Mediziner stehlen Technikern die Show

Der Staatspreis Digital Solutions stand heuer ganz im Zeichen von E-Health-Anwendungen. (Medical Tribune 17/2017)

Michael Binder vom FFG (l.) und Andreas-Ulrich Schuh (BMWFW, r.) gratulierten Scarletred-CEO Harald Schnidar (Mitte) und seinem Team.
Michael Binder vom FFG (l.) und Andreas-Ulrich Schuh (BMWFW, r.) gratulierten Scarletred-CEO Harald Schnidar (Mitte) und seinem Team.

Der Gesundheitsbranche wird oft nachgesagt, dass sie in Sachen Digitalisierung nicht gerade ein Vorreiter ist, ja gar hinterherhinke. Der Staatspreis Digital Solutions beweist jedoch das Gegenteil. Der Preis ist eine Auszeichnung für hervorragende digitale Produkte, Dienste und Anwendungen in Österreich und wurde vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) 2017 als zeitgemäße Neuauflage des Staatspreises Multimedia und E-Business erstmals verliehen.

In einem großen Festakt im Rahmen des E-Day:17 der Wirtschaftskammer im Austria Center Vienna war es am 12. April 2017 so weit. Aus einer Vielzahl an Einreichungen waren letztendlich acht Projekte für den Staatspreis nominiert. Und gleich mehrere davon sind im medizinischen Umfeld angesiedelt. Da wäre etwa Instahelp, eine psychologische Onlineberatung in Echtzeit, oder indoo.rs, eine Indoor-Navigationslösung für blinde und sehschwache Menschen, die sich dadurch beispielsweise auf Flughäfen zurechtfinden können.

Hauterkrankungen per App erkennen

Und dann ist da noch der große Gewinner des Abends: Das Diagnostik-Tool Scarletredvision wurde von der Experten-Jury zum Sieger des Staatspreises gekürt. Das vom Wiener Genetiker Dr. Harald Schnidar gegründete Start-up Scarletred hat eine Bildanalyse entwickelt, mit der per Smartphone-Kamera Hauterkrankungen untersucht werden können. „Scarletredvision ermöglicht erstmals eine standardisierte Dokumentation von Hautveränderungen. Die Lösung kombiniert eine Smartphone-App, um Hautstellen zu fotografieren, einen Sticker zum Kalibrieren der Bilder, einen QR-Tag und eine Cloud-Datenbank“, hieß es im Zuge der Preisverleihung. Scarletredvision sei beliebig skalierbar und könne dadurch sowohl individuell von medizinischem Personal als auch von Patienten sowie bei der Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapien eingesetzt werden.

Das Produkt wird bereits in Europa und den USA vertrieben. Man ladet eine App auf das Smartphone, dann fotografiert man die entsprechende Hautstelle mit der Rötung, dem Hämatom oder der Wunde. Das Foto wird in weiterer Folge mit der Scarletred-Datenbank im Web abgeglichen. Damit wollen die Wiener nicht nur den Arzt bei der Diagnose unterstützen, sondern auch als Mess-Tool in der Arzneimitteltestung integrieren. Man kann schließlich praktisch in Echtzeit sehen, wie die Haut auf bestimmte Medikamente reagiert. Die Anzahl von Patienten bei Arzneimitteltests könnte reduziert, Kosten gesenkt und die Entwicklung von Medikamenten beschleunigt werden. „Wir haben schon einige Auszeichnungen bekommen, auch im Silicon Valley. Aber im eigenen Land ist das etwas Besonderes“, freute sich CEO Schnidar über die von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG organisierte Auszeichnung.

Der im Rahmen des Staatspreises zusätzlich vergebene Innovationspreis für noch nicht im Markt befindliche Produkte ging ebenfalls an eine E-Health-Anwendung, nämlich an die bildbasierte Suchmaschine „RadiologyExplorer“, die aus Forschungsprojekten der Medizinischen Universität Wien und der TU Wien entstanden ist. Ausgehend von einer markierten Region auf einem beliebigen Radiologiebild (CT oder MR) lassen sich mit dem RadiologyExplorer sofort visuell ähnliche Fälle aus dem Krankenhausarchiv und aus globalen Referenzen finden.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune