28. Okt. 2022ÖGP-Kongress 2022

Update pädiatrische Impfungen

Zahlreiche Impfungen gegen respiratorische Erkrankungen stehen für Kinder ab dem ersten Lebensjahr zur Verfügung. Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Volker Strenger von der Med Uni Graz erläuterte in seinem Vortrag, warum Kinder vor frühen Erkrankungen geschützt werden sollen und welche Möglichkeiten im aktuellen Kinderimpfprogramm des Impfplans Österreich 20221 vorgesehen sind.

Arzt legt einem Kind nach der Injektion des Covid-19-Impfstoffs einen Klebeverband an.
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Pneumokokken

„Pneumokokken können bei (Klein-)Kindern Erkrankungen wie Otitis media oder Pneumonien auslösen, aber auch invasive Pneumokokken-Erkrankungen wie Meningitis oder Sepsis“, betont Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Volker Strenger, Klinische Abteilung für allgemeine Pädiatrie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Med Uni Graz.

Für Kinder im ersten Lebensjahr wird der 13-valente PCV13-Konjugat-Impfstoff empfohlen. „Neu ist der 15-valente PCV15, der ab 18 Jahren zugelassen ist, aber bereits eine positive Bewertung der EMA ab sechs Wochen erhalten hat. Eine EU-Zulassung wird noch heuer erwartet“, so Strenger. Der 23-valente Polysaccharid-Impfstoff PPV23 ist zudem bei Personen mit Risiko zugelassen, aber erst ab dem dritten Lebensjahr empfohlen, weil Polysaccharid-Impfstoffe bei Kleinkindern eine schwächere Wirkung aufweisen.

Influenza

„Eine Influenza-Infektion kann bei Kleinkindern mit schweren Verläufen einhergehen – in Österreich sind im Zeitraum 2017 bis 2020 17 Kinder an Influenza verstorben, zum Teil ohne bestehende Grunderkrankung“, gibt Strenger zu bedenken.

Influenza-Impfstoffe für Kinder können nasal (lebend) oder i.m./s.c. (tot) verabreicht werden. Für Kinder ab sechs Monaten sind tetravalente i.m. Impfstoffe zugelassen und empfohlen, der nasale tetravalente Impfstoff ist von zwei bis 18 Jahren zugelassen. Kinder unter sechs Monaten können mittels passiver Immunisierung durch die Impfung der Mutter in der Schwangerschaft geschützt werden. „Bis zum 15. Lebensjahr ist die Influenza-Impfung im Kinderimpfprogramm enthalten und kostenfrei“, informiert Strenger. Bei der erstmaligen Impfung von Kindern bis zum vollendeten achten Lebensjahr sind zwei Impfungen im Abstand von mindestens vier Wochen erforderlich.

COVID-19

Kinder können mitunter sehr wohl schwer an COVID-19 erkranken. „So mussten in Österreich in manchen Monaten bis zu 600 Kinder (noch ungeimpft!) im Alter von null bis vier Jahren aufgrund von COVID-19 stationär aufgenommen werden, bei den fünf- bis neunjährigen Kindern waren dies 150 hospitalisierte Kinder pro Monat“, berichtet Strenger. „Auf den Kinderintensivstationen österreichweit hatten wir bis April 2022 mehr als 400 Kinder aufgrund von COVID-19 in Behandlung. Bisher sind zehn Kinder an COVID-19 verstorben – teilweise ohne Grunderkrankung.“

SARS-CoV-2 kann drei bis sechs Wochen nach einer Infektion zu einem Hyperinflammationssyndrom (PIMS, MIS-C) führen, das laut Strenger seit der Omikron-Variante viel seltener geworden. Long-COVID tritt auch bei Kindern und Jugendlichen auf (vier Wochen nach Erkrankungsbeginn).

Für Kinder unter fünf Jahren ist in der EU derzeit noch kein Impfstoff zugelassen (in den USA ist der mRNA-Impfstoff Comirnaty/BioNTech-Pfizer bereits ab sechs Monaten zugelassen). Für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren ist der Kinderimpfstoff zugelassen (2+1 nach sechs Monaten, 10µg). Zwischen zwölf bis 18 Jahren wird ebenfalls der mRNA-Impfstoff empfohlen (2+1 nach sechs Monaten, 30µg). Spikevax von Moderna ist zwar zugelassen, wird aber aufgrund des Myokarditis-Risikos nicht empfohlen. „Das Impfschema 2 plus 1 gilt für alle Kinder ab fünf Jahren, wobei die dritte Teilimpfung sechs Monate nach der zweiten Impfung bzw. nach Infektion und möglichst vor Schulbeginn erfolgen sollte“, ergänzt Strenger.

RSV

Das Respiratory Syncytial Virus (RSV) kann respiratorische Infektionen in jedem Lebensalter verursachen, aber gerade in der ersten bis zweiten RSV-Saison bei Säuglingen und Kleinkindern ist die Bronchiolitis gefürchtet, die bis zu Ateminsuffizienz, Apnoen und Elektrolytentgleisungen führen kann. „Eine kausale Therapie gibt es nicht“, so Strenger. Nicht wenige Kinder müssen auf der pädiatrischen Intensivstation (PICU) behandelt werden. Die Erkrankung betrifft vor allem – aber nicht nur – Risikokinder.

