19. Jan. 2013Neuer Stand zu Restless-legs-Syndroms

Restless Legs – Welche Therapie beruhigt rastlose Beine?

Eine Task-Force europäischer Fachgesellschaften hat die Empfehlungen zum Management des Restless-legs-Syndroms (RLS) auf den neuesten Stand gebracht und dafür die englischsprachigen Publikationen von 2005 bis 2011 durchforstet. Um die Effektivität der einzelnen Medikamente in der Kurzzeit- und Langzeittherapie zu beurteilen, wurden in der Regel nur  randomisierte und kontrollierte Therapiestudien genutzt.

Füsse die unter der Decke raus schauen
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Restless-legs-Syndrom: Neue Studien unter der Expertenlupe

Dabei galt es, eine wichtige Veränderung zu berücksichtigen: Sah man in den alten Leitlinien eine Behandlung von über vier Wochen Dauer als Langzeittherapie an, geht man heute von einem Mindestzeitraum von sechs Monaten aus. Das hat allerdings zur Folge, dass echte Langzeitstudien Mangelware sind, so die Experten.

Gemäß der überarbeiteten Leitlinie gelten zu den einzelnen Wirkstoffklassen jetzt folgende Empfehlungen:

• Nicht-Ergotamin-Derivate

Sie sind die am besten untersuchten Substanzen in der RLS-Therapie. 17 randomisierte, kontrollierte Studien lagen den Forschern zur Beurteilung von Rotigotin, Ropinirol und Pramipexol vor. Für das im Jahr 2006 zugelassene Rotigotin (transdermales System) konnte nun auch für die Langzeittherapie des primären RLS das Urteil „effektiv“ abgegeben werden, nachdem zwei Studien über sechs Monate die Wirksamkeit belegt haben.

Dies war auch in einer nach Auffassung der Autoren gut konzipierten prospektiven, aber offenen Fünfjahresstudie der Fall. Darin sank der IRLS*-Score von initial 27,7 auf 9,0 bei Studienende. 39 % der Patienten, die bis zum Schluss bei der Stange blieben, wurden beschwerdefrei.

Die Drop-out-Rate aufgrund von Nebenwirkungen (am häufigsten lokale Reaktionen unter dem Pflaster) lag bei 30 %. Bei 11 % der Patienten erwies sich die Behandlung als ineffektiv. Zu einer signifikanten Augmentation kam es innerhalb des Fünfjahreszeitraums in 13,2 % der Fälle.  Sie trat unter der 4-mg/24h-Dosierung häufiger auf als unter 1–3 mg/24h.

Für Ropinirol wurden drei Kurzzeit- und eine Langzeitstudie über 36 Wochen (jeweils randomisiert  und kontrolliert) analysiert, die die bisherige Einschätzung „effektiv in der Kurzzeit- und möglicherweise effektiv in der Langzzeittherapie des primären RLS“ unterstreichen.

Welche Rolle spielt das Eisen?

Hirnforscher gehen heute davon aus, dass erniedrigte Ferritinspiegel im Liquor und ein auffälliger zirkadianer Verlauf der Konzentration von Dopaminmetaboliten im Hirnwasser auf niedrige zerebrale Eisenspiegel hinweisen. Diese niedrigen Spiegel haben vermutlich negative Auswirkungen auf die Funktion des Dopaminsystems.

In MRT-Studien konnte bestätigt werden, dass sich im Gehirn von RLS-Patienten niedrige Eisenkonzentrationen finden. Transkraniale Ultraschalluntersuchungen zeigten zudem eine echoarme Substantia nigra – ebenfalls eine Bestätigung für reduzierte Eisenspeicher. Welche therapeutischen Konsequenzen diese Erkenntnisse haben, muss noch geklärt werden.
Sicher ist bereits, dass RLS-Patienten mit niedrigen Ferritin-Plasmaspiegeln von einer Eisengabe profitieren. So haben Studien gezeigt, dass eine entsprechende Applikation zu Verbesserungen der RLS-Symptome und der Lebensqualität führt. Ob das Vorgehen auch bei Kranken mit normalen Ferritinwerten Vorteile bringt, wird kontrovers diskutiert.

Auch in einer offenen Beobachtungsstudie über 52 Wochen erwies sich das Medikament als wirksam. Eine Augmentation – in der Studie als Nebenwirkung „RLS“ bezeichnet – wurde in 9,1 % der Fälle beschrieben.  Eine neue zweiphasige Multicenterstudie kam dagegen zu deutlich niedrigeren Augmentationsraten.

„Echte“ Augmentation erst nach zwei Monaten

In der ersten sechsmonatigen Doppelblindphase beobachtete man in 3 % der Fälle eine klinisch signifikante Verschlechterung (vs. 1 % unter Placebo). Im offenen Follow-up über weitere sechs Monate lag die Rate bei 2 %. Unter dem Verum trat die Augmentation deutlich später auf als unter Placebo. Offenbar ist mit einer „echten“ Augmentation erst nach einer etwa zweimonatigen Therapie mit Ropinirol zu rechnen, folgern die Autoren.

Pramipexol wurde in acht randomisierten und kontrollierten Kurzzeit- und zwei Langzeitstudien getestet. Unter der Therapie besserten sich die RLS-Symptome und die Lebensqualität (0,25 bis 0,75 mg) sowie das Einschlafen (0,5 bis 0,75 mg). Nur eine der beiden Langzeitstudien lieferte Daten zur Augmentation.

Die Rate lag bei 9 % versus 6 % unter Placebo. In einer offenen Studie über 46 Wochen und einer retrospektiven Untersuchung über 30,5 Monate schätzte man die Augmentationsraten auf 4,3 bis 22,4 %. Das Fazit der Leitlinienautoren zu Pramipexol: „Effektiv in der Kurzzeit- und möglicherweise effektiv in der Langzeitbehandlung des primären RLS.“

• Ergotaminderivate

Diese Substanzen werden nicht zur First-line-Therapie des Restless-legs-Syndroms empfohlen. Manche von ihnen sind zwar beim primären RLS wirksam, es drohen jedoch  ernsthafte Nebenwirkungen in Form von Fibrosen – an den Herzklappen besonders gefürchtet.

Als weitere typische Nebenwirkungen treten Übelkeit, Kopfschmerzen, verstopfte Nase, Schwindel und orthostatische Hypotension auf. Ob Augmentation hier ein Thema ist, müsste in weiteren Studien geklärt werden, fordern die Leitlinienautoren.

Nach den Ergebnissen von zwei Studien (eine davon über 30 Wochen) zeigte das Ergotaminderivat Cabergolin eine gute Effektivität bei Patienten mit primärem Restless-legs-Syndrom. Die Behandlung verbesserte Lebensqualität und RLS-Scores. Im Vergleich zu Levodopa fanden sich Augmentationen mit einer Rate von 5,6 vs. 14,2 % viel seltener. Kontraindiziert ist Cabergolin bei Patienten mit Herz-, Lungen- oder retroperitonealer Fibrose.

Das bei Parkinson eingesetzte Pergolid birgt ein erhöhtes Risiko für Klappenfehler und Fibrosen. Für die Behandlung des RLS wird es daher nicht empfohlen. Für Lisurid mangelt es nach wie vor an Evidenz, dass die Substanz beim primären RLS tatsächlich wirksam ist, so die Leitlinienexperten.  Beim Bromocriptin gilt mangels neuer Studien immer noch: „wahrscheinlich wirksam“ in der Kurzzeittherapie.  

Nicht mehr als 200 mg L-Dopa täglich geben

Levodopa, das in Deutschland am häufigsten gegen RLS verschriebene Medikament, bekam von den Experten ebenfalls die Beurteilung „effektiv in der Kurzzeit- und möglicherweise effektiv in der Langzeittherapie“. In einem Vergleich von täglich 125 bis 375 mg Levodopa mit 0,25 bis 0,75 mg Pramipexol bei „De-novo-Patienten“ besserten beide Medikamente die RLS-Symptome. Das Risiko der Augmentation war unter Levodopa besonders groß bei Gabe von mehr als 200 mg. Höher sollte das Medikament daher nicht dosiert werden, heißt es in der Empfehlung.

• Antikonvulsiva

Neu in den Leitlinien taucht das Antiepileptikum Gabapentin encarbil auf, das allerdings in Deutschland bzw. Europa nicht zugelassen ist. Es wirkt bei primärem Restless-legs-Syndrom in der Kurzzeittherapie und „wahrscheinlich“ auch in der Dauerbehandlung, so die Bewertung.

Bei einer Dosierung von 1200 mg/Tag besserten sich die RLS-Symptome allgemein, die Schlafqualität und auch die Schmerzen. Als Nebenwirkungen beklagten die Patienten oft Schläfrigkeit und Schwindel. Augmentationen wurden nicht spezifisch erfasst, sie schienen zumindest nicht als Frühsymptom aufzutreten.

Gabapentin wird, ohne dass es neue hochwertige Studien dazu gibt, wie in der alten Leitlinie beschrieben weiterhin zur Kurzzeittherapie bei primärem RLS empfohlen. Zudem eignet sich die Substanz für die Behandlung des sekundären RLS nach
Hämodialyse.

Besser Einschlafen mit Clonidin?

Für Pregabalin zeigte sich in zwei Kurzzeitstudien eine gute Effektivität, für die Langzeitbehandlung ergibt sich nur eine unzureichende Evidenz. Oxcarbazepin wird erstmals in der aktuellen Leitlinie bewertet, die vorhandenen Daten werden als unzureichend für eine Therapieempfehlung angesehen. Gleiches gilt für Lamotrigin und Levetiracetam.

• Andere Substanzklassen

Von den adrenergen Medikamenten scheint sich Clonidin zur Reduktion der Symptome und für ein „besseres Einschlafen“ zu eignen, schreiben die Leitlinienautoren. Allerdings muss mit Nebenwirkungen, etwa trockenem Mund, Kopfschmerzen, verminderter Libido und herabgesetzter kognitiver Leistung, gerechnet werden. Von den Benzodiazepinen wird Clonazepam als „wahrscheinlich effektiv“ beim primären Restless-legs-Syndrom beurteilt.

An der neuen Leitlinie beteiligt:

  • European Federation of Neurological Societies (EFNS)
  • European Neurological Society (ENS)
  • European Sleep Research Society (ESRS)

* International Restless Legs Syndrome Study Group

Garcia-Borreguero D et al., European Journal of Neurology 2012; 19: 1385-1396