24. Apr. 2019

„Hier gibt es keine Routine“

Frauen sind in der Orthopädie noch immer unterrepräsentiert. Erst recht rar sind Fälle, in denen die Entscheidung für das Fach auf dem Interesse für die besonders vielfältigen, gleichzeitig extrem seltenen Weichteiltumore beruht wie bei Dr. Maria Smolle, die an der Grazer Universitätsklinik für Orthopädie arbeitet. (krebs:hilfe! 4/19)

Seit zwei Jahren räumt die 25 Jahre junge Medizinerin aus Graz international Preise ab: 2016 machte sie beim Jahrestreffen der British Sarcoma Group den ersten Platz beim „Best Presentation Award“ und letztes Jahr stand sie am Siegerpodest beim Free Paper Award Orthopaedics der European Association of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT). Ebenso lang ist sie bereits als Fachgutachterin für wissenschaftliche Journale tätig, selber publikatorisch aktiv ist sie schon länger.

Immer gefordert

Der besondere Bereich ihres Interesses: Weichteilsarkome. Wie es dazu kommt, dass man sich bereits während des Studiums für eine derart spezielle Tumorgruppe interessiert? „Das kam bereits bei meiner zweiten Famulatur, die ich auf der Orthopädie absolvierte. Gleich die erste Operation, bei der ich dabei war, war eine Tumoroperation – und packend“, sagt Smolle. So packend, dass sie in Folge immer wieder die Orthopädie als Famulaturerfahrung wählte, abwechselnd mit Fächern wie der Onkologie oder auch der Pathologie. Die erlebte sie allerdings eher als Zusatzfächer, die ihr Interesse für die orthopädische Seite der Weichteilsarkome noch weiter bestärkt und befeuert haben. Was diese Begeisterung ausmacht? „Dass man als Arzt immer gefordert ist – hier gibt es keine Standards. Jeder Fall liegt anders, bei jedem Patienten muss ich mir den bestmöglichen Zugangsweg neu überlegen, die Schnittführung, den Eingriff selber“, ist ihre Antwort.

Wöchentliche Konferenzen

Und dass es an spannenden Fällen nicht mangelt, dafür sorgt – trotz der Seltenheit der Erkrankungen – die Notwendigkeit der Behandlung an einem Zentrum. Etwa 70 neue Personen mit Weichteil-, 30 zusätzlich mit primär malignen Knochentumoren sind es pro Jahr, schätzt sie, die in Graz behandelt werden. Die Tumorkonferenz dazu findet wöchentlich statt, wobei jeder Patient mindestens einmal vorgestellt werden sollte. Patienten, bei denen man von der Tumorboard-Empfehlung abgehen muss, und jene, die rezidivieren, werden wieder auf die Agenda gesetzt. Mit dabei sind Pathologie, Radiologie, internistische Onkologie, Strahlentherapie und eben auch die onkologische Orthopädie, die gleichzeitig auch das Case Management für den Patienten übernimmt.

Rezente Publikationen

Ob man hier auch schon überlegt, welche Patienten ev. für eine Studie geeignet sind? In der Orthopädie kaum, hier schaue man eher retrospektiv auf die Fälle zurück, da wären nur Themen rund um die Operation wie z.B. der perioperative Antibiotika-Einsatz geeignet. Aber was diesen Bereich anbelangt, den kann sie trotzdem ausleben. Schon während des Studiums habe sie mit der Onkologie zusammengearbeitet. Das Thema der Forschungen: Zuletzt waren es genetische Analysen und die Suche nach Biomarkern beim Kolorektalkarzinom (Barth DA et al., Clin Transl Oncol 2019 und Smolle MA et al., Anticancer Res 2019), also auf einer anderen Ebene als der handgreiflichen und bei einer der häufigsten Tumorarten. Ein Ausgleich? Nicht in diesem Sinn. „Forschung ist auf jeden Fall ein Bereich, der vom Klinikchef forciert und bei seinen Mitarbeitern gefördert wird – egal, ob es um Studien oder deren Präsentationen bei einem Kongress geht.“ Ob das heißt, dass man mit der Arbeitszeit auskommt trotz Forschungsaktivität? „Ganz ohne etwas von der Freizeit herzugeben, geht es nicht“, lacht Smolle. Aber sie empfindet die Forschung insgesamt als wichtigen und guten Ausgleich zur oft emotional belastenden Patientenbetreuung.

Die nächsten Schritte

Sie will daher unbedingt auch weiter aktiv in der Forschung sein, auch wenn sie es in puncto Karriereplanung „lieber klein hält“, Schritt nach Schritt geht. Und der nächste ist der Facharzt für Orthopädie. Was dafür noch fehlt, ist ein Auslandssemester. „Nachdem wir mit vielen Studiengruppen international zusammenarbeiten, wird das sicher eine gute Erfahrung – zu sehen, wie an anderen Zentren gearbeitet wird“, freut sich Smolle. Die internationale Zusammenarbeit wird auf jeden Fall noch heuer dadurch intensiviert, dass nächstes Jahr die Tagung der European Musculo-Skeletal Oncology Society (EMSOS) in Graz stattfinden wird, zu der man etwa 500 Teilnehmer erwartet. Bei der diesjährigen Tagung in Florenz laufen die Vorbereitungsarbeiten schon an.

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