23. Juni 2017

(K)ein Machtwechsel in der ÖÄK

Wechselberger geht, Szekeres kommt: Die Ärztekammer bekommt dieser Tage einen neuen Chef. Die Drahtzieher im Hintergrund sind freilich die gleichen. Allen voran Dr. Peter Niedermoser. MT erklärt er seine Sicht. (Medical Tribune 25/2017)

Der Oberösterreicher Peter Niedermoser kandidiert zwar selbst nicht als ÖÄK-Präsident, will aber aus der zweiten Reihe fleißig aufzeigen.
Der Oberösterreicher Peter Niedermoser kandidiert zwar selbst nicht als ÖÄK-Präsident, will aber aus der zweiten Reihe fleißig aufzeigen.

Die Würfel für die Präsidentenwahl der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) am 23. 6. 2017 sind gefallen. Der Präsident der Ärztekammer für Oberösterreichischen (ÄKOÖ) Dr. Peter Niedermoser, 2012 einer der „Königsmacher“ von ÖÄK-Chef Dr. Artur Wechselberger, fand nun einen neuen König in Wien: Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres. Kurienchefs bleiben Dr. Johannes Steinhart (Niedergelassene, Wien) und Dr. Harald Mayer (Spitäler, OÖ), wie Niedermoser im MT-Interview verrät. Alle großen Bundesländer stünden hinter dieser „Reformpartnerschaft“, einem „Team, das die Intentionen erfüllt, die ich erwarte und wo ich auch gerne mitarbeite“. Dass ein Spitalsarzt an die Spitze gewünscht worden sei – wie Wechselberger, Niedergelassener in Innsbruck, seinen Rückzieher begründet – dementiert Niedermoser: „Das war sicher nicht der Hintergrund eines Willens zum Wechsel.“

Schelte für die alte Führung

Vielmehr gehe es darum, die nächsten fünf Jahre das Beste für die 44.000 Ärzte herauszuholen, da bringe sich die ÄKOÖ „konsequent“ auch bundesweit ein. Für seinen Geschmack hat die bisherige Führung zu wenig in die Waagschale geworfen, tut der Pathologe von den Barmherzigen Schwestern Linz seinen Unmut kund. Die ÖÄK müsse mit einer Stimme sprechen, da habe es in den letzten Jahren „Probleme“ gegeben: „Wir müssen unsere Expertise in die Hand nehmen, in Konzepten artikulieren und diese der Politik und dem Hauptverband unter die Nase halten, dass endlich einmal klar ist, wer die gesundheitspolitische Kompetenz in diesem Land hat.“

Besonders steigt ihm die Galle beim PVE-Gesetz (siehe Kasten) hoch, das sei ein „Zusammenarbeits-Verhinderungsgesetz“. Dahinter stecke das Ministerium und vor allem der Hauptverband, wobei Niedermoser explizit die Vorsitzenden Dr. Alexander Biach, der „gut zuhören“ könne, und dessen Vorgängerin Mag. Ulrike Rabmer-Koller ausnimmt: „Aber die Personen in der zweiten Reihe im Hauptverband leben in einer kommunistischen Vergangenheit und sind die Zerstörer des praktischen Arztes.“ Zu jenen, die den freiberuflichen niedergelassenen Arzt zerstören wollen, zählten auch manche Patientenanwälte, „bestellte Beamte durch die Landesregierung und keine legitimierten Vertreter der Patienten“.

Ordentlich Stoff bekommt auch der Gesetzgeber hinsichtlich des Fortbildungspflichtnachweises. „Wo haben jene Herren, die uns dazu verpflichtet haben, 150 Stunden Fortbildung in drei Jahren?“ Die Ärzte schafften das „locker“, 95,74 Prozent hätten das Fortbildungsdiplom, berichtet der Präsident des Wissenschaftlichen Beirates der Österreichischen Akademie der Ärzte stolz von den aktuellen Daten. Diese Funktion würde Niedermoser übrigens gerne behalten: „Die Akademie interessiert mich und macht mir sehr viel Spaß“.

Die Kunst des Verhandelns

Wo denn für ihn die roten Linien für Ärzte-Streiks, wie etwa in Wien im Dezember, verliefen? „Das ist ja die Kunst des Verhandelns, dass jeder Player Grenzen hat. Es geht darum, gemeinsam Lösungen innerhalb dieser Grenzen zu finden und auf Basis dieser gemeinsamen Lösungen die Grenzen auszuweiten.“ Das gehe nur mit gegenseitigem Vertrauen und „wenn man die andere Partei in ihrer Wertigkeit ernst nimmt und akzeptiert und nicht auf Punkten besteht, die derzeit nicht akzeptabel sind“. So wie beim PVE-Gesetz, wo aus seiner Sicht eine Grenze überschritten wurde, weil es nur um „Macht“ gehe und darum, die niedergelassenen Ärzte unter „Kuratel“ zu stellen.

Man wolle ein System wie in Holland, wo alle Ärzte angestellt sind. „Wir sind am Scheideweg, davon bin ich überzeugt.“ Er glaubt zwar nicht, dass man das Gesetz noch verhindern könne. „Da sind die Fehler schon vorher passiert, das hat sicher auch dazu geführt, dass ein Wechsel in der ÖÄK zustande kommt“, lüftet Niedermoser den Vorhang zu den Kammerkulissen um ein weiteres Stück. Aber das Gesetz funktioniere sowieso nicht, weil man keinen Arzt in eine PVE zwingen könne. Oberösterreich hat einen anderen Weg gefunden. Der mit der OÖGKK besiegelte Pakt: PVE nur gemeinsam mit der Kammer, nur im Rahmen des Gesamtvertrags und keine Kassenverträge für Spitäler.

„In OÖ hat sowohl die Politik als auch die GKK erkannt, dass es nur gemeinsam geht – auf Augenhöhe – und nicht darum: Wer zahlt, schafft an.“ Insofern sei auch das Zielsteuerungsgesetz von vornherein „ein schlechtes Gesetz“ gewesen, „weil wir Ärzte nicht eingebunden waren, auch wieder so eine Aktion von Leuten, die vom Gesundheitswesen nur oberflächlich eine Ahnung haben“. Freilich, ganz ohne Säbelrasseln ging es auch in OÖ nicht. Die Drohung, den Vertrag zu kündigen und auch zu streiken, dürfte schon nachgeholfen haben. Apropos Streik: „Leider war zu wenig Bereitschaft von anderen Länderkammern da, das mitzutragen, es gab hier Beschlüsse in der ÖÄK“, so Niedermoser.

PVE: Ärztekammer stellt sich gegen das Gesetz
Die Ärztekammer macht gegen das Primärversorgungs-Gesetz mobil, das noch vor dem Sommer beschlossen werden soll. „Ein Gesetz darf keine offenen Baustellen haben“, sagt ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger. Der aktuelle Gesetzesentwurf sehe keine Anstellung von Ärzten in PVE (Primärversorgungseinheiten) vor, wie sie die ÖÄK schon seit Jahren für Gruppenpraxen fordere. Wechselberger kritisiert auch, dass es keine Einbindung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe gibt. Einen so wichtigen Bereich wie die Gesundheitsreform ohne Rücksicht auf die vielen fundierten, kritischen Stellungnahmen durch das Parlament zu jagen, sei nicht akzeptabel.

bru

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune