Leitlinie Demenz – Welche Behandlung ist sinnvoll?
In einer im „World Journal of Biological Psychiatry“ veröffentlichten Leitlinie fasst die WFSBP* zusammen, welche biologischen Therapiemethoden für Demenzerkrankungen heute eingesetzt werden können. Die neue Guideline basiert auf den Ergebnissen placebokontrollierter Doppelblindstudien, in denen Patienten mit nachgewiesener Demenz mindestens drei Monate lang behandelt wurden. Die wichtigsten Empfehlungen sollen hier vorgestellt werden.
Antidementiva können derzeit weder zur Demenz-Prävention noch zur Behandlung leichter kognitiver Störungen (MCI) empfohlen werden, schreiben die Leitlinien-Autoren unter Federführung von Professor Dr. Ralf Ihl vom Maria-Hilf-Krankenhaus, Klinik für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, Krefeld.
Auch darf man nicht erwarten, dass Antidementiva demenzielle Erkrankungen aufhalten oder gar heilen. Doch ist eine symptomatische Behandlung der Alzheimer-Krankheit mit Donepezil, Galantamin, Memantine, Rivastigmin und Ginkgo-biloba-Extrakt möglich und empfehlenswert.
Antidementiva auch bei vaskulärer Ursache der Demenz
Diese Medikamente zeigen bei einem Teil der Patienten moderate Effekte über einen begrenzten Zeitraum: Für alle Substanzen gilt, dass sie innerhalb von sechs Monaten im Median zu einer Verbesserung von 2,3 Punkten im ADAS-Cog-Test (Alzheimer’s Disease Assessment Scale Cognition) führen.
Auch bei vaskulärer Demenz ist die Gabe von Antidementiva sinnvoll. Bei der Lewy-Körperchen-Demenz kann Rivastigmin empfohlen werden. Daten zum Einsatz weiterer Antidementiva bei Lewy-Körperchen-Demenz und Frontallappendemenz liegen nicht vor. Dennoch sollte die Behandlung mit Antidementiva eine Therapieoption sein. Detaillierte Empfehlungen, welches Antidementivum bei welchem Demenz-Schweregrad am besten geeignet ist, können derzeit nicht ausgesprochen werden.
Bei der Auswahl der geeigneten Substanz sollten die Symptomkonstellation des Patienten, Kontraindikationen, mögliche Nebenwirkungen sowie das Stadium der Erkrankung bedacht werden. Die aktuelle Leitlinie empfiehlt folgende Tages-Zieldosierungen:
• Donepezil 10 mg
• Galantamin 24 mg
• Rivastigmin 12 mg (Rivastigmin-Pflaster: 9,2 mg)
• Memantine 20 mg
• Ginkgo-biloba-Extrakt 240 mg
Bei manchen Patienten ist es aufgrund von Nebenwirkungen jedoch nicht möglich, die genannten Tagesdosen zu erreichen. Die Behandlung sollte nach der Diagnosestellung beginnen, wobei die Behandlungsziele klar zu definieren sind. Wann man die Therapie beendet, dies variiert im Einzelfall und bedarf der Abstimmung mit dem Patienten oder dem gesetzlichen Vertreter. Treten relevante Nebenwirkungen auf, sollte das Demenz-Medikament abgesetzt werden.
Synergismen durch Kombination der Antidementiva
Insbesondere in den ersten sechs Wochen nach Therapiebeginn solte man den Patienten im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen sorgfältig überwachen. Der Status des Demenzkranken sollte dokumentiert werden, nachdem er drei bis sechs Monate lang mit der höchsten tolerierten und empfohlenen Dosis behandelt wurde. Unter einer Langzeittherapie wird der Zustand des Patienten mindestens alle sechs Monate erneut bewertet.
Einige Befunde weisen darauf hin, dass eine Kombination von Medikamenten mit unterschiedlichem Wirkmechanismus zu synergistischen Effekten führen kann. Angesichts der Bedeutung demenzieller Erkrankungen sollte die Kombinationstherapie eine Behandlungsoption sein, schreiben die Experten.
Psychopharmaka bei Demenz-Patienten niedrig dosieren
Demenzkranke zeigen nicht selten neuropsychiatrische Symptome (NPS) wie Hyperaktivität, depressive Stimmungslage, aggressives oder unangemessenes Verhalten. Bei NPS stellen psychosoziale Interventionen die Behandlung erster Wahl dar. Führen diese nicht zum Erfolg, kann eine medikamentöse Therapie unter Beachtung möglicher Nebenwirkungen eingeleitet werden.
Bei Hyperaktivitätssyndrom z.B. kann ein Behandlungsversuch mit Risperidon, Olanzapin, Quetiapin, Citalopram, Trazodon oder Carbamazepin gerechtfertigt sein, und zwar in niedriger Dosierung und nur über kurze Zeit. Vom Einsatz von Valproinsäure und Lithium raten die Experten ab.
* World Federation of Societies of Biological Psychiatry
Quelle: Ralf Ihl et al., World J Biol Psychiatry 2011; 12: 2-32