19. Mai 2017

Der Dreh an der Preisspirale

ARZNEIMITTELPREISE – Mit dem neuen Gesetz gegen teure Medikamente versucht die Regierung die Kosten im Gesundheitssystem in den Griff zu bekommen. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen, wie eine Studie der GÖG belegt. (Pharmaceutical Tribune 09/2017)

Foto: Wikimedia/CC - foxxyz

In den meisten Ländern der EU und verstärkt auch weltweit werden die Preise für neue Medikamente mittels „External Price Referring“ (EPR) festgelegt. Dabei werden die Preise gleicher Arzneispezialitäten in bestimmten anderen Ländern als Basis für die Preisfeststellung herangezogen. In Österreich wendet der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (HV) diese Methode zur Festlegung der im Erstattungskodex gelisteten Medikamente an.

Die neuen Preisregelungen für Hochpreiser & Generika

Seit Ende März gibt es auch für Medikamente, die nicht im Erstattungskodex gelistet sind, eine Preisobergrenze. Um diese einzuführen, nutzten SPÖ und ÖVP eine technische Änderung im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) dazu, das Gesetz mittels Abänderungsantrag im Schnellverfahren durch das Hohe Haus zu bringen. Demnach dürfen teure Medikamente nun in Österreich nicht mehr kosten als der EU-Durchschnitt. Zudem wurden die Preisregelungen für Generika adaptiert und ähnliche Regelungen für Biosimilars in das Gesetz aufgenommen (Pharmaceutical Tribune berichtete). Konkret sieht das ASVG nun eine zeitlich gestaffelte Preisfestsetzung für den roten und gelben Bereich des Erstattungskodex vor.

So ist 18 Monate nach der erstmaligen Festsetzung der EU-Durchschnittspreis erneut zu ermitteln, eine weitere Prüfung ist 24 Monate später vorgesehen. Nach weiteren 18 Monaten kann allenfalls eine vierte Preisfestsetzung erfolgen. Jeweils zu berücksichtigen sind den Mitgliedsstaaten gewährte gesetzliche Rabatte. Die neue Generika-Regelung sieht vor, dass für das erste Generikum nun ein Preisunterschied von 50 Prozent (zuvor 48 Prozent) zum ursprünglichen Preis des Originalpräparates gelten darf, für das dritte sind es bereits 65 Prozent. Ähnliche Regelungen wurden auch für Biosimilars in das Gesetz aufgenommen, wobei hier der Preisunterschied zum Originalprodukt 52,5 Prozent beträgt. Ein Preisband soll bestehende Preisunterschiede für wirkstoffgleiche Medikamente verringern.

Arzneimittelpreise im EU-Vergleich

Bereits im Herbst des Vorjahres veröffentlichte die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) eine Studie*, in der die Preise von 60 Arzneimitteln (45 im niedergelassenen, 15 im stationären Sektor), die 2014 beim Hauptverband sowie bei ausgewählten Krankenversicherungsträgern hohe Kosten verursacht hatten, mit den Preisen in den anderen EU-Ländern (Stand Juli 2015) verglichen wurden. Zentrales Ergebnis der Studie: Bei allen Arzneispezialitäten des stationären Sektors liegen die österreichischen Fabriksabgabepreise über dem EU-Median. Im niedergelassenen Sektor bewegen sich 73 Prozent der Fabriksabgabepreise über dem EU-Median. Konkret liegen die Fabriksabgabepreise im stationären Sektor rund 19 Prozent über dem EU-Durchschnitt, jene im niedergelassenen Bereich um zwei Prozent über dem Durchschnitt.

Auch die Apothekenverkaufspreise (Brutto-Ebene) wurden verglichen. Hier fällt das Ergebnis sogar noch drastischer aus: Bei den im niedergelassenen Bereich eingesetzten Arzneimittelspezialitäten liegen 95,9 Prozent der Preise über dem EU-Median, bei 17,8 Prozent (acht Arzneispezialitäten) ist Österreich sogar Höchstpreisland. „Dies deutet auf eine vergleichsweise hohe Abgeltung apothekerlicher Leistungen“, schlussfolgern die Studienautoren. Sie empfehlen daher, die in Österreich höheren Apothekenspannen als im EU-Vergleich zu prüfen und gegebenenfalls in Hinblick auf alternative Modelle zu überdenken. Hierbei sollte das Spektrum an apothekerlichen Leistungen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten der jeweiligen Apothekenremuneration gegenüber gestellt werden.

Kommt der Arzneimittelengpass?

Die Pharmaindustrie hat sich bereits seit Langem auf die Methode des EPR eingestellt. So werden laut GÖG-Studie Arzneimittel zuerst in hochpreisigen Ländern eingeführt und erst später (oder gar nicht) in niedrigpreisigen Ländern, um nicht den europäischen Durchschnittspreis zu früh zu senken. Ob es künftig auch in Österreich länger dauern wird, bis innovative Arzneimittel auf den Markt kommen, bleibt abzuwarten.

* Vogler, Schneider, Zimmermann (2016): Preisvergleich kostenintensiver Arzneimittel 2015. Im Auftrag des BMGF. ISBN 978- 3-85159-203-0 

MITGEZÄHLT
30 Millionen Menschen in der EU haben eine chronische Lebererkrankung, 10 Millionen davon eine chronische Virushepatitis. Leberkrankheiten sind die fünfthäufigste Todesursache in Europa.
844,4 Millionen Euro an Beitragsrückstanden hatten Ende Dezember 2016 die neun Gebietskrankenkassen ausständig. Rund 45 Prozent davon machen Dienstnehmer aus, den Rest Dienstgeber. Im Jahr davor lagen die Beitragsrückstande bei 923,6 Millionen Euro.

Österreich im Preisvergleich

Im Schnitt lagen die Arzneimittelpreise (FAP; niedergelassener und stationärer Sektor gemeinsam) in Österreich um 54,6 Prozent über jenen im Tiefstpreisland, um sechs Prozent über dem EU-Durchschnitt und um 23,8 Prozent unter dem Preis der Arzneispezialität im Höchstpreisland. Im niedergelassenen Sektor lagen die Preise im Schnitt um 42,8 Prozent über jenen des Tiefstpreislandes. Der Preisunterschied kann je nach Medikament sehr stark variieren:

  • Der Preis für Rilmenidin war z.B. in Österreich am höchsten, gleichzeitig belief sich der Unterschied zum FAP pro Stück auf 9 Cent zum Tiefstpreisland (Tschechien).
  • Bei Simeprevir lag der österreichische Stück-FAP bei 327,37 Euro – damit ist der FAP pro Stück um 88,45 Euro höher als im Tiefstpreisland (Estland).
  • Der größte Unterschied zwischen dem österreichischen FAP und jenem im Tiefstpreisland fand sich bei Treprostinil (österreichischer Stück-FAP: 17.938,05 Euro). Hier lag Österreich um 13,5 Prozent über dem Tiefstpreisland Frankreich, was einen Preisunterschied von 2.130 Euro pro Stück ausmacht.
  • Umgekehrt lag der Preis für Escitalopram in Österreich um 57,2 Prozent unter dem EU-Durchschnittspreis (0,52 Euro), was einem Unterschied von knapp 30 Cent entspricht.