16. Apr. 2018

SV-Reform: Das Tauziehen hat begonnen

GKKs und Ärztekammern bringen sich geschlossen in Stellung gegen die geplanten Kassenfusionen. Auch der AUVA soll es an den Kragen gehen, sie wehrt sich. Die Ministerin bleibt vorerst unerbittlich. (Medical Tribune 15/18)

Das gab’s noch nie: Die Spitzen von Kammer & Kasse auf einem Fleck. Sie sind fest entschlossen, der Regierung die Zähne zu zeigen. Nach dieser Zusammenkunft in Salzburg ist Anfang Juni ein Treffen in Linz geplant.

Am Karfreitag herrschte emsige Betriebsamkeit in Salzburg, von Osterfrieden keine Spur. Vertreter aller neun Gebietskrankenkassen und aller neun Landesärztekammern haben ein Konvolut gegen eine „Zerschlagung“ der regionalen „Netzwerke“ von Kassen und Ärztevertretung verfasst und einstimmig beschlossen. Die sogenannte „Salzburger Deklaration“* enthält neun Punkte, die mehr oder weniger den Plänen der türkis-blauen Regierung zuwiderlaufen, hier gekürzt wiedergegeben:

  • Erhalt der regionalen Krankenversicherungen mit Planungs- und Beitragshoheit,
  • Absicherung der echten regionalen Selbstverwaltung aus Dienstnehmern und Dienstgebern in den Krankenkassen sowie Ablehnung der Reduktion der Selbstverwaltung auf ein reines Aufsichtsorgan,
  • autonome Finanzierung und Verwaltung der Krankenkassen und Beibehalt der Dualität der Beitragsprüfung durch Kassen und Finanzbehörden,
  • Fortbestand der bestehenden autonomen Gesamtvertragsstrukturen zwischen Kassen und Kammern,
  • Wiederherstellung jenes Zustands, der den Kassen die Abdeckung der versicherungsfremden Leistungen durch die Bundesregierung garantierte,
  • Solidarität und Risikoausgleich zwischen den Krankenversicherungen (Ausgleichsfonds),
  • Freiheit, Geldmittel in der Region auszugeben, wo sie erwirtschaftet wurden,
  • Berücksichtigung des Fachwissens der Ärzteschaft bei der Entscheidungsfindung im Gesundheitswesen sowie
  • rasche Maßnahmen laut Regierungsprogramm zur Stärkung der Wertschätzung der Kassenärzteschaft.

Die Deklaration endet zwar mit dem Bekenntnis, das Gesundheitssystem „konstruktiv“ und „gemeinsam“ weiterentwickeln zu wollen, die Begleittöne in der anschließenden Pressekonferenz lassen aber erahnen, wie heiß es schon unter dem Deckel köchelt: Als „De-facto-Verstümmelung der Selbstverwaltung“ bezeichnet SGKK-Obmann Andreas Huss die Vorhaben von ÖVP und FPÖ, sein Pendant in der Ärztekammer Salzburg, Dr. Karl Forstner, warnt vor „reinen Vasallen-Kassen“. Auch im Westen greift VGKK-Obmann Manfred Brunner nicht zu zarten Worten und charaktisiert die angepeilte Zentralisierung als „sauteuer“ und „bürgerfern“. In seinem Blog, Eintrag Ostermontag, 2. April, nimmt auch Österreichs Ärzte-Chef, Dr. Thomas Szekeres, kein Blatt vor dem Mund: Die Erklärung wende sich gegen die „Zertrümmerung der Autonomie“. Bemerkenswerterweise sprach er auch schon davon, dass die Regierung ernst machen wolle: Nur mehr fünf Versicherungen, Ende der AUVA.

Ende der AUVA schon fix?

Dann der Paukenschlag vergangenen Donnerstag, 5. April: Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FP) rechnet laut APA damit, dass die AUVA tatsächlich aufgelöst werde. Sie glaube nämlich nicht, dass die AUVA die geforderten 500 Millionen Euro an Einsparungen schaffen wird. Bereits im MT-Interview Anfang März (Nr. 10) hatte sie kryptisch gemeint, sie wüsste, wie die AUVA 500 Millionen einsparen könnte, sage es ihr aber nicht: „Die sollen auch lernen.“ Die jüngste Ankündigung von Hartinger-Klein, dass die AUVA das nicht auf die Reihe bringen werde, löste eine beispielslose Protestwelle aus, zumal sie durchblicken ließ, gar nicht wie ausgemacht bis Jahresende auf ein entsprechendes Konzept warten zu wollen: Bereits Ende April/ Anfang Mai soll ein „Grobkonzept“ zur Zusammenlegung der SV-Träger von derzeit 21 auf „maximal fünf“ vom Ministerrat beschlossen werden. Die neun GKKs würden zu einer „Österreichischen Krankenkasse“ zusammengefasst. In Kraft treten soll das Konzept bereits mit 1. Jänner 2019, jedoch mit Übergangsfristen.

„Einseitige Aufkündigung“

Für DDr. Anton Gerald Ofner, Obmann der AUVA, ist es „unerklärlich“, wieso Hartinger-Klein den vereinbarten Zeitplan „einseitig aufkündigt“ und sich außerdem nicht an das Regierungsprogramm halte. Denn dort sei eine Überprüfung der Aufgaben der AUVA zugesagt: „Wenn wir von jenen Zahlungen entlastet werden, die nichts mit der Unfallversicherung zu tun haben, können wir das Einsparungsziel der Bundesregierung erfüllen“, versichert Ofner. Unterstützung bekam er von allen Seiten, u.a. von Hauptverbands-Chef Dr. Alexander Biach, von Ärztekammer- Chef Szekeres, von SP-Gesundheitssprecherin Dr. Pamela Rendi-Wagner und natürlich auch von den Gewerkschaften. Ein SP-Vertreter dieser, FSG-Landesvorsitzender Gerald Forcher, drohte sogar mit Streik: „Wir sind bereit, einen Arbeitskampf zu führen, und werden bis zum Schluss für die Beschäftigten und für die AUVA kämpfen.“ Auch für die GKKs und Landesärztekammern ist die Salzburger Deklaration erst der Auftakt. Das nächste Treffen erfolgt Anfang Juni in Linz, da sollen bereits weitere Partner auf ihrer Seite sein: Landespolitiker, Selbsthilfegruppen, Sozialpartner, Berufsverbände wie Psycho- und Physiotherapeuten.

*Gesamtversion unter: http://www.aeksbg.at

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune