25. Nov. 2019

Liezen: Weniger Betten und Ärzte

Im größten Bezirk Österreichs soll ein neues Leitspital Betten sparen. MT-Recherchen ergaben, dass der Rotstift auch bei Hausärzten angesetzt wird. (Medical Tribune 48/19)

Landespläne für 80.000 Menschen: Leitspital, 26 Hausärzte, 24 Fachärzte und mehrere Facharzt- und Gesundheitszentren.

Die steirischen Landtagswahlen sind geschlagen, doch viel Zeit bleibt nicht. Im Frühjahr steht schon wieder ein Urnengang an – die Gemeinderatswahlen. Wer also auch immer der nächste Polier der gesundheitspolitischen Baustellen wird, hat ordentlich mit Gegenwind zu rechnen. Und zwar nicht nur von Lokalpolitikern der bisherigen Spitalsstandorte Rottenmann, Bad Aussee und Schladming mit insgesamt 351 Betten (inklusive 17 Saisonbetten und drei Isolierbetten in Schladming), in deren Schnittpunkt Stainach-Pürgg (siehe Karte) das neue Leitspital mit 226 Betten hin soll. Sondern jetzt auch von den Ärzten.

„Grazer Milchmädchen“

Eine „Grazer Milchmädchenrechnung“, heißt es aus Ärzte-Kreisen vor Ort. Stainach-Pürgg liege verkehrstechnisch äußerst schlecht und das Leitspital habe nicht einmal eine Neurologie und einen Kinderarzt rund um die Uhr. Das heißt, noch mehr Patienten wie bisher würden in besser ausgestattete Spitäler fahren, in angrenzende Bezirke oder Bundesländer. Jene, die keine Wahl haben, nämlich Notfallpatienten, würden wertvolle Zeit verlieren, z.B. bei einem NSTEMI, den man im EKG vor Ort nicht sieht. Sie kämen zuerst ins neue Leitspital, quasi in eine „Sackgasse“, und von dort erst weiter oder wieder retour in ein Spital mit Herzkatheter, das eineinhalb Stunden (!) von Stainach entfernt ist (Bruck, Wels in OÖ und Schwarzach im Pongau).

Keine Verbesserung gebe es auch bei Schlaganfallpatienten, die eine Stroke Unit benötigen. Tatsächlich gibt es jetzt schon regen Grenzverkehr. Das KH Schwarzach berichtet von 554 Akutaufnahmen aus dem Bezirk Liezen jährlich, davon 114 Innere Medizin (ISV und IMC) und 69 Neurologie, dazu etwa 60 Geburten. 120 steirische Schwangere entbinden in der Kaiserstadt Bad Ischl, die für die Bad Ausseer künftig sogar etwas näher liegt als das neue Leitspital. 1.259 stationäre Patienten aus Liezen lagen im Vorjahr in den Spitälern Vöcklabruck und Bad Ischl. Diese Patientenströme, die noch weiter anschwellen könnten, sind insofern brisant, als die Grazer Planer mit dem Argument künftig höherer Fallzahlen im Leitspital hausieren gehen. Zudem sieht der Regionale Strukturplan Gesundheit 2025 für Steiermark (RSG-St) trotz Bettenreduktion auf 226 ab 2025 keinen Ausbau, sondern eine Reduktion der derzeit 45 Kassenplanstellen für Allgemeinmedizin auf 26 (!) vor. Dafür sollen vier Primärversorgungseinrichtungen (PVE) kommen.

Selbst wenn jede PVE gesetzeskonform mit drei Allgemeinmedizinern kalkuliert werde, seien das nur 38 Hausärzte mit §2-Kassenvertrag, also um sieben weniger als jetzt, bestätigt die Ärztekammer für Steiermark. Mehr noch: Eine „einschneidende Reduktion“ des stationären als auch ambulanten Versorgungsangebots, wie sie sich aus den Planungszahlen ablesen lasse, erscheine „äußerst bedenklich“. Hier brauche es jedenfalls zusätzliche Maßnahmen, um die angemessene Versorgung der Bevölkerung langfristig zu gewährleisten. Die Ärztekammer werde sich hier stark engagieren.

„Soll umgesetzt werden“

Der Gesundheitsfonds stellt auf Anfrage klar: „Die Grundlage für die Weiterentwicklung der steirischen Gesundheitsversorgung ist im RSG-St festgehalten bzw. beschlossen und soll auch so umgesetzt werden. Einige Bedenken wurden in der Vergangenheit durch viele Gespräche und Diskussionen entkräftet.“ Über alles Weitere entscheide dann die neue Landesregierung im Rahmen des Steirischen Gesundheitsplans 2035.

Die Antwort der StGKK lautet: “Der RSG geht von der Prämisse aus, dass eine Primärversorgungseinheit aufgrund des Vorhandenseins von Gesundheitsdienstleistern eine höhere Versorgungswirksamkeit entfaltet, als das in derselben Anzahl an Einzel-AM-Stellen der Fall wäre. Der RSG geht darüber hinaus vom Idealzustand aus, dass im Bezirk Liezen bis 2025 vier Primärversorgungseinheiten entstanden sind, die diese Versorgungswirksamkeit auch tatsächlich entfalten. Die Planungen von Einzelplanstellen und Primärversorgungseinheiten gehen Hand in Hand. Sollte die Umsetzung von Primärversorgungseinheiten im Bezirk Liezen zeitlich, qualitativ oder nicht in diesem Umfang möglich sein, werden auch die entsprechenden AM-Planstellen nicht reduziert werden können.“

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune