20. März 2018

Koscher, Kinder und Co.

Eine Apotheke in der Wiener Innenstadt hat ihre Nische gefunden. Kräuterspezialistin Mag. Teresa Marosi entwickelt Nahrungsergänzungsmittel für unterschiedliche Bedürfnisse. (Pharmaceutical Tribune 03/2018)

FOTO: FELICITAS MATERN, FEEL IMAGE

Seit zwei Monaten prangt ein Koscher-Zertifikat auf den hauseigenen Nahrungsergänzungsmitteln der Mohrenapotheke in der Wipplingerstraße. Als „jüdisches Textilviertel“ war die Gegend früher besser bekannt, bevor die Textilindustrie sich veränderte. Der Stadttempel oder die Israelitische Kultusgemeinde sorgen aber nach wie vor für zahlreiche jüdische Kunden. Man sieht es dem Jugendstilhaus nicht an, aber die Mohrenapotheke ist eine der geschichtsträchtigsten in ganz Wien. Im 14. Jahrhundert gegründet, handelt es sich um die drittälteste Apotheke der Stadt, die bereits am Graben, in der Kärntner Straße, am Hohen Markt und in den Tuchlauben angesiedelt war. Seit vier Generationen befindet sie sich nun in der Wipplingerstraße – und im Besitz einer jüdischen Familie. Allerdings wurde der Betrieb 1938 „arisiert“, nachdem eine nationalsozialistische Mitarbeiterin der Apotheke einen Antrag darauf gestellt hatte. Und erst über zehn Jahre nach Kriegsende bekam Mag. Edith Schüller den Betrieb wieder zurück.

In der drittältesten Apotheke Wiens werden koschere NEM hergestellt, die jüdische ebenso wie muslimische Kunden schätzen.
In der drittältesten Apotheke Wiens werden koschere NEM hergestellt, die jüdische ebenso wie muslimische Kunden schätzen.

Am Anfang war der Tee

Seitdem ist die Apotheke nun fest in Frauenhand, seit fünf Jahren mit Schüllers Enkeltochter Mag. Teresa Marosi an der Spitze. Sie übernahm den Betrieb von ihrer Mutter, Mag. Sylvia Friedrich, die sie auch heute noch an der Tara unterstützt. Koschere NEM wissen nicht nur die jüdischen Kunden zu schätzen. In diesem Fall genügen sie auch den muslimischen Speisevorschriften. Darüber hinaus sind sie für Veganer und Menschen mit Laktoseintoleranz geeignet. „Eigentlich hat alles mit unseren Teemischungen angefangen, die bei den Kunden sehr beliebt sind“, erzählt Marosi. In die Tees floss aber auch viel Hintergrundwissen ein. Schließlich hat Marosi in ihrer Magisterarbeit Hexenkräuter aus mythologischer und wissenschaftlicher Sicht beleuchtet. Aus Gründen der Bequemlichkeit wünschten sich einige Kunden die Zutaten des Tees als Kapseln. „Und da dachte ich mir: Wenn ich NEM entwickle, dann sollten sie auch für vegane und laktoseintolerante Menschen infrage kommen!“ So kreierte Marosi acht verschiedene Produkte, die sie in einer Nährstoffakademie in Salzburg herstellen lässt. Gelatine ist dabei ebenso tabu wie der beliebte Füllstoff Laktose. Damit sind die Kapseln obendrein koscher – und bekommen den Sanktus der Israelitischen Kultusgemeinde.

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Schwerpunkt Kinder

Ein zweiter Schwerpunkt der zweifachen Mutter Marosi ist das Thema Babys und Kleinkinder – von Kinderwunsch über Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit, Arzneimittel und alternative Heilmittel bis zur Tragetuchberatung. Spezialisierungen spielen eine wichtige Rolle in einer Straße, wo heute immer mehr Geschäfte leer stehen. „Außerdem versuche ich mich gegenüber den großen, modernen Apotheken mit einem Vintage-Greißler-Stil abzuheben“, sagt Marosi. In der kleinen Offizin mit den Jugendstil-Möbeln fallen mit Kreide beschriebene Schiefertafeln auf. Der Verkaufsraum mag nicht groß sein, dahinter ist aber viel Platz für das Lager und einen Raum für die Ernährungsberatung. Abnehmwillige Kunden bekommen dort auf Wunsch ausgehend von einer Fettmessung einen Diätplan und Formula-Shakes. Noch bevor man das Lokal betritt, wird in der Auslage ausführlich der Name Mohrenapotheke erklärt. „Er bezieht sich auf einen Äthiopier, der damals als besonders heilkundig galt“, so Marosi.

APO-Steckbrief:

  • Mohrenapotheke Wipplinger Straße 12, 1010 Wien
  • www.mohrenapo.at
  • Spezialisierungen: Teemischungen, Bachblüten
  • Spezialitäten: koschere, vegane und laktosefreie NEM, hausgemachte Baby- und Schwangerschaftspflege
  • Services: Reise- und Impfberatung, Bachblüten-, Ernährungsberatung

APOPRIVAT
Mag. Teresa Marosi

Work-Life-Balance Für die Kinder muss genug Zeit sein, zumal sie sehr viele Aktivitäten haben. So spielt mein 9-jähriger Sohn Theater und meine 13-jährige Tochter ist eine Pferdenärrin. Nach der Schwangerschaft habe ich gleichzeitig mit ihr wieder zu reiten begonnen, was wir nun regelmäßig gemeinsam tun. Außerdem reise ich gerne, zuletzt ging es nach Island.
Laster Wenn man es denn so nennen will: Ich gehe sehr gerne mit meinen Freundinnen aus. Mein Mann ist gerne mit den Kindern zu Hause.
Überraschungseffekt Ich habe mir das Apothekerinnendasein etwas leichter vorgestellt. Es sah bei meiner Mutter immer so leicht aus. Der Standort ist derzeit für Laufkundschaft ein schwieriger. Es haben viele Geschäfte zugesperrt und es sind keine neuen Geschäftsleute eingezogen.