Das Impfkonzept besteht derzeit aus einer passiven Immunisierung mit dem monoklonalen Antikörper Palivizumab, das monatlich während der Saison verabreicht wird. Kurz vor der Zulassung steht der länger wirksame monoklonale Antikörper Niservimab (positive Stellungnahme der EMA), der einmal pro Saison verabreicht werden kann. Die passive Immunisierung erfolgt in der ersten RSV-Saison bei Kindern mit Risiken wie Frühgeborene, hämodynamisch relevantem Herzfehler, pulmologischer Indikation, neuromuskulären Erkrankungen, Trisomie 21 oder Immundefizienz.

Eine aktive Immunisierung (derzeit in der klinischen Entwicklung) kann bei Neugeborenen bzw. Säuglingen erfolgen oder bei Müttern vor der Geburt, was zu einer passiven Immunisierung der Kinder führt.

Pertussis

Die Erkrankung beginnt zunächst mit unspezifischen Symptomen wie Husten und Schnupfen (Stadium catarrhale, 1–2 Wochen) gefolgt von anfallsartigen Hustenattacken, inspiratorischem „whoop“, posttussivem Erbrechen, Stuhl-/Harnabgang, Analprolaps, kutanen und konjunktivalen Blutungen und Rippenfrakturen (Stadium convulsivum, 4–6 Wochen) und schließlich ein über viele Wochen gereiztes Bronchialsystem (Stadium decrementi, 6–10 Wochen). „Eine Säuglings-Pertussis kann einen sehr schweren Verlauf mit einer Mortalität von 80 Prozent aufweisen“, informiert Strenger.

In Österreich ist die Pertussis-Ganzkeim-Impfung seit 1970 verfügbar und seit 1980 empfohlen. Seit 1994 steht ein azellulärer Impfstoff zur Verfügung, der weniger Nebenwirkungen, aber eine raschere Abnahme der Immunität aufweist.

In den letzten Jahren wurde ein deutlicher Anstieg von gemeldeten Pertussis-Fällen verzeichnet, wobei das Erkrankungsalter angestiegen und damit keine reine Kinderkrankheit mehr ist.

Die Impfung gegen Pertussis ist in der Sechsfach-Impfung im ersten Lebensjahr (2+1 Schema) enthalten und wird im Volksschulalter als Vierfach-Impfung aufgefrischt. Alle zehn bzw. fünf Jahre erfolgt dann eine Vier-/Dreifach-Auffrischung. „Eine Impfung von Schwangeren im letzten Trimenon wird empfohlen, um mit einer passiven Immunisierung das Neugeborene vor einer frühen Pertussis-Infektion zu schützen“, betont Strenger.

Masern

„Die Pneumonie bei Masern ist eine häufige Komplikation und die häufigste Masern-assoziierte Todesursache“, weiß Strenger. Es handelt sich einerseits um eine virale Bronchopneumonie und Bronchiolitis, andererseits kann es zu einer bakteriellen Superinfektion kommen. Insbesondere bei Immundefizienz kann es zu einer Riesenzellpneumonie kommen.

Gegen Masern wird mit der Masern-Mumps-Röteln (Varizellen)-Lebendimpfung geimpft und zumindest die Masern-Komponente bietet einen lebenslangen Schutz. Cave: In den 1970er Jahren wurden auch Totimpfstoffe verabreicht, die diesen lebenslangen Impfschutz nicht bieten. Bei Kontakt von Ungeschützten sollte eine Inkubations- bzw. Abriegelungsimpfung möglichst innerhalb von 72 Stunden erfolgen.

Varizellen

Als Komplikationen vor Varizellen nennt Strenger Virus-Pneumonien, bakterielle Superinfektion mit Pneumonie und Haut-Weichteil-Infektionen sowie ZNS-Komplikationen.

Die Lebendimpfung wird zweimal, entweder monovalent oder als Vierfach-Impfung (MMRV), ab dem ersten Geburtstag bzw. dem Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen verabreicht, sowie bei Seronegativen ab dem 9. Lebensjahr (je älter, desto schwerer die Verläufe). Allerdings ist die Impfung nicht im kostenfreien Impfprogramm enthalten.

Diphtherie

„Die Erkrankung hat an Aktualität gewonnen und ist eine klassische pulmologische Infektion“, sagt Strenger. Das Toxin-bildende Corynebacterium diphtheriae tritt als Rachen- und Wund-Diphtherie mit oder ohne systemische Toxinwirkung auf. „Durch die zunehmenden Fluchtbewegungen steigen auch die Fallzahlen, in Österreich sind rezent Todesfälle beschrieben worden“, ergänzt Strenger.

Die Toxoid-Impfung schützt zwar vor der Toxin-Wirkung, aber nicht vor der Infektion, und wird im Rahmen der Sechsfach-Impfung im ersten Lebensjahr bzw. im Volksschulalter und danach alle zehn bzw. fünf Jahre aufgefrischt. 

„Update Impfungen“, Wissenschaftliche Sitzung der ÖGP im Rahmen der 46. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), Salzburg, 29.9.2022

Korrektur 11.10.2022: Es waren nicht mehr als 400 Kinder alleine in Graz, sondern in ganz Österreich auf pädiatrischen Intensivstationen. Wir entschuldigen uns für den Fehler!