Zehn Generationen in der Getreidegasse

APO-PORTRÄT – Auf Österreichs teuerstem Pflaster befindet sich die „Apotheke zum Goldenen Biber“ in Salzburg. An dem kleinen Geschäftslokal von Mag. pharm. Reinhard Hanel zieht besonders im Sommer ein stetiger Urlauberstrom vorbei und beschert dem Betrieb viel Laufkundschaft. (Pharmaceutical Tribune 21/2016)

Klein, aber fein – die Biber-Apotheke in der Getreidegasse. Mag. R. Hanel (3. v.r.) mit Team.
Klein, aber fein – die Biber-Apotheke in der Getreidegasse. Mag. R. Hanel (3. v.r.) mit Team.

„Vor ein paar Jahren klang eines Tages wunderschöner Gesang aus der Offizin“, erinnert sich Mag. pharm. Reinhard Hanel. „Ich ging nach vorn und da stand niemand Geringerer als Placido Domingo, der sein weinendes Enkerl mit einem Liedchen beruhigte.“ Ort der Handlung war Hanels „Apotheke zum Goldenen Biber“ in der Getreidegasse in Salzburg. Seit 1608 ist der Betrieb an dieser Adresse beheimatet. Am Geschäftsportal ist noch eines jener alten schmiedeeisernen Ladenschilder angebracht, für die das historische Gässchen so berühmt ist. Schon Mozart, dessen Geburtshaus schräg gegenüber liegt, hat hier Bibergeil eingekauft.

„Der Stoff aus den Drüsen des Bibers war sprichwörtlich Goldes wert, vor allem wegen der ihm zugesagten aphrodisischen Wirkung.“ Das und die Anwendung bei Krämpfen und Nervosität führte fast zur Ausrottung. Mittlerweile steht das Nagetier unter strengem Artenschutz. Im Glauben, es handle sich um einen Biber, zeigen heute viele Kunden auf das Plüsch-Murmeltier in der Sichtwahl. „Die Murmeltiersalbe ist besonders bei asiatischen Touristen beliebt“, erzählt Hanel. Mariendistelpräparate wiederum würden die Russen gerne kaufen.

Hochbetrieb in den Ferien

Während es anderswo zur Ferienzeit eher ruhig zugeht, herrscht in der Apotheke im Juli und August Hochbetrieb. Was einiges dazu beiträgt, dass der Umsatz aus Privatverschreibungen und OTC-Produkten in Hanels Betrieb „weit über den durchschnittlichen 30 Prozent liegt“. Dennoch bemerkt der Apotheker herausfordernde Veränderungen im Fremdenverkehr. „Viele Gruppen werden heute quasi im Stechschritt durch die Getreidegasse getrieben. Schnell etwas bei uns zu besorgen, ist da fast nicht drin.“ Außerdem sinkt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer. „Asiatische Gruppen reisen oft noch am gleichen Abend nach Prag weiter, neben der Besichtigungstour bleibt also wenig freie Zeit.“

Künstler als Kunden

Auch ein Phänomen unserer Zeit: So mancher Tourist zeigt seine Wünsche gleich auf dem Smartphone. Eine Alternative bei Verständigungsproblemen, die es dank guter Englisch-, Italienisch-, Spanisch- und Französisch- Kenntnisse der Angestellten aber ohnehin kaum gibt. „Nur eine Russisch sprechende Mitarbeiterin könnte ich noch brauchen“, sagt Hanel. Zur Festspielzeit bedient das siebenköpfige Team vermehrt Künstler in der nahe dem Festspielhaus gelegenen Apotheke. „Sobald Sänger das kleinste Halskratzen verspüren, lassen sie sich verständlicherweise umfassend behandeln. Dementsprechend groß ist ihr Arzneimittelbedarf“, erzählt Hanel.

FOTO: APOTHEKE ZUM GOLDENEN BIBER

Seit Juli 2015 ist Hanel, Vater eines dreijährigen Buben, Leiter der Apotheke. Und das schon in zehnter Generation. „Im Prinzip führe ich den Laden aber gemeinsam mit meiner Mutter Mag. pharm. Martina Hanel und meiner Frau Mag. pharm. Nina Hanel.“ In Salzburg aufgewachsen, ging der Sohn einer Bayerin und eines gebürtigen Wieners zum Studieren in die Bundeshauptstadt und verbrachte anschließend auch seine ersten Arbeitsjahre in Wien. Danach war er bis 2010 in verschiedenen Salzburger Apotheken tätig, um herauszufinden, wie andere Betriebe ihr Geschäft machen. Eine aus dem 17. Jahrhundert stammende, um 1900 renovierte Apotheke mit vielen kleinen Laden zu führen, sei nicht immer einfach. „Dafür sind wir unverwechselbar und stechen auch optisch heraus, sodass manche Menschen schon deswegen immer wieder bei uns herein schauen.“ Die Freiwahl etwa fällt angesichts einer Offizingröße von lediglich 30 m2 weg.

Moderne Alchemie

Was hat sich seit der Übernahme vor 16 Monaten geändert? „In der Sichtwahl haben wir die Warenpräsentation verbessert“, erzählt der Chef. „So wurden die Rückwände ein paar alter Schränke neu verkleidet. Vor einem neutralen Hintergrund kommen die Produkte besser zur Geltung.“ Außerdem beschränkt man sich auf wenige Artikel, die dafür aber häufiger gewechselt und saisonal abgestimmt werden. Einen Fixplatz in den Jugendstil-Regalen bekam die Spagyrik. Eine Mitarbeiterin brachte das Know-how für diese moderne Form der auf Paracelsus beruhenden Alchemie mit und berät die Kunden nach Terminvereinbarung ausführlich.

„Die Basis der Spagyrik sind Pflanzenessenzen, die durch Fermentation, Destillation und anschließende Veraschung hergestellt werden. Die Philosophie ist, dass dadurch Körper, Geist und Seele der Pflanzen vereint werden, toxische Bestandteile nicht mehr vorhanden sind und somit eine ganzheitliche Wirkung auf den Körper erfolgen kann.“ Abgesehen davon machte sich Hanel für einen barrierefreien Zugang stark. Das entpuppte sich jedoch als äußerst kompliziertes Unterfangen.

„Man muss bedenken, dass für unser Lokal nicht nur das Denkmalamt, sondern auch die Altstadtkommission zuständig ist.“ Und Hanel benötigte obendrein den Sanctus weiterer Behörden. Heraus kamen eine nach unten versetzte (Nachtdienst-)Glocke und eine mobile Rampe. Diese wird aufgelegt, sobald Menschen mit 200 kg schweren Elektro-Rollstühlen läuten. „Da es aus Gründen des Denkmalschutzes nicht möglich war, die Stufe gegen eine fixe Rampe zu tauschen, halte ich das für eine akzeptable Lösung.“

Steckbrief:

  • Apotheke zum Goldenen Biber Getreidegasse 4, 5020 Salzburg
  • www.biberapotheke.at
  • Spezialisierungen: Homöopathie, Schüßler-Salze, Spagyrik, pflanzliche Heilmittel
Autor: Mag. Andrea Krieger