Don’t smoke – Groll über „Rosstäuschereien“

Leider eine typische Handbewegung vieler Österreicher: 24 Prozent der Erwachsenen rauchen täglich, der OECD-Schnitt liegt bei 18 Prozent.

18.431 Stimmen fehlten auf die 900.000-Hürde für eine Volksabstimmung zum Rauchverbot in der Gastronomie. Ärzte im ganzen Land ärgern sich über die VP/FP-Spitzen und ihre zahlenfeilschende Koalitionstaktik.

Nur zwei Prozent, dann wäre das Maß voll gewesen. Doch VP-Kanzler Sebastian Kurz, Nichtraucher, und sein FP-Vize Heinz-Christian Strache, Raucher, blieben vorige Woche hart. Die Zahl 900.000 steht im Koalitionspakt und das gilt. Das rief bei jenen, die sich mit statistischer Signifikanz auskennen, Kopfschütteln hervor.
So gut wie alles spreche für ein Rauchverbot in der Gastronomie, appelliert Dr. Florian Stigler erneut, „Nägel mit Köpfen zu machen“. Der Allgemeinmediziner und Experte für Öffentliche Gesundheit an der Med Uni Graz hat wissenschaftliche Studien zu Effekten eines Rauchverbots in Lokalen analysiert und dessen Nutzen berechnet (siehe Info). Gleichzeitig würde nicht einmal die Gastronomie einen Schaden davontragen, wie Stigler nicht müde wird zu betonen: „Das angebliche Wirtesterben gab es in keinem Land der Welt. International änderten sich weder Umsätze noch die Anzahl der Arbeitsplätze in der Gastronomie.“

Selbst für den als konziliant bekannten Tiroler Ärzte-Chef Dr. Artur Wechselberger, ehemaliger Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), ist das Maß voll. „Manche politische Reaktionen sind erschreckend und verkennen vollkommen die Rangordnung der demokratischen Entscheidungsfindung in unserer Republik.“ Nach einem erfolgreichen Volksbegehren – „mit dem Ergebnis bin ich hochzufrieden“ – sei der Nationalrat am Zug. Auch eine Volksabstimmung könne nur das Parlament beschließen, die 900.000er-Hürde im Regierungsprogramm habe keine rechtliche Konsequenz. Er hofft nun, „dass sich unsere frei gewählten Abgeordneten vom Druck der Tagespolitik emanzipieren“.
Eine Mischung aus „Freude und Enttäuschung“ ist auch Dr. Christoph Fürthauer, Allgemeinmediziner in Pfarrwerfen, Salzburg, ins Gesicht geschrieben. Der stv. Kurienobmann der Niedergelassenen freute sich über die vielen Stimmen für das von der Wiener Ärztekammer gemeinsam mit der Krebshilfe initiierte Volksbegehren, das die Salzburger Ärztekammer gerne unterstützt habe. Enttäuscht sei er nicht nur von Strache, der Vizekanzler habe ein „politikabstoßendes Schauspiel“ geliefert, sondern auch „über den großen Koalitionspartner, der letztes Jahr schon umgefallen ist“.

Zu wenig Werbung in Ordis?

Fürthauer, der auch Leiter des ÖÄK-­Referats Sozial- und Vorsorgemedizin ist, hofft nun, dass sich die Regierung eines Besseren besinne und keine weiteren „Rosstäuschereien“ betreibe. Ein wenig ärgert er sich aber auch, dass die Kollegenschaft offenbar zu wenig Werbung in den Ordinationen gemacht habe.
Er selber sprach seine Patienten an: „Und viele, auch Raucher und Wirte, haben gesagt: Da wollte ich eh unterschreiben, ich gehe gleich zur Gemeinde rüber.“ Tatsächlich unterschrieben 13 Prozent der Pfarrwerfner, deutlich mehr als in den Nachbargemeinden, wie ein Blick auf die Karte der Dontsmoke.at-Homepage zeigt. Schade sei es wegen der 18.500 Stimmen, „um den Vizekanzler unter Druck zu setzen“.

„Misthaufen der Geschichte“

Unverhohlener Groll tönt auch aus der Ärztekammer für Oberösterreich. „Die Politik sollte ihre starre Haltung endlich verlassen“, spricht Präsident Dr. Peter Niedermoser in einer Aussendung von einer „Steinzeit des Nichtraucherschutzes“.
Kurz darauf wurde der Pathologe, der nahezu täglich den Zusammenhang von Rauchen und Lungenkarzinom sehe, in den „OÖ Nachrichten“ noch deutlicher. Die Politik solle den Fehler zugeben und den Klubzwang aufheben. Die Parlamentarier würden dann richtig entscheiden „und dieses Gesetz auf den Misthaufen der Geschichte werfen, wo es hingehört“.

Vergleichsweise schaumgebremst beantwortet Initiator Dr. Thomas Szekeres, Ärztekammer-Präsident von Wien und Österreich, die Frage, wie man nun Druck aufbauen könne: „Wir appellieren an die Politik, ihre Position zu überdenken.“ Zudem wolle man verstärkt auf Präventionsmaßnahmen setzen und weiterhin auf die Schädlichkeit des Rauchens hinweisen, sagte Szekeres im Ö1-Morgenjournal.
Seinem bundesweiten Vorgänger Wechselberger liegt eine „rauchfreie Gastronomie“ auch im Sinne der Beschäftigten am Herzen: „Die Freiwilligkeit und Zustimmung der Arbeitnehmer zur Arbeit an belasteten Arbeitsplätzen ist sicher zu wenig.“ Denn viele Arbeitnehmerschutznormen würden zeigen, dass die Mitarbeiter im Berufsalltag auch vor einer Eigengefährdung geschützt werden müssen, gibt der ÖÄK-Leiter des Referats Arbeitsmedizin zu bedenken.

Rauchende Volkswirtschaft

Der volkswirtschaftliche Nutzen eines Rauchverbots wäre laut Dr. Florian Stigler enorm: Eine Angleichung des Raucherniveaus in Österreich an jenes von Finnland brächte jährlich 1,05 Milliarden Euro – und damit etwa jenes Sparpotenzial, das die Regierung von ihrer SV-Reform erwartet. Derzeit ist der volkswirtschaftliche Schaden durch das Rauchen beachtlich: Rauchen kostet Österreich pro Jahr rund 2,4 Milliarden Euro oder 0,68 Prozent des BIP (IHS, Datenbasis 2016). Selbst bei Gegenrechnung der Einsparung bei Pensionen (weil Raucher früher sterben) sowie der Tabaksteuereinnahmen bleiben jährliche Nettokosten von 665 Millionen Euro übrig.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune