Lungenkrebs – Chirurgie im Aufwind

Parallel zu den Fortschritten in der Onkologie eröffnen sich heute auch für die Thoraxchirurgie ganz neue Möglichkeiten in der operativen Therapie des Lungenkarzinoms. (CliniCum pneumo 1/17)

Alle Welt spricht über die enormen Fortschritte in der medikamentösen Behandlung von Krebs. Speziell bei Lungenkrebs haben Immuntherapie und Präzisionsmedizin in jüngster Zeit große Erfolge verbuchen können: Mit Pembrolizumab steht ein hochwirksamer PD1-Inhibitor für vorbehandelte und therapienaive Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) zur Verfügung; der neue Tyrosinkinaseinhibitor Osimertinib wird bei Lungenkrebspatienten mit EGFR-Mutation eingesetzt, wenn der Tumor aufgrund einer bestimmten Mutation gegen andere Medikamente dieser Substanzklasse resistent geworden ist.

Auch im späten Stadium

Weitgehend unbemerkt geblieben ist hingegen die Tatsache, dass sich auch der Stellenwert und die Anwendungsmöglichkeiten der Chirurgie bei der Behandlung von Lungenkrebs wesentlich verändert haben. „Früher kam beim NSCLC in den frühen Stadien I und II nur die Chirurgie, in den fortgeschrittenen bzw. späten Stadien III und IV nur die Chemotherapie zum Einsatz“, erzählt Univ.-Prof. Dr. Walter Klepetko, Leiter der Klinischen Abteilung für Thoraxchirurgie, Universitätsklinik für Chirurgie, Wien, sowie Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien. Heute hingegen seien beim NSCLC chirurgische Eingriffe auch in den Stadien II und IV durchaus üblich, etwa die Entfernung solitärer Metastasen oder eines bzw. zweier befallener Lymphknotengruppen im Mediastinum auf der gleichen Seite wie der Primärtumor (N2).

„Durch den technischen Fortschritt sowie einen interdisziplinären Therapiezugang und die daraus resultierende multimodale Therapie können wir heute operative Lösungen anbieten, die früher nicht möglich waren“, erklärt Klepetko. Einerseits gestalten sich Standardoperationen zunehmend weniger belastend für die Patienten, weil sie über kleinere Zugänge durchgeführt werden. Andererseits ermöglicht das Zusammenspiel von Chirurgie, medikamentöser Behandlung und Radiotherapie heute auch sehr große Eingriffe, die früher nicht sinnvoll durchgeführt werden konnten. Dies schlägt sich in signifikant höheren Überlebenszahlen nieder.

Personalisierte Therapie

Immer mehr Lungenkarzinompatienten werden in einem multimodalen Setting behandelt. „Auch in der Chirurgie stimmen wir die Therapieentscheidung mit der individuellen Situation der Patienten ab und orientieren uns immer mehr nach molekularbiologischen Mustern“, erläutert Klepetko. Nicht zuletzt aufgrund der multimodalen Behandlungskonzepte zeichnet sich auch in der chirurgischen Therapie des Lungenkrebses ein Trend in Richtung personalisierte Medizin ab. Während einige Techniken darauf abzielen, die Belastung der Patienten möglichst gering zu halten, sollen andere Verfahren das Überleben der Patienten verbessern.

Lokale Tumorkontrolle

Durch die enge Zusammenarbeit mit der medizinischen Onkologie und dem Einsatz der neuen systemischen Therapien bekommt die lokale Tumorkontrolle in der Chirurgie eine neue Bedeutung. So kann heute die Größe von Tumoren, bei denen das früher nicht möglich war, medikamentös verringert werden, wodurch das Karzinom besser operierbar ist. Daneben wurden neue operative Techniken wie der Eingriff über einen einzigen kleinen Zugang (uniportaler Zugang oder Schlüsselloch-OP) etabliert. Dazu Klepetko: „Bei dieser Methode ist der Schnitt oft nicht größer als drei Zentimeter. Durch den kleinen Zugang erreichen wir eine Reduktion des Wundschmerzes und beschleunigen die Wundheilung.“ Dabei gehe es insbesondere um Lebensqualität und nicht um die Verbesserung des Therapieergebnisses.

Therapieerfolg zählt

Ganz anders verhält es sich bei jenen operativen Eingriffen, die erst durch das Zusammenspiel von Chirurgie, Chemo- und/ oder Strahlentherapie möglich werden. Hier haben die Thoraxchirurgen vor allem die Verbesserung des Therapieerfolges vor Augen. Gerade bei onkologisch nötigen, großen Eingriffen im metastasierten Bereich zeigen Studiendaten deutlich, dass die Chirurgie gemeinsam mit der medikamentösen und der Radiotherapie zu besseren Ergebnissen führt als eine Therapie ohne Chirurgie. „Die Zahlen sprechen für sich: Die Überlebensrate konnte mit der multimodalen Therapie um bis zu 20 Prozent verbessert werden“, so Klepetko, und er fasst zusammen: „Diese Operationen sind zwar sehr aufwändig und groß, haben im Gegensatz zu früher aber sehr gute Erfolgsaussichten und sind für den Patienten wesentlich weniger belastend.“

Neues in der Therapie von Lungenkrebs“, Wissenschaftliche Sitzung des Comprehensive Cancer Center (CCC), Wien, 3.11.16

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum pneumo