Booster für die Ovarien

Von der Eizellspende zum Ovarian Tissue Banking: Wie die Reproduktionsmedizin auf den verstärkten Trend zum späten und auch perimenopausalen Kinderwunsch reagiert. (CliniCum urologie 4/18)

In den Eierstöcken eines weiblichen Embryos in der 20. Gestationswoche befinden sich sieben Millionen Eizellen; bei der Geburt des Mädchens sind es noch ein bis zwei Millionen, in der Pubertät bis zu 500.000; mit 37 Jahren hat eine Frau nur noch rund 25.000 Eizellen, im Alter von 51 Jahren ist die Zahl auf 1.000 gesunken: Die Zahl der Eizellen in den Ovarien nimmt im Laufe des Lebens durch Atresie kontinuierlich ab. Das ist jedoch nur ein Grund für die altersbedingte Abnahme der weiblichen Fruchtbarkeit, die sich ab dem 37. Lebensjahr beschleunigt. Es kommt auch zu einer Verschlechterung der Eizellqualität, assoziiert mit einem sukzessiven Anstieg des zirkulierenden follikelstimulierenden Hormons (FSH) sowie mit einer allmählichen Abnahme der Konzentration des Anti-Müller-­Hormons (AMH) und von Inhibitin. Die genauen Mechanismen der Abnahme der weiblichen Fertilität sind noch weitgehend ungeklärt.

Trend zur späten Mutterschaft

Zu diesen biologischen Fakten ist eine gegenläufige gesellschaftliche Entwicklung zu beobachten: „In der westlichen Gesellschaft wird seit etwa 20 Jahren ein zunehmender Trend zur späten Mutterschaft festgestellt“, weiß Prim. Dr. Georg Freude, Präsident der Österreichischen IVF-Gesellschaft. Zwischen 1990 und 2000 stieg die Quote der ersten Kinder bei späten Müttern (35 Jahre und älter) von fünf auf 16 Prozent. Das Durchschnittsalter der Erstgebärenden beträgt in Europa knapp 30 Jahre, 1970 lag es noch bei 24 Jahren, 1995 bei 28 Jahren. Und das Durchschnittsalter der Erstgebärenden in Europa ist weiter im Ansteigen: alle drei Jahre um ein Jahr.

„Rush hour“ des Lebens

„Die Gründe für den späten Kinderwunsch liegen in einem stark gewandelten Frauenbild“, so Freude. Frauen absolvieren heute oft eine hochqualifizierte und entsprechend lang dauernde Ausbildung, engagieren sich beruflich stärker, wollen erst einmal optimale Rahmenbedingungen für ein Kind schaffen – dazu gehört eine solide finanzielle Situation und eine gefestigte Partnerschaft. „Durch den gesellschaftlichen Wandel liegt jetzt die ,Rush hour‘ des Lebens zwischen dem 27. und 35. Lebensjahr und hat sich somit zeitlich nach hinten verschoben. Zunehmend wird der Kinderwunsch erst nach dieser Phase zum Thema“, erläutert Freude. „In Hinblick auf die demografische Entwicklung und die gesellschaftlichen Veränderungen ist die Reproduktionsmedizin zunehmend mit dem Kinderwunsch von Frauen ab dem 40. Lebensjahr konfrontiert.“

Therapeutische Optionen

Ovarian Tissue Banking. Der Reproduktionsmedizin stehen unterschiedliche therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung, um auf den zunehmenden Trend zum späten und auch perimenopausalen Kinderwunsch zu reagieren. Eine davon ist das Ovarian Tissue Banking. Dabei wird der Frau Eierstockgewebe entnommen und für später eingefroren. Dies wird etwa bei onkologischen Patientinnen gemacht, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssen, die zur Zerstörung des Eierstockgewebes führen kann.

Ovarian Rejuvenation. Bei diesem Verfahren werden Wachstumsfaktoren aus Blutplättchen (PRP) in die Ovarien zur Entwicklung befruchtungsfähiger Eizellen aus ovariellen Stammzellen injiziert.

Uterus Rejuvenation. Hierbei werden PRP in das Cavum uteri zur „Verjüngung“ des Endometriums eingespritzt.

Mitochondrienspende. Dabei wird ein Kerntransfer ins Ooplasma einer entkernten Spenderinneneizelle mit intaktem Mitochondrienerbgut vorgenommen.

Klassiker Eizellspende

Die wichtigste Möglichkeit bei prä- und perimenopausalem Kinderwunsch ist die Eizellspende. Freude: „Diese ist erst seit 2015 in Österreich erlaubt und in ein enges rechtliches Korsett geschnürt.“ Laut Fortpflanzungsmedizingesetz dürfen zum Zweck der medizinisch unterstützten Fortpflanzung Eizellen nur einer Krankenanstalt zur Verfügung gestellt werden und nur in Ehen, eingetragenen Partnerschaften oder Lebensgemeinschaften verwendet werden. Weiters können die Spenderinnen nicht anonym bleiben – ein Grund, warum laut Freude viele potenzielle Spenderinnen von einer Spende Abstand nehmen. Und schließlich, in Zusammenhang mit spätem Kinderwunsch besonders wichtig: Die fortpflanzungswillige Frau darf zu Beginn der Behandlung das 45. Lebensjahr nicht vollendet haben.

„Prämenopausaler Kinderwunsch – ein zunehmendes Phänomen“; Wien, 8.12.17

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum uro&gyn