioide, Anticholinergika und GLP-1-Analoga können die Magenentleerung verzögern.

Teilweise gibt schon die Symptomatik wichtige Hinweise auf die Ursache: So beobachtet man bei Diabetikern eher Würgen und Erbrechen, während Patienten mit idiopathischer Gastroparese vermehrt über Schmerzen und vorzeitiges Sättigungsgefühl klagen.

Die Symptome einer Gastroparese sind zwar typisch, aber nicht pathognomonisch, erinnert das Team um  Dr. Michael Camilleri von der Mayo Clinic in Rochester. Denn auch eine Entzündung durch Helicobacter pylori, Ulzera und funktionelle Dyspepsien können ähnliche Beschwerden verursachen.

Vor der diagnostischen Szintigraphie Blutzucker einstellen

Für die Diagnose ist der Nachweis der verzögerten Entleerung unerlässlich. Als diagnostischer Goldstandard gilt dabei die Szintigraphie nach fester Mahlzeit. Dazu sollten mindestens 48 Stunden vor der Untersuchung alle Medikamente, die Einfluss auf die Passage nehmen können, abgesetzt und der Blutzucker auf Werte unter 275 mg/dl eingestellt werden. Denn eine Hyperglykämie verlangsamt die Magenentleerung.

Differenzialdiagnostisch auszuschließen sind vor allem Essstörungen wie Anorexie und Bulimie sowie das Ruminationssyndrom. Auch das Syndrom des zyklischen Erbrechens – z.B. durch regelmäßigen Cannabinoidkonsum – gilt es klinisch abzugrenzen. Ist die Gastroparese gesichert, raten Experten zum Screening auf Diabetes, Schilddrüsendysfunktion, neurologische Leiden und Autoimmunkrankheiten.Auch vorausgegangene Magenoperationen sind zu erfragen.

Verzögerte Magenentleerung: viel Flüssigkeit, wenig Fett

Therapeutisch steht die Sanierung von Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt an erster Stelle. Empfohlen werden vier bis fünf kleine Mahlzeiten – fett- und faserarm – pro Tag sowie viel Flüssigkeit, ohne Kohlensäure, denn diese verstärkt die Magendehnung, Alkohol und Tabak sind tabu.

Patienten, die nicht mehr zur oralen Aufnahme fähig sind, sollten via Jejunostomiesonde ernährt werden, um den angeschlagenen Pylorus zu umgehen. Eine parenterale Substitution ist nur in Ausnahmefällen erforderlich. Bei Diabetikern zählt auch die optimale Blutzuckerkontrolle zu den Basismaßnahmen. Erhalten die Patienten GLP-1-Analoga, raten die Autoren zur Umstellung der Therapie.

Auch Antidepressiva lindern Erbrechen

Ergänzend kann eine medikamentöse Therapie mit Prokinetika erfolgen. Als First-line-Substanz gilt Metoclopramid, alternativ kommt Domperidon infrage (s. Kasten). Übelkeit und Erbrechen lassen sich durch Antiemetika, in schweren Fällen auch durch trizyklische Antidepressiva lindern. Bei Letzeren ist Nortriptylin gegenüber Amitriptylin zu bevorzugen, weil es weniger anticholinerge Eigenschaften besitzt. Intrapylorische Injektionen von Botulinumtoxin haben sich in Studien als nicht effektiv erwiesen.

Bei therapierefraktären Symptomen kann eine gastrale elektrische Stimulation erwogen werden. In Ausnahmefällen kommen chirurgische Maßnahmen wie Pyloroplastik, Belüftungs-Jejunostomie und Gastrektomie infrage. Als einzige komplementärmedizinische Maßnahme zeigte bei der Gastroparese bisher die Akupunktur Erfolge, vor allem im Hinblick auf Völlegefühl, vorzeitige Sättigung und Blähungen.

Mit Prokinetika an die Gastroparese

Als Mittel 1. Wahl gilt Metoclopramid (in der niedrigst möglichen Dosierung).

• Startdosis: 5 mg dreimal täglich zu den Mahlzeiten (vorzugsweise in flüssiger Form), Maximaldosis 40 mg/Tag.

• Wenn es die Symptomatik erlaubt, sollten Therapiepausen eingelegt oder die Dosis reduziert werden.

• Unter der Behandlung sind Patienten v.a. hinsichtlich extrapyramidaler Nebeneffekte wie akute Dystonien oder tardive Dyskinesien (Risiko < 1 %) zu überwachen.

Führt die Therapie mit Metoclopramid nicht zum Erfolg, bietete sich Domperidon als Alternative an. Es zeigt eine vergleichbare Wirksamkeit, sein Vorteil: Es löst keine Effekte am Zentralnervensystem aus.

• Weil Domperidon das QT-Intervall verlängern kann, sind jedoch EKG-Kontrollen vor dem Beginn der Behandlung und während der Therapie unerlässlich.

• Startdosis: 10 mg dreimal täglich, steigerbar auf das Doppelte plus 20 mg zur Nacht.

Auch das Einsetzen eines Magenschrittmachers bei stark symptomatischen Patienten gehört zum Repertoire der therapeutischen Möglichkeiten.

Referenz
  1. Camilleri M et al. Clinical guideline: management of gastroparesis. Am J Gastroenterol. 2013 Jan;108(1):18-37; quiz 38. doi: 10.1038/ajg.2012.373. Epub 2012 Nov 13. PMID: 23147521; PMCID: PMC3722580.