Vorhofflimmern erfolgreich abladiert: Antikoagulation absetzen?
Dr. Sakis Themistoclakis vom Dell'Angelo Hospital, Mestre-Venedig, hält es für sicher, nach erfolgreicher Ablation die Gerinnungshemmer-Therapie abzusetzen. Wie er beim ESC-Kongress erklärte, gelingt die Ablation bei etwa 80 % der so behandelten Patienten.
Auch ohne Antikoagulation geringe Thromboemboliegefahr?
Im Hinblick auf etwaige Flimmerrezidive müsse man aber wachsam sein, insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Thromboembolierisiko. In einer Studie mit insgesamt 755 Patienten hatte man nach der VHF-Ablation bei rund 200 risikofaktorfreien und bei 180 Patienten mit einem oder mehreren Risikofaktoren die Warfarintherapie abgesetzt.
Bei Patienten im Alter über 65 Jahre und mit Schlaganfall-Anamnese wurde die Gerinnungshemmung dagegen fortgesetzt. Von den nicht mehr Antikoagulierten erlitt keiner eine Thromboembolie, berichtete der Kollege aus Venedig. Als weiteres Argument für den Verzicht auf die medikamentöse Schlaganfall-Prophylaxe führte er eine aktuelle Arbeit aus diesem Jahr an. Darin zeigten Forscher, dass erfolgreich abladierte Patienten mit Vorhofflimmern (unter und über 65 Jahre), die sich im Sinusrhythmus befanden, nach Absetzen der Antikoagulation zu 98 bis 99 % frei von zerebrovaskulären Ereignissen blieben.
Dies entspricht exakt der Risikokonstellation für Menschen ohne Vorhofflimmern, betonte Dr. Themistoclakis. Er verglich bei knapp 2700 Patienten ohne und 663 Kranken mit Gerinnungshemmer-Therapie den weiteren Verlauf. In beiden Gruppen lag die thromboembolische Ereignissrate unter 1 %, aber die Blutungsrate war in der Antikoagulanziengruppe mit 2 % erhöht.
Vorhofflimmern: Rezidive häufig erst nach zwei Jahren?
Größte Bedenken gegen das Absetzen der Antikoagulation äußerte Professor Dr. Gregory Lip vom City Hospital der University Birmingham. Nach erfolgreicher VHF-Ablation komme es häufig, aber teils erst spät zu Rezidiven. Studien ergaben Hospitalisierungsraten zur erneuten Ablation wegen eines Rezidivs von 22 % im ersten und 30 % im zweiten Jahr.
Doch wie identifiziert man die Rezidiv-Patienten, spüren sie ihre Flimmer-Rückfälle überhaupt? In einer Studie waren nach Ablation mehr Patienten von asymptomatischem VHF betroffen als vorher (37 % vs. 5 %). Selbst wer wegen einer hoch symptomatischen Arrhythmie zur Prozedur geschickt worden war, zeigte danach einen signifikanten Anstieg asymptomatischer Episoden.
Gehe man nur nach Symptomen, werde der Erfolg der Ablation stark überschätzt, betonte Prof. Lip. Auch das erhöhte Blutungsrisiko in der Studie seines „Kontrahenten“ Dr. Themistoclakis untersuchte der britische Kollege genauer: Dabei fand er heraus, dass von den 13 Patienten mit Blutung acht eine INR von 4 aufwiesen und damit klar überantikoaguliert waren. Zu vier Patienten lagen keine INR-Angaben vor und nur einer lag mit 2,0 im Zielbereich.
CHADS2-Score führt in die Irre
Auf keinen Fall darf man sich bei der Risikoeinschätzung auf den Baseline-CHADS2-Score verlassen, warnte Prof. Lip. „Dann können Sie genauso gut eine Münze werfen. Die Aussagekraft zu künftigen embolischen Ereignissen ist gleich null.“ Schließlich werden die Patienten älter und kränker, ihr Herzleiden schreitet fort.
Bei Patienten im Alter über 65 Jahre und mit Schlaganfallanamnese sollte die Antikoagulation fortgesetzt werden, empfahl Prof. Lip. Und um die echten Low-Risk-Patienten zu erkennen, solle man statt des CHADS2-Scores den wesentlich genaueren CHA2DS2VASc-Score nutzen.
Individuelle Risikofaktoren entscheidend für Antikoagulation
In diesem Jahr konstatierten europäische Rhythmusfachgesellschaften (HRS/EHRA/ECAS): Die Entscheidung zum Absetzen der Antikoagulation zwei Monate nach Ablation sollte sich nach den individuellen Risikofaktoren richten und nicht nach dem Vorhandensein und Typ des Vorhofflimmerns. Bei Hochrisiko-Patienten sollte man abraten. Sicher ist das Absetzen nach Meinung von Prof. Lip nur bei einem Score von 0. Bei einem CHA2DS2VASc-Score ≥ 2 würde Prof. Lip auf jeden Fall weiter „das Blut verdünnen“, so wie es auch die aktuelle ESC-Leitlinie empfiehlt.
Quelle: ESC-Kongress, Dr. Sakis Themistoclakis vom Dell'Angelo Hospital, Mestre-Venedig, Professor Dr. Gregory Lip vom City Hospital der University Birmingham