8. Nov. 2019

Wozu hab ich überhaupt Medizin studiert?

Wenn man den Untersuchungen Glauben schenkt, ist die Aufmerksamkeitsspanne der meisten Menschen erschreckend kurz. Also müsste man als Arzt alle wichtigen Informationen in zirka dreißig Sekunden unterbringen, denn dann lässt das Interesse beim Gegenüber nach. Aber viele medizinische Dinge sind für Laien schwer nachvollziehbar sind und es gibt auch Menschen, die einfach nicht Gefahr laufen, jemals die Mathe-Olympiade oder einen Nobelpreis zu gewinnen. Deshalb habe ich für wichtige Dinge Merkblätter geschrieben. Zum daheim Durchlesen in Ruhe. Mein Lieblingsmerkblatt ist das für Durchfallerkrankungen. Da steht alles oben, vom Händewaschen bis zur Schon- und Aufbaukost. Inspiriert dazu hat mich vor Jahren Frau K., die mit ihrem Gatten gemeinsam Gastroenteritis-geplagt von mir ausführlich beraten wurde. Um dann im Hinausgehen zu ihm zu sagen: „So, mein Schatz, jetzt mach ich dir als Erstes einmal einen schönen, großen Salat.“ Grrrrrr! Wozu rede ich überhaupt?

I wie Informationshunger

Die Frage, wozu ich überhaupt rede, stelle ich mir immer öfter. Aber nicht bei Menschen, die vielleicht geistig etwas einfacher gestrickt sind. Auch nicht bei Patienten, die nicht auf Deutsch als Muttersprache zurückgreifen können. Grund meiner Frustration sind junge, sprachgewandte und durchaus akademisch gebildete Menschen. Und manchmal muss ich mich sehr zurücknehmen, um nicht ein wenig lauter zu werden. Am liebsten würde ich ein neues Merkblatt kreieren und damit auch gleich die Wände der Praxis tapezieren mit der Aufschrift: „Liebe Patientin, lieber Patient! Wenn Sie Ihre Diagnose von Dr. Google haben, dann holen Sie sich doch bitte die Zweitmeinung von Dr. Yahoo!“ (Und lassen Sie mich bitte in Ruhe und verschonen meine Zeit und meine Nerven für die Menschen, die mich und meine Arbeit wirklich benötigen!)

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune