10. Sept. 2012Kohlenhydratreduzierte Diäten

Dauerhafte Gewichtsreduktion bei Diabetes

Für die Gewichtsabnahme am populärsten sind derzeit kohlenhydratreduzierte Diäten mit hohem Proteinanteil. Sie schaffen einen kurzfristigen Abbau überschüssiger Pfunde und beeinflussen die Insulinresistenz günstig. Eine grosse prospektive Kohortenstudie gibt bei dieser Kostform nun aber langfristig eher Anlass zur Sorge.

Diäten im Vergleich: Wenig Kohlenhydrate gegen fettarm

Knapp 44 000 Schwedinnen im Alter von 30–49 Jahren wurden darin eingeschlossen und durchschnittlich über 15,7 Jahre nachbeobachtet. Die Kollegen erfassten die Kohlenhydrat- und Proteinaufnahme in Zehnteln sowie einen Score aus den beiden Komponenten. Dabei bedeuteten zwei Punkte eine kohlenhydratreiche, proteinärmere Ernährung und 20 Punkte das Gegenteil.

Es zeigte sich, dass mit jeweils zwei Punkten Anstieg im Score das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (ischämische Herzkrankheit, ischämischer und hämorrhagischer Schlaganfall, Subarachnoidalblutung und pAVK) um 5 % anstieg. Umgerechnet entspricht dieser Punktwertanstieg einer täglichen Kohlenhydratreduktion um 20 g (ein kleines Brötchen) und einer Proteinerhöhung um 5 g (ein gekochtes Ei), schreiben Professor Dr. Pagona Lagiou von der University of Athens Medical School in Athen und Kollegen im „British Medical Journal“1.

Unterschiede zwischen Eiweissen pflanzlicher oder tierischer Herkunft fanden sich nicht. Die Ergebnisse sind umso bedeutsamer, da die Frauen sogar mehr als die in gängigen Diätempfehlungen verlangten 15 % Kohlenhydrate und weniger als die zu unterschreitenden 30 % Proteine zu sich nahmen.

Diätregime: Schaden Proteine langfristig?

Anna Floegel vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, Nuthetal, und ihr Kollege folgern aus der Studie, dass die langfristigen Risiken einer kohlenhydratarmen Diät die kurzfristigen Erfolge zunichte machen2. Wenn man dennoch diese Kostform anstrebt, sollte man zumindest auf hochwertige Nahrungsmittel achten, also vornehmlich pflanzliche Proteine und ungesättigte Fette, kommentieren die Ernährungsexperten in derselben Ausgabe.

Dass nach erfolgreicher Diät das Gewicht oft wieder ansteigt, ist zum Grossteil dem verminderten Energieumsatz nach der Hungerkur geschuldet. Eine zweite Studie prüfte daher den Effekt verschiedener Diäten auf den Ruhe- und Gesamt-Energieumsatz sowie verschiedene metabolische Parameter.

21 übergewichtige und adipöse Erwachsene (18–40 Jahre, BMI ≥ 27) mussten zunächst eine Run-in-Phase durchlaufen, in der sie auf eigene Faust 10 bis 15 % ihres Gewichts verloren. Dann erhielten sie entweder eine sehr fettarme Kost (60 % Kohlenhydrate, 20 % Fette, 20 % Proteine), eine mit niedrigem glykämischen Index (40 % Kohlenhydrate, 40 % Fette, 20 % Proteine) oder eine sehr kohlenhydratarme (10 % Kohlenhydrate, 60 % Fette, 30 % Proteine).

Reduzierte Kohlenhydrataufnahme mehr Nach- als Vorteile?

Alle Formen enthielten die gleiche Zahl an Kilokalorien. Nach vier Wochen verzeichneten die Teilnehmer mit der fettarmen Ernährung den grössten Rückgang des Ruheumsatzes (- 205 kcal/d), auf Platz zwei lagen diejenigen mit Low-glycemic-Index-Diät (- 166 kcal/d) und das Schlusslicht bildeten mit - 138 kcal/d die Probanden mit der geringsten Kohlenhydrataufnahme. Diese Gruppe zeigte zwar auch die günstigsten Veränderungen in Sachen Metabolisches Syndrom, gleichzeitig massen die Untersucher aber auch erhöhte CRP- und Kortisolspiegel, die Adipositas, Insulinresistenz und kardiovaskulären Erkrankungen Vorschub leisten.

Unter der Low-fat-Diät stieg dagegen das Leptin am stärksten an, womit ein neuerlicher Gewichtsanstieg droht. Die Ergebnisse zeigen, dass Kalorie nicht gleich Kalorie ist, schreiben Dr. Cara Ebbeling vom New Balance Foundation Obesity Prevention Center in Boston und Kollegen im amerikanischen Ärzteblatt3. „FdH“ ist daher nicht des Rätsels Lösung.

Fazit: Niedriger glykämischer Index am besten

Die Autoren favorisieren eine Ernährung mit niedrig-glykämischem Index, da sie die günstigsten Einflüsse auf metabolische Parameter hatte. Zudem empfehlen sie wenig industriell gefertigte Nahrungsmittel. Der Editorialist Dr. George Bray vom Pennington Biomedical Research Center in Baton Rouge glaubt dagegen nicht an ein Konzept, das für jeden passt4. Er plädiert für individuelles Vorgehen und hält die Kalorienrestriktion für die wichtigste Komponente.

Quelle:

  1. Pagona Lagiou et al., BMJ 2012; online first
  2. Anna Floegel et al, BMJ 2012; online first
  3. Cara B. Ebbeling et al., JAMA 2012; 307: 2627-2634
  4. George A. Bray, a.a.O.: 2641-2642