23. Apr. 2018Digitale Pilotprojekte

Neue Rezepte gegen Volkskrankheit Diabetes

Die Digitalisierung eröffnet im Kampf gegen Diabetes neue Möglichkeiten – erfolgreiche Pilotprojekte zeigen, was alles möglich ist. (Medical Tribune 16/18)

Er ist weltweit auf dem Vormarsch und zählt zu den größten Herausforderungen nationaler Gesundheitssysteme, zumal es sich um eine höchst komplexe Erkrankung handelt. Die Rede ist vom Diabetes mellitus. In Österreich leiden etwa 600.000 Menschen darunter. Die Gesundheitsministerin und die Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) zeigten auf einer Veranstaltung in Wien neue Wege im Kampf gegen Diabetes auf. „Diabetes mellitus ist eine Krankheit, die nicht nur jene Menschen betrifft, die daran erkrankt sind. Sie betrifft uns alle – auch als Angehörige, Freunde, Bekannte, Kollegen und als Menschen, die im Gesundheitssystem tätig sind. Für ein möglichst einfaches, aber effizientes Selbstmanagement der Krankheit kommt den Patienten die Digitalisierung als zeitgemäße treibende Kraft der Qualitätsverbesserung zugute“, sagte Ministerin Beate Hartinger-Klein und stellte zwei Best- Practice-Projekte vor: den Gesundheitsdialog Diabetes der VAEB sowie DiabCare in Tirol.

Digitale Meilensteine

Beide gelten als Meilensteine im Kampf gegen Diabetes durch den Einsatz von Digitalisierung. Trotz vieler Verbesserungen in der Behandlung liegt die Lebenserwartung von Diabetikern noch immer unter der der Durchschnittsbevölkerung. Dies ist vor allem durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen als typische Begleiterkrankung bedingt. Umso wichtiger sind Verhaltensänderungen samt regelmäßiger Kontrolle bestimmter physischer Parameter wie Blutzucker und Gewicht. Und genau hier kommen neue Technologien ins Spiel. Das Projekt der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) wird in Kooperation mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) umgesetzt. Therapieerfolge werden beispielsweise durch die Darstellung des Zusammenhangs zwischen Bewegungsverhalten und Gewichtsentwicklung sichtbar gemacht. Durch den Einsatz des Telemonitorings kann bei vielen Patienten nachweislich eine Erhöhung der Therapiemitwirkung festgestellt werden. Das Pilotprojekt war ein Erfolg und konnte bereits in den Regelbetrieb überführt werden.

Regionale Vernetzung

Das zweite Best-Practice-Projekt ist ebenfalls ein erfolgreiches Digitalisierungsprojekt, hierbei werden aber auch spezielle regionale Gegebenheiten berücksichtigt. Der Bezirk Landeck im Tiroler Oberland stellt ein diffiziles Setting dar. Vernetzt werden die in der Region einzige spezialisierte Stoffwechselambulanz, niedergelassene Ärzte und andere Health Care Professionals wie Diabetes-Berater und Diätologen. Daten, die über eine App von Patienten direkt gesammelt werden, werden in der Ambulanz regelmäßig überprüft. Geraten die Werte in problematische Bereiche, werden die niedergelassenen Betreuer vor Ort informiert, um mit den Betroffenen persönlich an einer Verbesserung der Diabeteseinstellung zu arbeiten. Das Revolutionäre an diesem Projekt ist, dass diese telemedizinischen Leistungen bereits in den Leistungskatalogen der Versicherungen enthalten sind. Nicht nur Hartinger-Klein sieht neben telemedizinischen Leistungen auch in Data Science große Möglichkeiten für die Medizin.

Die Präsidentin der ÖDG, Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer, erklärt: „Ein gutes Beispiel für Data Science ist eine Erhebung, bei der alle Menschen die Diabetes-Medikamente verschrieben bekommen haben, in anonymisierter Form mit allen ihren Spitalsdiagnosen erfasst wurden. Durch Data Science wurden Korrelationen sichtbar gemacht und auf dieser Basis können zielgerichtet weitere Forschungen stimuliert und neue Behandlungsempfehlungen entwickelt werden.“ Ein Beispiel: „Wir haben prinzipielle Unterschiede zwischen Männern und Frauen gefunden, speziell auch bei Tumoren, von denen Männer mit Diabetes stärker betroffen waren.“ Durch eine Diabeteserkrankung steige somit statistisch auch das Risiko für bestimmte Tumorerkrankungen, besonders unter Medikamenten, die die Insulinspiegel stark erhöhen. Aber: Durch eine gleichzeitige Behandlung mit Cholesterinsenkern (Statinen) sinkt dieses Risiko wieder auf den Faktor von Nicht-Diabetikern.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune