14. Juni 2022Na, wo drückt’s denn?

Bei jeder dritten «jungen Hypertonie» findet sich eine spezifische Ursache

Schilddrüsenstörungen, Nierenschäden oder eine Stenose der Nierenarterie: Es gibt viele Ursachen für die sekundäre Hypertonie. Häufig lassen sie sich in der Praxis schon anhand von Klinik und Labor erkennen. Manche Untersuchung sollte jedoch Spezialisten vorbehalten bleiben.

Junger Mann, der sich selbst mit einem Blutdruckmessgerät untersucht
iStock/chpua

Mit dem Alter steigt das Risiko für Bluthochdruck. Dabei macht die essenzielle Hypertonie die Mehrzahl der Diagnosestellungen aus. Das gilt im Prinzip auch für jüngere Patienten. Doch bei nahezu jedem Dritten unter 40 liegt den pathologischen Werten eine sekundäre Hypertonie zugrunde, schreiben Dr. Stuart Rison von der Londoner Queen Mary University und Kollegen. Und nach dieser Ursache gilt es intensiv zu suchen, macht das Autorenquartett deutlich.

Mehrfach messen

Einmal gemessene erhöhte Blutdruckwerte sollten regelmäßig überprüft werden, auch mehrfach während einer Konsultation und an beiden Armen. Zuverlässigere Ergebnisse als in der Praxis erhält man, wenn der Patient seine Werte eigenständig zu Hause ermittelt und notiert, mindestens zweimal täglich und an vier, besser noch sieben aufeinanderfolgenden Tagen.

Optimal ist die kontinuierliche Messung, automatisiert über 24 Stunden hinweg. Sie zeigt, ob die Werte in der Nacht abfallen – was bei sekundärem Hypertonus oft nicht der Fall ist. Bei ausgeprägtem Hochdruck von 180/120 mmHg und mehr sollte man nicht lange zögern und den Betroffenen an ein spezialisiertes Zentrum überweisen (s. Kasten).

Am häufigsten liegen die Ursachen des „jungen Hypertonus“ im Bereich der Schilddrüse, des Nierenparenchyms und der Nierenarterien, etwa infolge einer fibromuskulären Dysplasie. Etwa ab dem 40. Geburtstag kommt zudem eine Aldosteronüberproduktion in Betracht.

Störungen der Schilddrüse

Ursächlich für eine sekundäre Hypertonie kann sowohl die Unterfunktion der Schilddrüse sein als auch deren Überfunktion. Bei Hypothyreose fallen regelmäßig Bradykardie, teigig-ödematöse Haut und eventuell eine Gewichtszunahme auf, bei Hyperthyreose ist eher das Gegenteil der Fall. Weitere Hinweise geben die Schilddrüsenwerte und eine Titerbestimmung von Thyreoperoxidase- und TSH-Rezeptor-Antikörpern. Bei einem Kropf oder bei tastbaren Knötchen erfolgt die entsprechende Ultraschalluntersuchung.

Was zu viel ist, ist zu viel

Blutdruckwerte von 180/120 mmHg oder mehr, zwei- oder dreimal während einer einzigen Konsultation gemessen, sollten die Alarmglocken schrillen lassen. Wenn dann noch die folgenden Red Flags hinzukommen, muss der Patient sofort in ein Zentrum für Hypertonie eingewiesen werden.

  • Netzhautblutungen oder ein Papillenödem als Zeichen erhöhten intrakraniellen Drucks
  • Verwirrtheitszustände
  • Brustschmerz
  • Symptome einer Herzinsuffizienz
  • akutes Nierenversagen

Gleiches gilt bei Hypertonus und gleichzeitigem Verdacht auf Phäochromozytom, wenn beispielsweise diese Zeichen auftreten:

  • lageabhängige Hypotonie
  • Palpitationen
  • übermäßiges Schwitzen

Nierenschäden

Tastbare, elastische Raumforderungen geben einen Hinweis auf polyzystische Nieren. Bei entsprechendem Verdacht lässt sich eine Proteinurie über das Albumin-Kreatinin-Verhältnis im Urin sichern. Die glomeruläre Filtrationsrate kann erniedrigt sein, eventuell liegt Hämaturie vor. Nach sonographischer Untersuchung sollte die Überweisung zum Spezialisten erfolgen, der in der Regel eine CT oder MRT veranlasst.

Stenose der Nierenarterie

Beim Auskultieren fällt ein Strömungsgeräusch über der verengten Arterie auf (zwei bis drei Zentimeter oberhalb des Nabels, bilateral abhören). Die Stenose geht bei jüngeren Patienten meist auf eine fibro- muskuläre Dysplasie zurück, ältere weisen eher eine typische atherosklerotische Verengung auf.

Primärer Hyperaldosteronismus

Möglicherweise zeigt der Patient Veränderungen, die an ein Cushing-Syndrom denken lassen. Oft weist aber erst die Kombination aus Hypertonie und Hypokaliämie auf die Hormonstörung hin. In diesem Fall sollte die Überweisung zum Endokrinologen erfolgen.

Den Kliniken vorbehalten

Zu guter Letzt zählen die britischen Kollegen einige Untersuchungen auf, die ihrer Ansicht nach den Kliniken vorbehalten sein sollten oder die ihnen generell überflüssig erscheinen:

  • Messung der Metanephrine im 24-Stunden-Sammelurin bei Verdacht auf Phäochromozytom: Die Probenahme dürften die Patienten daheim kaum hinbekommen, so die Autoren. Eine solche Untersuchung müsse stationär erfolgen.
  • Messung des Cortisolspiegels im Serum: Für die Diagnostik müsste die Blutabnahme aufgrund der zirkadianen Rhythmik der Hormonfreisetzung mitten in der Nacht erfolgen. Die Cortisolbestimmung aus dem Speichel heraus ist weitaus praktikabler, schreiben Rison und Kollegen. Die Probe sollte der Patient spätabends nehmen, der Speichel lässt sich einige Tage bei 4 °C aufheben.
  • Bestimmung des Aldosteron-Renin-Quotienten: Diese Untersuchung ist nach Ansicht der Autoren für den normalen Praxisalltag allein schon deswegen viel zu aufwendig, weil die Proben innerhalb einer Stunde verarbeitet werden müssen.

Rison SCG et al. BMJ 2022; 376: e067924; doi: 10.1136/bmj-2021-067924

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune