19. Sept. 2012Schallleitungs-Schwerhörigkeit

Otosklerose erkennen!

Wenn Erwachsene eine zunehmende Schallleitungs-Schwerhörigkeit entwickeln, steckt häufig eine Otosklerose dahinter. Bevor man Hörgeräte verordnet, sollte sichergestellt sein, ob sich der Schaden nicht auch durch eine risikoarme Operation beheben lässt.

Bei Otosklerose meist bilaterale Schwerhörigkeit

Bei der Otosklerose handelt es sich um einen pathologischen Knochenumbau im Bereich des Felsenbeins, der zur Fixation der Stapes-Fußplatte führt. Aufgrund dieser Veränderungen kann die Schallenergie nicht mehr vollständig auf das Innenohr übertragen werden. Als Folge resultiert bei den betroffenen Patienten eine zunehmende, meist bilaterale Schallleitungsschwerhörigkeit.

Frauen sind im Vergleich zu Männern mehr als doppelt so häufig von einer Otosklerose betroffen. Typischerweise macht sich der Hörverlust in der 3. bis 5. Lebensdekade bemerkbar – häufiger im Anschluss an eine Schwangerschaft.

Multifaktorielle Entstehung der Otosklerose

Die Ätiologie ist noch nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich ist die Otosklerose multifaktoriell bedingt. Vermutet werden unter anderem autoimmune, infektiöse und hormonelle Ursachen. Eine Häufung innerhalb von Familien spricht für einen genetischen Hintergrund.

Eine klinisch manifeste Otosklerose findet sich bei 0,4 % der Gesamtbevölkerung und bei 5 – 9 % aller Patienten mit Hörminderung. Nimmt man nur die Patienten mit Schallleitungsschwerhörigkeit, lässt sich bei 18 – 22 % eine Otosklerose nachweisen.

Fünf Hauptsymptome der Otosklerose

Bei jeder Hörstörung sollten die fünf Hauptsymptome einer Ohrenerkrankung abgefragt werden, empfehlen Dr. Yves Brand von der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsspitals Basel und Kollegen im „Schweizerischen Medizin-Forum“. Als Hauptsymptome nennen die Kollegen:

  1. Schwerhörigkeit
  2. Schwindel
  3. Sekretion
  4. Schmerzen
  5. Ohrensausen (Tinnitus)

Die Anamnese umfasst den zeitlichen Verlauf der Hörstörung, eventuelle vorherige Ohrenerkrankungen oder Operationen sowie die Familienanamnese. Bei Otosklerose-Patienten stellt die beidseitige Hörminderung typischerweise das einzige Symptom dar.

Rinne-Test negativ als wichtiges Indiz bei Otosklerose

Mit der Stimmgabel lässt sich schnell klären, ob man es mit einer Schallempfindungs- oder Schallleitungsstörung zu tun hat. Rinne- und Weber-Versuche leisten hier gute Diens­te (siehe Kasten). Typisch für die Otosklerose ist eine Schallleitungs-Schwerhörigkeit (der Rinne-Versuch fällt negativ aus).

Rinne-Versuch

  • Die Stimmgabel wird auf das Mastoid aufgesetzt (Knochenleitung), dann etwa 2-3 cm vor die Ohrmuschel des gleichen Ohres gehalten (Luftleitung).

    • Normakusis oder Schallempfindungs-Schwerhörigkeit:Lautstärke wird vor dem Ohr lauter empfunden (Rinne-Versuch positiv) Schallleitungs-Schwerhörigkeit: Lautstärke wird auf dem Mastoid lauter empfunden (Rinne-Versuch negativ)

Als Nächstes sollte eine Otoskopie vorgenommen werden. Hierbei lässt sich beurteilen, ob möglicherweise andere Ursachen für die gestörte Schallleitung vorliegen. In Frage kommen z.B. ein Cerumenpfropf, Otitis externa, Otitis media oder auch Paukenerguss. Hat man auf diese Weise die Verdachtsdiagnose Otosklerose gestellt, so sollte man die Patienten bei entsprechendem Leidensdruck an den HNO-Arzt überweisen.

Tympanogramm bei Otosklerose unauffällig

Hier erfolgen dann weitere Untersuchungen wie die Reinton- und Sprachaudiometrie zur Quantifizierung des Hörverlustes oder eine Mittelohr- und Trommelfellbeurteilung mittels Tympanogramm (bei Otosklerose unauffällig). Ein wichtiger Bestandteil dieser Untersuchungen ist die Beurteilung des Stapedius-Reflexes. Hierzu wird das Ohr mit einem hohen Schallpegel beschallt, was normalerweise zur Kontraktion beider Stapediusmuskeln mit Versteifung der Gehörknöchelchen und Verminderung der Trommelfellbeweglichkeit führt.

Kausaler Therapieansatz mit Laser-OP?

Wenn eine Otosklerose vorliegt, lässt sich dieser Reflex nicht mehr auslösen. Bildgebende Verfahren wie Computertomografie oder MRT sind nur in differenzialdiagnostisch unklaren Fällen erforderlich. Therapeutisch stehen drei Optionen zur Verfügung. Fühlt sich der Patient durch den Hörverlust nur in geringem Ausmaß eingeschränkt, dann kann man erst einmal den weiteren Verlauf abwarten.

Ein kausaler Therapieansatz ist die operative Stapes-Ersatzplastik, bei der die ursächliche Fixation der Stapes-Fußplatte beseitigt wird. Voraussetzungen für diesen Eingriff ist ein Unterschied zwischen Luft- und Knochenleitung von mindestens 25 dB und ein negativer Rinne-Versuch auf dem zu operierenden Ohr. Durch Anwendung des Lasers ist das Operationstrauma bei Eröffnung des Innenohrs und die Rate an Innenohrschädigungen geringer.

Versorgung mit Hörgerät als ultima ratio

Insgesamt liegt das Risiko für eine postoperative Ertaubung unter 1 %. Weitere mögliche Komplikationen sind Schwindel (meist vorübergehend), Neuauftreten eines Tinnitus oder Geschmacksstörungen. Die dritte Möglichkeit ist die Versorgung mit Hörgeräten.

Weber-Versuch

  • Die Stimmgabel wird mittig auf der Stirn des Patienten aufgesetzt.
  • Normakusis oder symmetrischer Hörverlust: Ton wird mittig empfunden
  • Schallleitungs-Schwerhörigkeit: Ton wird auf dem stärker betroffenen Ohr lauter gehört
  • Schallempfindungs-Schwerhörigkeit: Ton wird auf das besser hörende Ohr lateralisiert

Quelle: Yves Brand et al., Schweiz Med Forum 2012; 12: 485-488