„Masterplan Allgemeinmedizin“

Ein Masterplan soll der Allgemeinmedizin (AM) den Stellenwert verschaffen, den sie in jedem guten Gesundheitssystem hat. Bereits als die Autoren darauf hinwiesen, dass sie über (postpromotionelle) Weiterbildung reden wollten, aber – um Verwirrungen zu vermeiden – von Ausbildung sprechen müssen, ist die ganze Tragödie erfasst. Ausbildung, nicht Weiterbildung – und die findet in Spitälern statt; auch die von Hausärzten. Doch wie? Abgesehen davon, dass AM kein eigenes Fach ist, wie soll eine Ausbildung eines primärversorgenden Arztes in einer Tertiärversorgungseinrichtung stattfinden? Nur noch Italien und der Slowakei gehen mit der AM so despektierlich um, der Rest der Welt hat kapiert, dass AM ein eigenes, ernst zu nehmendes Fach ist. Die vorgestellten Maßnahmen, die uns an diesen Rest heranführen sollen, sind dann detailliert dargestellt und wissenschaftlich belegt. Am Alter der zitierten Publikationen ist oft zu erkennen, wie lange wir das Thema schon verschlafen. Das ganze Werk ist eine tolle Literatursammlung. Die Frage ist, wer braucht das?

Frustrane Versuche, die AM neu zu positionieren, gehen in die 1980er zurück, warum soll der jetzige erfolgversprechender sein? Und da findet man im Kapitel „M4/3 – Arbeitsdichte optimieren“ bereits den Keim des Scheiterns. Während praktisch jede Maßnahme mit Evidenzen hinterlegt wird, ist hier zu lesen: „Eine Delegierung von ,einfachen‘ ärztlichen Leistungen an Gesundheitsberufe ist erfahrungsgemäß keine Lösung“. Mit diesem arbiträren Satz wird der ärztliche Vorbehalt für jede heute durchgeführte Handlung festgelegt – eine standespolitische Einstellung, die genau zu der Überbelastung geführt hat, die im diesem Kapitel adressiert werden wollte. Und unter „M6/6 – Förderung von Zusammenarbeitsformen“ geht die Standespolitik weiter: „Patientenkarteien stellen einen hohen gesundheitsökonomischen Wert“ (ja, aber nur wenn sie KEIN Betriebsgeheimnis sind) dar, der im Falle einer Praxis-Übergabe vom System abzulösen wäre. Genauer betrachtet, richten sich eigentlich alle Maßnahmen nur an andere praktizierende AM, oder der Standesvertretung wird nichts abgefordert – ist es am Ende gar kein Masterplan, sondern ein standespolitischer Forderungskatalog?

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune