Management der COPD

Herr K. leidet an COPD. Bei seiner Medikation ist auf das Interaktionspotenzial von Theophyllin zu achten. Problematisch ist zudem eine Doppelverordnung. (Pharmaceutical Tribune 10/2018) 

1 MM-Check für Herrn K.

  • Theophyllin (Unifyl ret.®) wird in den COPD-Leitlinien zwar noch als bronchospasmolytische Alternative angeführt, gilt aber als Wirkstoff mit enger therapeutischer Breite und hohem Interaktionspotenzial.
  • Theophyllin wird in relevantem Ausmaß über CYP 1A2 und CYP 3A4 abgebaut. Hemmstoffe dieser Enzyme können daher den Theophyllinabbau verzögern und zu einem Anstieg des Plasmaspiegels beitragen. Durch die enge therapeutische Breite sind dann Überdosierungserscheinungen möglich (Schlafstörungen, Unruhe, Tremor, Kopfschmerzen, Hyperventilation oder Tachykardien und Übelkeit).
  • Grundsätzlich wird empfohlen, Theophyllin einschleichend zu dosieren.
  • Im Fall von Herrn K. wurde zu einer hohen Dosis Theophyllin eine Woche lang der CYP-1A2- Hemmer Ciprofloxacin dazukombiniert. Die vom Patienten geschilderten Beschwerden könnten darauf zurückzuführen sein. Es wurde sofort mit einer hohen Dosis gestartet, was die Verträglichkeit möglicherweise noch einmal verschlechtert hat.
  • Der Lungenfacharzt hat die Antibiose auf Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentin®) umgestellt.
  • Herr K. soll das ursprüngliche Antibiotikum natürlich nicht weiternehmen. Ebenso scheint Theophyllin in der fachärztlichen Verschreibung nicht mehr auf und ist zu beenden.
  • Berodual® enthält nur kurzwirksame Bronchodilatatoren und ist daher bei fortschreitender COPD nicht mehr ausreichend. Der Facharzt hat die Therapie auf die wesentlich effektivere Kombination langwirksamer Substanzen umgestellt (Wirkdauer etwa 12h) und aufgrund der akuten Exazerbation vorübergehend ein orales Corticosteroid dazukombiniert.
  • Im Rahmen der Kontrolle mit dem Facharzt sollte geklärt werden, wie die weitere Bedarfstherapie erfolge soll.
  • Herr K. wird von der neuen Medikation umfassend profitieren: nicht nur durch das raschere Abklingen der akuten Symptomatik, sondern langfristig auch durch bessere Symptomkontrolle (weniger Husten/Dyspnoe, bessere Leistungsfähigkeit, Verzögerung der Krankheitsprogression, seltenere Anwendung des Inhalators).
  • Herrn K. sollte umfassend zur korrekten Inhalation des neuen Inhalationssystems beraten werden, um die Skepsis vor dem Wechsel der Inhalatoren zu verlieren.

2 FAQs COPD

? Wie kann man COPD-Risikokunden erkennen?
COPD wird häufig erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert. Folgenden Kunden sollte daher frühzeitig eine ärztliche Abklärung empfohlen werden:

  • Kunden mit chronischem Husten über 14 Tage (typischerweise morgens am schlimmsten, produktiv oder unproduktiv, auch intermittierend möglich).
  • Kunden, die über „Raucherhusten“, morgendlichen Husten oder Hustenanfälle klagen und immer wieder verschiedene Hustenmittel kaufen.
  • Kunden mit Risikofaktoren wie Tabakrauchen, beruflicher Stauboder Gasexposition.
  • Kunden, die über Atemlosigkeit, Lufthunger, Müdigkeit, Atemnot und mangelnde Leistungsfähigkeit bei Bewegung klagen. Im Gegensatz zum Asthma liegt das Alter der Erstdiagnose der COPD über 40 Jahre. Über 90 Prozent der Patienten sind Raucher oder Passivraucher!

? Wie erfolgt die Stadieneinteilung der COPD?
Die vier Gold-Stadien A–D geben den Schweregrad der COPD an und sind relevant für die Medikation. Die aktuelle Klassifikation nach GOLD (= Assessmenttool) basiert auf der Atemflusseinschränkung (gemessen via Spirometrie, GOLD 1–4) und der Risikoklassifikation (A-B-C-D; die Häufigkeit von Exacerbationen und die Symptomlast wird mittels standardisierter Fragebögen erhoben) – z.B. Stadium GOLD 4, Gruppe B. Miteinbezogen sind Komorbiditäten, die sich ungünstig auf den Langzeitverlauf auswirken können.

? Welche Arzneistoffgruppen werden standardmäßig bei COPD eingesetzt?
Zur Linderung der COPD-Symptomatik werden bronchodilatatorisch wirksame Substanzen mit unterschiedlicher Wirkdauer aus der Gruppe der Anticholinergika und Beta-2-Antagonisten eingesetzt. Ob Beta-2-Agonisten, Anticholinergika oder Kombinationen angewandt werden, hängt neben der Stadieneinteilung auch vom individuellen Ansprechen des Patienten und vom Auftreten unerwünschter Wirkungen ab. Mit Fortschreiten der COPD müssen neben Bedarfs- auch Dauertherapien eingesetzt werden. In den Leitlinien wird Theophyllin als Alternative angeführt. Weitere Therapiesäulen sind Entzündungshemmer (Steroide). Weitergehende Informationen zur medikamentösen COPD-Therapie siehe Fußnote.

? Welche Beratungshinweise sind für COPD-Patienten neben der medikamentösen Therapie ebenfalls wichtig?
COPD-Patienten profitieren z.B. von einer Raucherentwöhnungsberatung, einer Aktualisierung ihres Impfstatus (insbesondere Pneumokokken, Influenza), Hinweisen zur Infektionsprophylaxe und Motivation zu regelmäßiger körperlicher Aktivität.

Anmerkung: Bei COPD werden entsprechend dem GOLD-Stadium in der Standardtherapie SAMA/LAMA (Short/Long acting muscarinic receptor antagonist); SABA/ LABA (Short/Long acting beta receptor agonist); ICS (inhalierbares Corticosteroid); PDE4-Inhibitor (Phosphodiesterase 4-Hemmstoff) eingesetzt. Übersichtstabelle und weitere Informationen zur Therapie siehe grüner MM-Band, Seite 40, bzw. online MM-Kurs Nr. 28.

Herr K. kommt in die Apotheke

Herr K., 60 Jahre, ist Stammkunde in der Apotheke. Er leidet unter COPD, von seinem Hausarzt bekommt er deshalb in regelmäßigen Abständen Berodual® Dosieraerosol (Fenoterol/Ipratropiumbromid, SABA/SAMA) verordnet. Seit einer Woche geht es Herrn K. gar nicht gut, er fühlt sich sehr müde und abgeschlagen, hustet viel mehr als gewöhnlich und klagt über starke Schleimbildung in den Atemwegen. In der Apotheke verlangt er deshalb einen guten Hustensaft. Auch berichtet er, dass er sein Dosieraerosol in den letzten Tagen viel öfter anwenden musste als die vorgesehenen 2 x täglich. Das Apothekenteam vermutet eine akute Exazerbation und legt Herrn K. nahe, seinen Hausarzt aufzusuchen.

Herr K. kehrt mit folgendem Rezept vom Hausarzt zurück:

Berodual® Dosieraerosol                bei Bedarf
Unifyl® retard 400 mg                     Tbl. 1-0-1
Ciprofloxacin 500 mg Tbl.               1-0-1 für 10 Tage

Herr K. berichtet auch, dass ihn der Hausarzt zur näheren Abklärung an den Lungenfacharzt überwiesen hat. Heute will er aber nicht hingehen, da er sich zu schlecht fühle.

Erst eine Woche später kehrt er mit einem tagesaktuellen Rezept vom Lungenfacharzt zurück:

Augmentin® FTBL 1 g                                                        2 x 1 für 7 Tage
Duaklir® Genuair® Pulver zur Inhalation 340 μg /12 μg    1-0-1
(Aclidinium/Formoterol, LAMA/LABA)
Prednisolon 25mg                                                              1-0-0 bis zur Kontrolle in einer Woche

Herr K. berichtet, dass es ihm in der Zwischenzeit zunehmend schlechter gegangen ist. Nicht nur, dass trotz der antibiotischen Therapie der Husten schlimmer geworden und Fieber dazugekommen ist, er leidet auch unter Schlafstörungen, Unruhe und Zittern sowie einem ungewöhnlich hohen Puls. Als Herr K. zur Einnahme von Augmentin® beraten wird, fragt er nach, ob er die Tabletten auch gleichzeitig mit seinem Unifyl® und Ciprofloxacin nehmen darf, da er diese ja aufbrauchen muss. Außerdem kennt er sich mit den Inhalationssystemen von Duaklir® nicht aus und möchte stattdessen lieber das bekannte Berodual® Dosieraerosol weiterbenutzen, das ihm immer so gut geholfen hat.

  • Wie ist der Kunde bezüglich seiner zukünftigen Medikamenteneinnahme zu beraten?
  • Welche Problematiken stecken bereits in der ursprünglichen Verschreibung des Hausarztes?

Hinweis: Die im MM-Fall genannten Fertigarzneimittel hat das MM-Lecture-Board beispielhaft und wertfrei für die enthaltenen Wirkstoffe bzw. -kombinationen ausgewählt . Die genannten Produkte stehen damit für alle vergleichbaren Präparate.

Kasuistik und Lecture-Board:
Mag. Christina Labut,
Mag. Dr. Alexander HartlBei fachlichen Fragen mailen Sie bitte an: KMM@pharmaceutical-tribune.at
Zur Klarstellung für alle Pharmakovigilanzbeauftragten: Bei den Fallbeispielen handelt es sich um Lehrbeispiele, die möglichst praxisnah formuliert wurden. Es besteht daher keinerlei Abklärungsbedarf hinsichtlich einer allfälligen Pharmakovigilanzmeldung.