16. Dez. 2016

„RCC-Guidelines werden sich wieder ändern“

Abb.: Wiki Creative Commons/gemeinfrei

Die eben aktualisierten Guidelines zum Nierenzellkarzinom könnten sich schon bald wieder ändern, prognostiziert Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger. Denn Sunitinib zeigt Wirksamkeit in der adjuvanten Situation, was sich unter Umständen auf etwaige Nachfolgetherapien, sollte es dennoch zum Relapse kommen, auswirken kann. In der Erstlinie gibt es vorerst keine Änderung bei Therapie-naiven Patienten. (krebs:hilfe! 11/16)

CABOSUN: Cabozantinib in Erstlinie? 

In einer randomisierten Phase-II-Studie bei Patienten mit intermediärem und ungünstigem Risiko hat Cabozantinib im Vergleich zu Sunitinib das progressionsfreie  Überleben  signifikant  verlängert (PFS,  8,2  vs. 5,6  Monate;  HR  0,69; p=0,012) sowie die objektive Ansprechrate (46 vs. 18%) deutlich erhöht (Choueiri TK et al., Abstract LBA30). Zu diesem Ergebnis kam die Phase-II-Studie CABOSUN (ALLIANCE A031203), in der 157 Patienten mit unbehandeltem, klarzelligem mRCC und intermediärem (80,9%) oder hohem (19,1%) Risiko nach IDMC (Independent Data Monitoring Committee) zu Cabozantinib oder Sunitinib randomisiert wurden.

Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22,8 Monaten betrug das Gesamtüberleben 30,3 vs. 21,8 Monate (HR 0,80). Die Wirksamkeitsdaten erwiesen sich als unabhängig von der Risikogruppe und davon, ob Knochenmetastasen vorlagen. Beide Arme zeigten ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil. Nebenwirkungen von Grad 3 oder höher fanden sich bei 70,5 vs. 72,2 Prozent der Patienten unter Cabozantinib vs. Sunitinib. Am häufigsten kam es zu Diarrhö, Fatigue, Hypertonie, Hand-Fuß-Hautreaktion und hämatologischen Ereignissen. „Cabozantinib ist derzeit erst ab der Zweitlinie zugelassen.

Aber nach diesen Daten hat  Cabozantinib  das Potenzial, neuer First-line-Standard zu werden“, sagt Erstautor  Dr.  Toni  Choueiri,  Boston, USA. Schmidinger kommentiert: „Für mich haben diese Ergebnisse keine Konsequenz für die Erstlinie: denn das PFS für beide Arme in der Erstlinie ist sehr bescheiden und entspricht nicht der klinischen Realität. Hier müssten unbedingt Phase-III-Daten abgewartet werden, für mich bleibt im Moment Sunitinib der First-line-Standard, und Cabozantinib bleibt neben Nivolumab in der Second-line.“

STRAC: Sunitinib adjuvant  

Gleichzeitig verbesserte Sunitinib in der adjuvanten Phase-III-Studie S-TRAC das erkrankungsfreie  Überleben  (DFS)  bei RCC-Patienten mit hohem Rezidivrisiko nach einer Nephrektomie (Ravaud A et al., Abstract  LBA11). 615 Hochrisikopatienten mit einem klarzelligen Nierenzellkarzinom ohne Metastasierung erhielten randomisiert Sunitinib  oder Placebo  über ein Jahr. Der primäre Endpunkt, das erkrankungsfreie Überleben, konnte signifikant verlängert werden und lag bei 6,8 vs. 5,6 Jahren (HR 0,761; p=0,03). Nebenwirkungen von Grad 3 oder höher waren unter Sunitinib aber fast verdreifacht (62,1 vs. 21,1 Prozent).

Prof. Dr. Alain Ravaud, Bordeaux, Frankreich, hofft, dass Sunitinib für die adjuvante Behandlung zugelassen wird. Wichtig sei, die Dosierung der Studienmedikation auch in der Praxis einzuhalten, da sich Sunitinib  bei anderer Anwendung als nicht wirksam erwiesen habe, so Ravaud. Demnach sollen Patienten mit hohem Rezidivrisiko mit einer Startdosis von 50mg und einer Minimaldosis von 37,5mg pro Tag behandelt werden, wobei einer vierwöchigen Therapie jeweils eine zweiwöchige Pause folgen sollte.

Prof. Dr. Thomas Powles, London, UK, hält dagegen eine Praxisänderung für verfrüht: „Diese positiven Daten müssen im Kontext der größeren adjuvanten ASSURE-Studie betrachtet werden, die keinen Unterschied im erkrankungsfreien oder Gesamtüberleben  zeigte. Beide Studien zeigen, dass adjuvantes Sunitinib mit Toxizität assoziiert ist. Derzeit laufen mehrere Studien zu diesem Thema. Ein positives Gesamtüberlebens-Signal oder eine positive Metaanalyse wäre notwendig, um Sunitinib als adjuvante Behandlung empfehlen zu können.“

 

Take Home Messages

Die CABOSUN-Studiendaten, die im Presidential Symposium vorgestellt wurden, zählten mit Sicherheit zu den interessantesten neuen Ergebnissen beim Nierenzellkarzinom (Choueiri TK et al., Abstract LBA30). Es handelt sich um eine randomisierte Phase-II-Studie, in der Cabozantinib gegenüber Sunitinib in der Erstlinie ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben bei vergleichbarer Toxizität erreichte. Diese Ergebnisse werden dennoch nicht zu einer Änderung des Therapie-Algorithmus führen, sie entsprechen nicht der klinischen Realität und sind als Hypothese-generierend einzustufen.

Erwähnenswert sind aber auch die Daten der adjuvanten S-TRAC-Studie, in der Sunitinib gegenüber Placebo klar überlegen war (Ravaud RJ et al., Abstract LBA 11). Die wichtigste Neuerung der 2016 aktualisierten ESMO-Guidelines zum fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom ist die 1A-Empfehlung sowohl für den PD-1-Antikörper Nivolumab als auch für den Tyrosinkinasehemmer Cabozantinib in der Zweitlinientherapie (Escudier B et al., Ann Oncol 2016; 27 (suppl 5): v58–68).

Die früheren Standardtherapien, Axitinib und Everolimus, gelten dagegen nur mehr als Optionen in der Zweitlinie. Aber diese Guidelines könnten sich sehr bald wieder ändern, da die neuen Substanzen nun auch in der Erstlinie untersucht werden und erste positive Ergebnisse lieferten.

Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger
Universitätsklinik für Innere Medizin I, Wien