Ärztemangel: Ein bisschen Kopfrechnen für die Ärztekammer

In den Wiener Spitälern rollt eine Pensionierungswelle; die Ärztekammer warnt: 33 Prozent der Spitalsärzte werden in den nächsten zehn Jahren in Pension gehen. Doch ist das eine Bedrohung? Rechnen wir nach: Dieses Drittel, das in Pension geht, muss mindestens 52 Jahre alt sein. Es geht also um die Jahrgänge vor 1967. Nach der Matura mit 18 haben diese Ärzte ihr Studium begonnen, das damals im Schnitt acht Jahre dauerte. Dann kam die Wartezeit, denn diese Generation musste gerade in Wien jahrelang auf eine Turnusstelle warten – es gab von den 1980ern bis ins Jahr 2005 ganz Ärztekammer-offiziell eine Ärzteschwemme, die sich quasi über Nacht von Oberösterreich ausgehend abrupt in den Ärztemangel verwandelte, als man dort unbedingt eine eigene Med-Uni wollte und dazu jene Argumente verwendete, die das damalige Wissenschaftsministerium gegenüber der EU anbrachte, um die Österreichquote durchzusetzen; ein reines Politikum, weit weg von jeglicher Evidenz – nach der Wartezeit begann also ein Arzt zu arbeiten, kaum unter 30 Jahren.

Damit dauert das Erwerbsleben bei Männern 35, bei Frauen 30 Jahre. Geht man davon aus, dass über beide gerechnet, Spitalsärzte nicht länger als 32 Jahre arbeiten, bedeutet das, dass in zehn Jahren, ganz ohne Pensionierungswelle, 31 Prozent der Ärzte in Pension gehen. Und was droht jetzt durch die Pensionierungswelle, vor der gewarnt wird? Eine Quote von 33 Prozent! Nun, so bedrohlich dürfte diese also nicht sein. Aber vielleicht geht es ja um etwas anderes.

Taktisches Kalkül

Im Kassenbereich, und nur dort, ist eine erhebliche Überalterung feststellbar. Zwar machen Kassenärzte nur 15 Prozent aller Ärzte aus, aber trotzdem sind sie in aller Munde. Die Angst vor einem Ärztemangel durch eine Pensionierungswelle greift um sich und verbessert die Verhandlungsposition der Ärztekammerfunktionäre, aber eben nur derer, die für Kassenärzte zuständig sind. Die angestellten Ärzte verlieren an Boden. Also ist es naheliegend, auf diesen Zug aufzuspringen – auch wenn man dazu Zahlen skandalisieren muss, die schlicht normal sind.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune