13. Mai 2020

Angstmachen funktioniert halt gut

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht kein Licht. Über denen, die in der Finsternis wohnen, strahlt kein Licht auf. Der Jubel ist verstummt. (Jesaja, Kapitel 9, interpretiert durch COVID). Die Sonne scheint, die Bäume blühen, das Grün der Blätter leuchtet, ich bin „Nordic walken“. Die Menschen, die mir entgegenkommen, gehen gebückt, ihre Gesichter verhüllt. Sogar die Jogger tragen Masken und auf einem Balkon sitzt ein einsamer Mann mit Maske im Gesicht. Von „Maske eher sinnlos“ bis „Maske könnte Sinn machen, vor allem wenn jemand rotzt und hustet“ (guter Gedanke, da wir selbige Tätigkeiten entweder frei ins Gesicht des Gegenübers oder in die rechte Hand, die wir gerne zum Schütteln darbieten, erledigen) bis zur Maske als Pflicht und Allheilmittel vergingen, glaube ich, drei Tage.

Seitdem klammern sich angstgebeutelte Menschen an mehr oder weniger grausliche Schlatzfetzen im Gesicht. Kaum jemals richtig angelegt, aber Hauptsache Maske. Vom Verhüllungsverbot zum Verhüllungsgebot war ein kurzer Weg. Unsere Hirne waren schnell umgepolt. (Wohlgemerkt, ich rede nicht von Schutzkleidung im Umgang mit Kranken!) Letztens waren wir einkaufen. Sofort wurde ich von einer Furie angefallen, die mir befahl, ein eigenes Wagerl zu nehmen. „Keine Sorge, ich halte Abstand auch ohne Wagerl“, versuchte ich sie zu beschwichtigen. „Darum geht’s net!“ „Worum dann?“ Später fand ich heraus, dass sie anhand der Anzahl der Wagerln die Anzahl der Kunden kontrollierten, eine einfache und gescheite Idee, die man auch problemlos kommunizieren könnte. Alles, was ich erfahren durfte, war allerdings: „Das brauch ich ihnen nicht zu erklären. In Zeiten wie diesen tut man, was einem angeschafft wird, und fragt nicht nach!“

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune