12. Nov. 2014

ELGA ohne E-Medikation

WIEN – Der aktuelle Fahrplan der Umsetzung von ELGA und E-Medikation wurde beim 6. Jahresforum „E-Health in Österreich“ erörtert. Dabei sorgte ELGA einmal mehr für emotionale Diskussionen.

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Derzeit wird an Leitlinien für einen nutzerfreundlichen Einsatz von ELGA in Krankenanstalten, Apotheken und Krankenanstalten gearbeitet.

Das ELGA-Portal ist Anfang 2014 live gegangen und funktioniere seither ohne technische Probleme, informierte Dr. Susanne Herbek, Geschäftsführerin der ELGA GmbH. Die ELGA-Widerspruchsstelle und die ELGA-Serviceline seien am Höhepunkt der medialen Diskussion zu Anfang des Jahres durchaus überlastet gewesen, bei der Serviceline habe es eine Spitze von 3000 Anrufen pro Tag gegeben. Inzwischen liege man bei etwa 350 Anrufen pro Woche. Nach zehn Monaten haben sich insgesamt 170.000 Personen von ELGA abgemeldet.

Um den Jahreswechsel wird es einen Relaunch des Gesundheitsportals des Bundes www.gesundheit.gv.at geben, um es noch nutzerfreundlicher zu gestalten. Über dieses Portal können die Bürger derzeit bekanntlich ihren ELGA-Teilnahmestatus verändern, sich also abund wieder anmelden und sich einen Protokollüberblick verschaffen. „Wenn Ende nächsten Jahres die ersten Spitäler mit ELGA starten, muss auch das Portal in einer nächsten Version starten“, erklärte Dr. Herbek. Denn ab diesem Zeitpunkt müssen jene Patienten, die aus einem solchen Krankenhaus entlassen werden, ihre Entlassungsbefunde selbst abrufen können.

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„Wir gehen davon aus, dass Zug um Zug im Jahr 2016 die niedergelassenen Ärzte und die Apotheken mit ELGA starten werden.“
Dr. Susanne Herbek

Mit dem ELGA-Start an den Spitälern wird man Ende 2015 in Wien, der Steiermark und einzelnen Krankenhäusern in Oberösterreich beginnen, Kärnten und Tirol werden folgen und schrittweise auch die anderen Bundesländer. „Wir gehen davon aus, dass Zug um Zug im Jahr 2016 die niedergelassenen Ärzte und die Apotheken mit ELGA starten werden“, so Dr. Herbek. An den Rahmenbedingungen werde gerade gearbeitet. 2017 sollen Privatkrankenanstalten, Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten folgen, ab 2022 Zahnärzte mit Kassenvertrag mit ELGA arbeiten.

Um die Nutzerfreundlichkeit von ELGA in Krankenanstalten, Apotheken und Arzt-Software sicherzustellen, sei man derzeit dabei, gemeinsam mit den betreffenden Organisationen und Software-Herstellern Leitlinien zu entwickeln, berichtete Dr. Herbek. Außerdem wird daran gearbeitet, eine semantische Suche in ELGA zu ermöglichen, so Dr. Herbek: „Wir haben einen Arbeitskreis mit der Ärztekammer ins Leben gerufen und sind im Begriff, die Anforderungen zu definieren.“

E-Medikation ohne Wechselwirkungsprüfung

Dr. Herbek informierte auch über den aktuellen Stand zur EMedikation: Anders als im Pilotprojekt 2011 sei kein zentrales Programm zur Wechselwirkungsprüfung mehr vorgesehen, da dieses mit vielfach vorhandenen lokalen Prüfprogrammen nicht zu vereinbaren gewesen sei. Es wird somit dem Arzt oder Apotheker überlassen bleiben, ob er die Wechselwirkungsprüfung kraft seiner Erfahrung oder mithilfe einer lokalen Prüf-Software durchführe.

Wenn Apotheker ärztliche Verordnungen bekommen, so werden sie nicht zu einer neuerlichen Wechselwirkungsprüfung verpflichtet sein: „Die Verantwortung liegt letztlich in sehr hohem Maße beim Arzt“, sagte Dr. Herbek. Damit keine Lücken in der Kontinuität der Information entstehen, soll die E-Medikation im öffentlich finanzierten System flächendeckend umgesetzt werden. Zunächst soll sie jedoch im ersten Halbjahr 2016 in einer Einführungsregion in Kombination mit ELGA noch einmal getestet werden: „Derzeit wird diskutiert, wo die Pilotregion dafür sein könnte“, so Dr. Herbek.

Emotionen gehen hoch

„Wenn Ärzte heute Informations- und Kommunikationstechnologie ablehnen, so handeln sie medizinisch unverantwortlich und unethisch. Sie gefährden die Sicherstellung von Prozessen“, übte Dr. Clemens Martin Auer, Sektionschef im Gesundheitsministerium, in seiner Keynote scharfe Kritik am Hausärzteverband und dessen Kampf gegen ELGA. Zur Frage „Wer soll für E-Health bezahlen?“ erklärte Dr. Auer: „Auch im niedergelassenen Bereich ist der Einsatz von IT Teil der Entstehungskosten der Dienstleistung und muss entsprechend abgegolten werden.“

Insgesamt mache der Einsatz von Informationstechnologie das Gesundheitswesen jedoch nicht teurer, sondern billiger, da er der Qualitätssicherung in der Behandlung diene, zeigte sich Dr. Auer überzeugt: „Wir ersparen uns Komplikationen, Wiedereinweisungen und Drehtüreffekte, die wir in diesem System haben.“ „Die meisten Kollegen haben die Sorge, dass sie nicht mehr dazukommen, mit dem Patienten zu reden. Je mehr wir dokumentieren müssen, desto weniger Zeit bleibt uns für das Gespräch“, brachte der Allgemeinmediziner Dr. Michael Riener in seiner Wortmeldung die Bedenken zahlreicher Hausärzte auf den Punkt.

Viele Probleme, die ELGA zugeschrieben werden, müssten aber eigentlich an anderer Stelle gelöst werden – beispielsweise in Verhandlungen bezüglich der Honorare oder in Bezug auf die Organisation der Behandlung, betonte Dr. Auer. Über die Rolle der ELGA-Ombudsstellen, die bei den Patientenanwaltschaften angesiedelt sein werden, informierte die Wiener Patienten- und Pflegeanwältin Dr. Sigrid Pilz: Aufgabe der Ombudsstellen wird es sein, die Bürger kostenlos bei ihren ELGA-Teilnehmerrechten zu unterstützen. Das beinhaltet zum einen Information über ELGA, zum anderen außergerichtliche Hilfe bei behaupteten Datenschutzverletzungen eines Gesundheitsdiensteanbieters.

Nicht zuletzt gehe es auch darum, jenen Menschen im Umgang mit ELGA zu helfen, deren Gesundheitskompetenz gering ist und die ihre Krankengeschichte derzeit nicht selten in Form eines unvollständigen Durcheinanders von Zetteln in einem Nylonsackerl mit sich herumtragen, so Dr. Pilz. Die ELGA-Ombudsstellen werden auf Wunsch des Patienten und nach Vorliegen einer Zustimmungserklärung über Zugriffsprotokolle Auskunft geben, individuelle Zugriffsberechtigungen eintragen oder Befunde ausblenden. „Dabei unterliegen wir den gleichen Regeln wie alle anderen“, betonte Dr. Pilz.

6. Jahresforum „E-Health in Österreich“; Wien, Oktober 2014

Autor: Mag. Petra Vock

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune